Irgendwann in den 70er Jahren hieß es, es gäbe einen neuen »Tierfilmer«. Tierfilme waren damals im Fernsehen sehr beliebt – auch bei uns zu Hause. Es gab Heinz Sielmann und Professor Grzimek. Und dann kam ein gewisser Horst Stern mit seiner Sendung »Sterns Stunde«. Die Stunde war, wie in der Schule, nur 45 Minuten. Ich weiss nicht mehr genau, welches die erste Sendung war, die ich gesehen habe, vermutlich seine »Bemerkungen über das Pferd«.
Aber Horst Stern war kein »Tierfilmer«. Er zeigt keine exotischen Tiere oder keine neuen Bilder von bekannten Tieren. Er reiste nicht nach Afrika oder Asien, um dort eine exotische Tierwelt abzufilmen. Er zeigte Bilder über den Rothirsch und die Jagd und meinte, es werde zu wenig gejagt; das Rotwild ruiniere den Wald. Und das am 24. Dezember um 20.15 Uhr. Er zeigte Krabbenzuchtstätten in Asien und zeigte, mit welchen Dosen von Medikamenten diese Tiere gefüttert und wie sie gehalten wurden. Er belegte, wie Pferde »gebrochen« werden, damit sie über Hindernisse springen. Er zeigte, wie Schweine in den Ställen verblöden. Er zeigte, wie der »zivilisierte Mensch« seine Tiere missbraucht, in dem er sie vermenschlicht und verhätschelt und einem Kindchenschema folgt oder einfach nur als Ware ansieht, die zu seiner Verfügung zu stehen hat. Er zeigte, wie Menschen irren, wenn sie Natur für moralisch halten und glauben, ihr die eigenen Moralvorstellungen aufzuzwingen.
Nein, damals (ich war so 13, 14) konnte ich mit Horst Stern nicht viel anfangen. Aber ein Stachel blieb und Jahre später (die Sendungen wurden alle paar Jahre wiederholt), da erschlossen sie sich mir erst und mir wurde Horst Stern zu einem Naturlehrer; nein, das war vermutlich zu wenig: er wurde mir ein Lehrer.