Peter Sloterdijk schreitet mit der Übertragung seiner Notate bis 2013 fort.

Neue Zeilen und Tage
Nahtlos knüpft Peter Sloterdijk mit »Neue Zeilen und Tage« an sein Notizextrakt »Zeilen und Tage« von 2012 an. Die Aufzeichnungen des neuen Buches beginnen dort, wo das andere abschloss (am 8. Mai 2011) und enden am 23. September 2013, unmittelbar nach der Bundestagswahl, knapp zwei Jahre vor jenen politischen Eruptionen, die Sloterdijk fast prophetisch vorwegnahm, als er unmittelbar nach dem Fernsehduell zwischen Peer Steinbrück und Angela Merkel konstatierte, dass man sich bald nach den Jahren des vorgeblichen Stillstands sehnen werde, sobald der Sturm zu ernten ist, der im milden Wind dieser Tage gesäht [sic!] wurde.
Der letzte Teil des Satzes, jenes mystisch-semivisionäre Halbpathos, ist zuweilen typisch für diese Notate, die schon wie in »Zeilen und Tage« mit mäandernd-pointierten, zuweilen aphoristisch-sprunghaften Schilderungen aufwarten. So lässt diese Stoffsammlung weiterhin den Blick in die Werkstatt des Lesers Sloterdijk zu, der nach Belieben Unterstützung zu seinen Thesen in nahezu allen verfügbaren Werken bis hin zur Bibel findet. Man begleitet man ihn bei Nach- und Vorgedanken zu seinen Büchern, sieht ihm praktisch zu beim Sortieren der »Zeilen und Tage« (in dem seine aktuellen Aufzeichnungen nahezu zum Erliegen kommen) und erfährt allerlei über die Arbeiten an ein Libretto zu einer Oper namens »Babylon« (Musik von Jörg Widmann), welche dann im Oktober 2012 in München uraufgeführt wird.
Sloterdijk ist viel unterwegs, zu Kongressen, hält Reden (einmal vor FIFA-Funktionären über den wenig erforschten Unterschied von Angebotsreligionen und Nachfragereligionen [Reaktionen werden bedauerlicherweise nicht überliefert]), sitzt in Fernsehdiskussionen oder im Flugzeug, macht Urlaub und sortiert dabei seine Gedanken zum Erlebten. Nur am Rande kommen seine universitären Pflichten vor, etwa wenn ein unterschriftsreifer Sponsoring-Vertrag mit einem Drogeriemarktinhaber doch noch in letzter Minute platzt. Oder wenn es um Nachfolgeregelungen geht. Unterhaltsam dagegen die Kollegenbeobachtungen, die manchmal in Spott münden. Etwa über Redner, die wir brauchen sagen. Oder nach dem Ende eines Philosophiekongressen. Der Boden sei nach 400 Referaten von Worthülsen übersäht [wieder die falsche Schreibweise]. Überhaupt hadert er zuweilen mit seiner Wissenschaft. Was heißt denken?, fragt er einmal. Um dann die verblüffende Antwort zu geben: Feuer in Papiertüten transportieren.