Be­treu­tes Le­sen und Poe­sie­al­ben

Wie­der ei­ne klei­ne Erup­ti­on in der Li­te­ra­tur­kri­tik. Der von mir ge­schätz­te Car­sten Ot­te hat ein Ge­dicht von Till Lin­de­mann, dem Sän­ger der von mir nicht ge­schätz­ten Band »Ramm­stein«, re­zen­siert. Ihm ge­fal­len die Ver­ge­wal­ti­gungs­träu­me­rei­en des ly­ri­schen Ich nicht. Die Wel­len schla­gen hoch; die Kunst­frei­heit wird be­schwo­ren und die Ho­he­prie­ster der Frak­ti­on »Be­treu­tes Le­sen« mel­de­ten sich auch ...

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Da­vid Wro­blew­ski: Die Ge­schich­te des Ed­gar Saw­tel­le


David Wroblewski: Die Geschichte des Edgar Sawtelle
Da­vid Wro­blew­ski: Die Ge­schich­te des Ed­gar Saw­tel­le

Zwei Vor­be­mer­kun­gen:

1. Das dem Ver­fas­ser die­ser Be­spre­chung vor­lie­gen­de Le­se­ex­em­plar sei ein »un­kor­ri­gier­tes Vor­aus­exem­plar«, wie der Ver­lag auf Sei­te 1 schreibt und man bit­tet hier­aus nicht zu zi­tie­ren. Die­sem Wunsch wur­de nicht statt­ge­ge­ben, denn es liegt we­der ein an­de­res Ex­em­plar vor – und grund­sätz­li­che Ver­än­de­run­gen dürf­ten nicht zu er­war­ten sein. Die Zi­ta­te sind kur­siv ge­setzt und müs­sen un­ter dem Vor­be­halt des oben ge­sag­ten be­trach­tet wer­den.

2. Das En­de des Bu­ches ist über­ra­schend und poin­tiert. Es wird in die­ser Be­spre­chung ver­wen­det und im ent­spre­chen­den Ab­schnitt ist ei­ne Spoi­ler­war­nung aus­ge­spro­chen. Das Buch ist oh­ne den Schluss nicht zu be­wer­ten. In­so­fern kann auf ei­ne Be­rück­sich­ti­gung des Span­nungs­er­halts kei­ne Rück­sicht ge­nom­men wer­den.


Wisconsin/USA, 1950er Jah­re. Gar und Tru­dy Saw­tel­le züch­ten Hun­de, set­zen die Ar­beit von Gars Groß­va­ter John fort. Es kommt ihm da­bei we­ni­ger auf hoch­ge­züch­te­te Blut­li­ni­en als auf den Cha­rak­ter der Tie­re an. Pe­ni­bel sucht Gar nach sei­nen ei­ge­nen, spe­zi­el­len Kri­te­ri­en Hun­de aus und scheut da­bei nicht auch au­ßer­ge­wöhn­li­che Kreu­zun­gen, die von den »nor­ma­len« Züch­tern ver­pönt sind. Er hat ei­nen Plan, bil­det die Hun­de aus, will ih­ren Cha­rak­ter im Trai­ning her­vor­ho­len und for­men (er lehnt das Wort Dres­sur ab und legt Wert dar­auf, dass man mehr züch­tet als nur gut dres­sier­te Pro­me­na­den­mi­schun­gen). Die Ent­wick­lun­gen der Tie­re wer­den akri­bisch do­ku­men­tiert. Nach an­dert­halb Jah­ren wer­den sie für 1500 Dol­lar ver­kauft. Die Do­ku­men­ta­ti­on geht wei­ter; Gar be­fragt die Be­sit­zer re­gel­mä­ßig und zieht hier­aus Schlüs­se für sei­ne wei­te­re Zucht.

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Ida Jes­sen: Leich­tes Spiel

Ida Jessen: Leichtes Spiel
Ida Jes­sen: Leich­tes Spiel

Joa­chim, ein 40jähriger Jung­ge­sel­le ist ein biss­chen kau­zig und zu­rück­hal­tend, Be­sit­zer ei­ner Ei­gen­tums­woh­nung mit ei­ni­gen ge­ho­be­nen Ac­ces­soires und ver­dient gut, oh­ne da­mit zu prot­zen. Ei­nes Ta­ges lernt er auf ei­ner Ge­burts­tags­par­ty ei­nes Kol­le­gen die et­was flip­pi­ge Su­san, ei­ne Kin­der­gärt­ne­rin, ken­nen. Mo­na­te spä­ter be­geg­nen sie sich er­neut und ver­brin­gen – fast wi­der Er­war­ten – ei­ne Nacht mit­ein­an­der. Joa­chim lernt Su­s­ans neun­jäh­ri­ge Toch­ter Dit­te ken­nen und es ent­wickelt sich ei­ne Li­ai­son. Su­san ist schnell schwan­ger und Joa­chim fie­bert dem Er­eig­nis der Ge­burt sei­nes er­sten Kin­des ent­ge­gen. Su­san und Dit­te zie­hen in Joa­chims gro­sse Woh­nung; Su­san wird Mit­be­sit­ze­rin.

Aber schon sehr früh be­ginnt die Ent­zwei­ung. Erst klei­ne Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten. Dann be­merkt Joa­chim bei Su­san Zei­chen zu­neh­men­der Ge­reizt­heit und Ego­zen­trik, was er je­doch auf die Schwan­ger­schaft schiebt. Ih­re ma­nisch-de­pres­si­ven Schü­be wer­den im­mer stär­ker; Joa­chim ist mit Su­s­ans ag­gres­si­vem Ver­hal­ten und ih­rer Ra­bu­li­stik völ­lig über­for­dert.

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Jo­na­than Lit­tell: Die Wohl­ge­sinn­ten

I. Mocku­men­ta­ry
II. Ernst Nol­te als Spi­ri­tus rec­tor
III. Die Buch­ver­ste­her

Ein Buch mit ei­nem ge­ra­de­zu ka­the­dra­len Über­bau: »Re­a­ding-Room« der FAZ (ein häss­li­cher An­gli­zis­mus – den­noch: hö­rens­wert das Le­sen von Chri­sti­an Ber­kel), Mar­gi­na­li­en­band mit In­ter­views, Gra­phi­ken und text­in­ter­pre­ta­to­ri­schem Rüst­zeug, ei­ge­ne Web­sei­te (noch aus­führ­li­che­re Do­ku­men­te als im Mar­gi­na­li­en­band), und fast je­des Feuil­le­ton äu­ssert sich. Und wenn man das Buch mit sei­nen fast 1.400 Sei­ten vor sich lie­gen hat und in den Hän­den wiegt, dann fragt man sich, ob die Er­war­tun­gen ob die­ses Mo­nu­men­ta­lis­mus über­haupt ein­ge­löst wer­den kön­nen. Oder ob da nicht ein Au­tor Op­fer sei­ner ei­ge­nen Hy­bris wird.

Jonathan Littell: Die Wohlgesinnten
Jo­na­than Lit­tell: Die Wohl­ge­sinn­ten

»Die Wohl­ge­sinn­ten« sind die fik­ti­ven Me­moi­ren von Dr. Ma­xi­mil­li­an Aue, Jahr­gang 1913, deutsch-fran­zö­si­scher Her­kunft, pro­mo­vier­ter Ju­rist und am En­de, 1945, SS-Ober­sturm­bann­füh­rer. Aue ist Ich-Er­zäh­ler, was als »neu« in Be­zug auf die »Tä­ter­per­spek­ti­ve« hin­ge­stellt wird. Das stimmt in die­ser Ab­so­lut­heit na­tür­lich nicht und wird nicht bes­ser, in dem man es dau­ernd wie­der­holt. Je­der zwei­te Kri­mi schiebt heut­zu­ta­ge den Tä­ter und des­sen Mo­ti­va­ti­on in den Vor­der­grund – meist als Bre­chung zum All­tag des Kom­mis­sars. Hin­sicht­lich der Shoa stimmt das auch nicht. Man kann nicht so tun, als sei die »Spra­che der Tä­ter« zu er­fin­den. Es gibt sie längst – so­wohl im Ori­gi­nal, als auch in zahl­rei­chen Fik­tio­nen, die längst in die Welt­li­te­ra­tur und ‑dra­ma­tik ein­ge­flos­sen sind.

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T. C. Boyle: Amé­ri­ca

Ein viel­ge­rühm­ter Ro­man – aber war­um? An­geb­lich sei das al­le­go­ri­sche, bild­haf­te so stark, so mäch­tig: hie die ein­wan­dern­den Me­xi­ka­ner, die ihr Stück vom Wohl­stand mit­ha­ben wol­len – dort das li­be­ra­le Bür­ger­tum der USA, schliess­lich ka­pi­tu­lie­rend vor den Scharf­ma­chern und Emi­gran­ten­has­sern. Es ist in T. C. Boyl­es »Amé­ri­ca« dann tat­säch­lich so, wie sich Lies­chen Mül­ler im ...

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