Pe­ter Slo­ter­di­jk: Re­fle­xio­nen ei­nes nicht mehr Un­po­li­ti­schen

Peter Sloterdijk: Reflexonen eines nicht mehr Unpolitischen / Hans Ulrich Gumbrecht: Wachheit
Pe­ter Slo­ter­di­jk: Re­flexo­nen ei­nes nicht mehr Un­po­li­ti­schen / Hans Ul­rich Gum­brecht: Wach­heit
»Re­fle­xio­nen ei­nes nicht mehr Un­po­li­ti­schen« lau­tet der Ti­tel der Dank­re­de Pe­ter Slo­ter­di­jks an­läss­lich der Ver­lei­hung des Börn­e­prei­ses 2013. So­fort fühlt man sich er­in­nert an Tho­mas Manns »Be­trach­tun­gen ei­nes Un­politischen« von 1918 und fragt sich, wie die­se An­spielung zu ver­ste­hen ist. Mann hat­te da­mals mit ei­nem über 600 sei­ti­gen Kon­vo­lut zum ei­nen die Ver­derb­nis der Li­te­ra­tur durch die Be­schäf­ti­gung mit der Po­li­tik kon­sta­tiert (und sei­nen Bru­der Hein­rich mehr oder we­ni­ger of­fen als ab­schrecken­des Bei­spiel ei­nes »Zi­vi­li­sa­ti­ons­li­te­ra­ten« in­sze­niert) und gleich­zei­tig ex­akt dies mit sei­nem Be­kennt­nis zum rei­ni­gen­den Krieg – Kul­tur ver­sus Zi­vi­li­sa­ti­on – sel­ber be­trie­ben. Da­bei war Tho­mas Mann min­de­stens zu Be­ginn des Gro­ßen Krie­ges ei­gent­lich nur das, was man heu­te Main­stream nennt. Und, um es ein biss­chen sa­lop­per zu for­mu­lie­ren: Un­ab­hän­gig da­von, dass Tho­mas Mann in den 1930er Jah­ren (nach ei­ni­ger Zeit des Ab­war­tens) zum schar­fen Geg­ner der Na­tio­nal­so­zia­li­sten wur­de, war er po­li­tisch nicht un­be­dingt ein Vi­sio­när. Kann sich ein Den­ker wie Slo­ter­di­jk so­zu­sa­gen frei­wil­lig in die­se Tra­di­ti­on stel­len?

Ei­ne an­de­re Mög­lich­keit wä­re, dass es sich um ei­ne be­son­de­re Form der Ko­ket­te­rie han­delt. Ei­ne Art Spiel mit Eti­ket­ten. Schließ­lich ist Slo­ter­di­jks Re­de mit knapp 35 groß­zü­gig be­druck­ten Sei­ten gar nicht mit Manns vo­lu­mi­nö­sem Text ver­gleich­bar. Die er­sten et­was mehr als 20 Sei­ten die­sem »Son­der­druck edi­ti­on suhr­kamp« nimmt Hans Ul­rich Gum­b­rechts Lau­da­tio ein, in der er im­mer­hin am En­de die selbst­iro­ni­sche Vol­te plat­ziert, sich sel­ber zu sei­ner Wahl zu gra­tu­lie­ren, denn die Sta­tu­ten des Prei­ses se­hen vor, dass nur ei­ne Per­son den Preis­trä­ger be­stimmt, und dies war eben Gum­brecht.

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Mi­cha­el Götschen­berg: Der bö­se Wulff?

michael-goetschenberg-der-boese-wulffVor ei­nem Jahr trat Chri­sti­an Wulff vom Amt des Bundes­präsidenten zu­rück. Über mehr als zwei Mo­na­te pras­sel­te da­mals das me­dia­le Dau­er­feu­er auf ei­nen am­tie­ren­den Bun­des­prä­si­den­ten ein. Mi­cha­el Götschen­berg, Lei­ter des Haupt­stadt­bü­ros von RBB, MDR, Ra­dio Bre­men und des Saar­län­di­schen Rund­funks, be­müht sich in sei­nem Buch »Der bö­se Wulff?« aber nicht nur um die Auf­ar­bei­tung der di­ver­sen Wulff-Af­fä­ren (die ge­le­gent­lich auch nur lä­cher­li­che Af­fär­chen wa­ren), son­dern un­ter­sucht die Um­stän­de vor bzw. bei der Wahl Wulffs und gibt ei­nen Über­blick über die 598 Ta­ge der Prä­si­dent­schaft. Da­bei zieht er was die Amts­zeit an­geht ein über­aus po­si­ti­ves Fa­zit und mag so gar nicht in die ne­ga­ti­ven Stim­men der Jour­na­li­stik ein­stim­men, die, wie man heu­te nach­le­sen kann und Götschen­berg auch zeigt, durch die Dy­na­mik der Um­stän­de ein­ge­färbt wa­ren (und im­mer noch sind).

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Nach­rich­ten aus der Un­ter­hal­tungs­bran­che (I)

oder: Wie ethi­sche Wer­te in der Des­in­for­ma­ti­ons­ge­sell­schaft zer­brö­seln

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Vor ei­ni­gen Jah­ren frag­te mich ei­ne jun­ge, kaum zwan­zig­jäh­ri­ge Ver­käu­fe­rin in ei­ner der Wie­ner Bou­ti­quen, die sich in den Gas­sen hin­ter dem Ste­phans­dom ein­ge­ni­stet ha­ben, ob ich viel­leicht in der Un­ter­hal­tungs­bran­che tä­tig sei. Ich such­te ein Klei­dungs­stück für mei­ne Frau aus und hat­te ne­ben­bei mit die­sem gut ge­laun­ten Mäd­chen, das an sei­ner Ar­beit of­fen­bar Spaß fand, da­hin­ge­plau­dert. Ich war per­plex, als sie mir die­se Fra­ge stell­te. »Un­ter­hal­tungs­bran­che«, al­lein das Wort hät­te ich nicht in den Mund ge­nom­men. Ich frag­te sie, wie sie dar­auf kom­me, und er­fuhr, dass es mei­ne Re­de­wei­se war, die sie auf die Ver­mu­tung ge­bracht hat­te. Es hat­te zwar kei­ner­lei Ver­stän­di­gungs­schwie­rig­kei­ten zwi­schen uns ge­ge­ben, doch die Art mei­ner Wort­wahl und mehr noch die Tat­sa­che, dass ich über­haupt Wor­te mit Be­dacht aus­wähl­te in ei­nem Ge­spräch oh­ne je­de tie­fe­re Be­deutung (auch das ein Aus­druck, den sie wahr­schein­lich in der Un­ter­hal­tungs­bran­che zu­ordnen wür­de), hat­te sie ins Stau­nen ge­bracht. Ich glau­be, mit »Un­ter­hal­tungs­bran­che« mein­te sie Fern­se­hen, Zei­tun­gen, Zeit­schrif­ten... »News« oder »Wie­ner« oder was es da­mals so gab. Nicht ei­gent­lich das, was in der Nach­kriegs­zeit als »Show­busi­ness« im­portiert wur­de. Nein, kei­ne Schau, aber doch Un­ter­hal­tung, et­was Im­ma­te­ri­el­les; kei­ne Stof­fe und kein Bü­ro. Zu­gleich aber: Ge­schäft, al­so ernst­zu­neh­men. Viel­leicht, dach­te ich, ist Un­ter­hal­tung für die­ses Mäd­chen das Höch­ste. Eher klein­wüch­sig, kräf­tig, selbst­bewusst, mit har­mo­ni­schen Ge­sichts­zü­gen (wie­der so ein Aus­druck!), blick­te sie zu mir auf, leicht amü­siert, gu­ter Din­ge, wie je­den Tag.

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Ur­he­ber­recht und gei­sti­ges Ei­gen­tum. Ver­such ei­ner knap­pen und grund­sätz­li­chen Nä­he­rung.*

Bei­de Be­grif­fe, Ur­he­ber­recht und gei­sti­ges Ei­gen­tum, sind nicht als zeit­los gül­ti­ge Fest­schreibungen zu klä­ren, son­dern in­ner­halb ei­ner kon­kre­ten Ge­sell­schaft, ih­rem »Welt­bild«, ih­rer Kul­tur, ih­ren Wert­vor­stel­lun­gen, ih­ren öko­no­mi­schen Prak­ti­ken, ih­ren tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten und dem gel­ten Recht. Es ist nicht nur denk­bar, dass an­de­re Zei­ten oder Men­schen nach an­de­ren Lö­sun­gen ver­lan­gen oder sie na­he le­gen, das war ge­wiss so und wird wie­der der Fall sein. Das ist mei­ne er­ste An­nah­me.

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