Die »Wie-es-uns-gefällt«-Aussenpolitik

In sei­ner Dis­ser­ta­ti­on »Spra­che und Au­ßen­po­li­tik – Der deut­sche und US-ame­ri­ka­ni­sche Dis­kurs zur An­er­ken­nung Kroa­ti­ens« schreibt Ralf Pio­trow­ski:

An­fang No­vem­ber 1991 wur­de die di­plo­ma­ti­sche An­er­ken­nung Slo­we­ni­ens und Kroa­ti­ens er­klär­tes Ziel deut­scher Au­ßen­po­li­tik. Bis zu die­sem Zeit­punkt hat­te Deutsch­land sei­ne Po­li­tik der An­er­ken­nung als na­tio­na­le Posi­tion an­ge­se­hen, die im EG-Rah­men nicht aus­rei­chen­de Un­ter­stüt­zung fand. Von nun an kon­zen­trier­ten sich die di­plo­ma­ti­schen Be­mü­hun­gen dar­auf, die Part­ner­staa­ten der Eu­ro­päi­schen Ge­mein­schaft auf dem ein­ge­schla­ge­nen Weg zu hal­ten. Falls sich dies als nicht mög­lich er­wei­sen soll­te, soll­te die An­er­ken­nung not­falls im Al­lein­gang voll­zo­gen wer­den. Am 8. No­vem­ber 1991, wäh­rend des NA­TO-Gip­fels in Rom, rich­te­te US-Prä­si­dent Bush an Bun­des­kanz­ler Kohl ei­ne De­mar­che. Wa­shing­ton be­schul­dig­te Deutsch­land, die in­ter­na­tio­na­len Be­mü­hun­gen zu unter­wandern, in­dem es die Re­pu­bli­ken da­zu er­mu­ti­ge, ih­re Unab­hängigkeit durch­zu­set­zen. Die deut­sche Re­gie­rung fuhr dessen­ungeachtet mit ih­rer An­er­ken­nungs­po­li­tik fort. Mit­te No­vem­ber infor­mierte Bun­des­kanz­ler Kohl Prä­si­dent Mit­te­rand of­fi­zi­ell über die deut­schen Plä­ne, Kroa­ti­en an­er­ken­nen zu wol­len. Mit­te­rand ge­gen­über recht­fer­tig­te Kohl die­ses Vor­ge­hen mit Ver­weis auf in­nen­po­li­ti­schen Druck aus ver­schie­de­nen Rich­tun­gen. En­de No­vem­ber wa­ren Kohl und Gen­scher zu der Über­zeu­gung ge­langt, Deutsch­land kön­ne die An­er­ken­nung Slo­weniens und Kroa­ti­ens not­falls oh­ne ei­nen EG-Kon­sens voll­zie­hen, oh­ne da­mit die Ver­ein­ba­run­gen mit den EG-Part­nern zu ver­let­zen. Bundes­kanzler Kohl kün­dig­te am 27. No­vem­ber wäh­rend ei­ner Haus­haltsdebatte die di­plo­ma­ti­sche An­er­ken­nung „noch vor dem Weih­nachtsfest“ an.

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»Schön – wie so vie­les« – Mi­cha­el Rol­off zu Pe­ter Hand­ke (III)

…und den Tau­to­lo­gien der Ju­stiz, der Sinn­lo­sig­keit des Glau­bens des Künst­lers als Vor­bild, der mas­sen­me­dia­len Bil­der­be­ein­flus­sung, Deutsch­land als Schwamm und Hand­kes des­il­lu­sio­nie­ren­den Blick, was den No­bel­preis an­geht.

Teil ITeil II

In dem Es­say »Die Tau­to­lo­gien der Ju­stiz« be­schreibt Hand­ke 1969 als Pro­zess­be­ob­ach­ter das Vor­ge­hen der (deut­schen) Ju­stiz ge­gen die Haus­be­set­zer- und De­mon­stran­ten­sze­ne. Be­reits da­mals spricht er über­aus deut­lich dem Ge­richt die Mög­lich­keit ab, ein un­vor­ein­ge­nom­me­nes Ur­teil fäl­len zu kön­nen – wor­an das liegt, wä­re ei­ne se­pa­ra­te Er­ör­te­rung wert…

Es ist ei­gent­lich ziem­lich klar wor­an das liegt. An Vor-Ur­tei­len, die ei­gent­lich nichts mit Ge­richts­bar­keit zu tun ha­ben. In den USA ist man, je­den­falls vor ei­nem Ge­richt, un­schul­dig bis zum Ur­teil. Un­ter dem deut­schen Ju­stiz­sy­stem ist man, wenn ar­re­tiert, erst ein­mal schul­dig bis zum even­tu­el­len Frei­spruch. Da sind von vorn­her­ein die Ak­zen­te an­ders ge­setzt.

Das Tau­to­lo­gi­sche von dem Hand­ke da sehr schön be­ob­ach­tend spricht, hängt al­so eher mit Ha­bi­tus, mit Mief, mit dem Ob­rig­keits­den­ken zu­sam­men, die tief in der Volks­psy­che ver­an­kert sind. Hier ja manch­mal auch, wenn man sich das be­rühm­te Ge­richts­ver­fah­ren ge­gen die »Chi­ca­go Sie­ben« nach der 68er De­mo­cra­tic Con­ven­ti­on an­sieht, mit dem Rich­ter Hoff­man. Rich­ter, die dann sich eher wie ver­klemm­te Väter/Mütterchen be­neh­men, und nur aus Zu­fall Rich­ter sind, oder was man sich da­von vor­stellt, al­so dem »ge­sun­de Volks­emp­fin­den« Aus­druck ver­lei­hen.

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»Schön – wie so vie­les« – Mi­cha­el Rol­off zu Pe­ter Hand­ke (I)

Mi­cha­el Rol­off, 1937 ge­bo­ren, ehe­ma­li­ger Hand­ke-Über­set­zer, jet­zi­ger Hand­ke-Le­ser, lebt heu­te in Se­at­tle. Sei­ne Stel­lung­nah­men zu Hand­ke, sei­nem Werk, den An­sich­ten zu Hand­kes Ju­go­sla­wi­en-En­ga­ge­ment – ge­le­gent­lich sper­rig, sehr poin­tiert, und oft lehr­reich.

Be­gleit­schrei­ben: In Pe­ter Hand­kes Stück »Zu­rü­stun­gen für die Un­sterb­lich­keit« lässt er den neu­en Kö­nig Pa­blo sa­gen:

»Für mich und mei­ne Leu­te hier Ge­set­ze schaf­fen, wie es sie noch nie ge­ge­ben hat, wie sie oh­ne Zwang so­fort ein­leuch­ten, und wie sie auch für über­all und al­le gel­ten kön­nen – auch für mich sel­ber! Die En­kla­ven­welt­ver­las­sen­heit darf nicht mehr un­ser Stamm­platz sein. War­um nicht an die Macht kom­men? Lust ha­ben auf die Macht, ent­spre­chend der Lust, die der Vor­früh­ling macht. Ei­ne ganz neu­ar­ti­ge, in der Ge­schich­te bis­her un­be­kann­te, und dann selbst­ver­ständ­li­che Macht aus­üben – et­was wie ein Freund­schafts­spiel, wel­ches zu­gleich doch zählt. Die Macht lie­ben auf ei­ne Wei­se, wie in der Ge­schich­te noch kei­ner je sei­ne Macht ge­liebt hat, so dass die­ses Wort welt­weit ei­ne an­de­re Be­deu­tung be­kä­me...«

Die­se Wor­te, von Gert Voss sei­ner­zeit im Burg­thea­ter ge­hört, ent­wickeln No­vas Mo­no­log in »Über die Dör­fer« wei­ter. Ist Hand­ke ein po­li­ti­scher Uto­pist (im durch­aus po­si­ti­ven Sinn)?

Michael Roloff
Mi­cha­el Rol­off

Mi­cha­el Rol­off: Ein biss­chen schon, sonst nicht all die­ses Pa­thos. Und das schon zur Zeit des »Lang­sa­me Heimkehr«-Zyklus (»Lang­sa­me Heim­kehr« – »Kin­der­ge­schich­te« – »Die Leh­re der St. Vic­toire« – »Über die Dör­fer«), spe­zi­ell in No­vas höl­der­lin­ähn­li­cher Hym­ne bei der man, als Über­set­zer, am En­de dann nach Luft schnapp­te! In­tra­psy­chisch ge­se­hen ist das ein Wis­sen um die Un­mög­lich­keit der Er­reich­bar­keit des Ide­als.

Auch viel Ex­pres­sio­ni­sti­sches dort, und spä­ter »der neue Mensch ja was ist aus ihm ge­wor­den, man hört nicht mehr viel da­von« in der »Nie­mands­bucht«. Des­we­gen auch wohl das Fest­hal­ten an der Idee vom ver­ei­nig­ten Stam­mes­volk der Süd­sla­wen, die ei­ne Ge­schich­te und ei­ne Spra­che ge­mein­sam ha­ben; die Idee, dass dar­aus noch et­was hät­te wer­den kön­nen. Denn in Fu­ku­ya­mas neo­kon­ser­va­ti­ver Welt bei­spiels­wei­se ist al­les Uto­pi­sche ab­ge­schafft.

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