Köl­ner Straße/Markenstraße

All die von der Kreu­zung ab­ge­hen­den Stra­ßen und die vie­len
Mög­lich­kei­ten des Ab­bie­gens, über­all Pfei­le, Schil­der, Men­schen und
Au­tos.

Der in ei­nem T‑Shirt auf ei­nem Pla­stik­stuhl sit­zen­de Mann, sei­ne
Lip­pen schnell und stumm be­we­gend, viel­leicht ein Ge­bet,
viel­leicht ei­nen Gruß spre­chend.

Die Schul­kin­der und ih­re zent­ner­schwe­ren Ruck­säcke; krum­me, nach
hin­ten ge­bo­ge­ne Rücken, Kau­gum­mischmatz­ge­räu­sche; aus Mün­dern
her­vor­tre­ten­de Bla­sen, ro­sa.

Ein auf dem Geh­weg par­ken­der E‑Scooter, ei­ne Mut­ter und ihr Sohn.
Das sich zum Len­ker strecken­de Kind und das lau­te Er­tö­nen der Rol­ler-Hu­pe;
zu­sam­men­zucken­de Kör­per, »Schluss jetzt!«

Die Un­ge­duld der Au­to­fah­rer und ih­re Äu­ße­run­gen dar­über in Form
von Hu­pen und Flu­chen. Her­un­ter­ge­kur­bel­te Fen­ster, Trans­por­ter und
Fahr­rä­der mit An­hän­gern; Kin­der­bring­zeit, über­all Ge­schrei.

Die hin- und her­zucken­den Bil­der des groß­for­ma­tig als Wer­be­flä­che
ge­nutz­ten LED-Bild­schirms, Times Squa­re Ober­bilk, New York
Düs­sel­dorf; kauft, kauft, sonst sind wir ver­lo­ren.

Die sich sta­peln­den Ki­sten der To­ma­ten, Gur­ken und Boh­nen beim
ge­gen­über­lie­gen­den Ge­mü­se­händ­ler und der Va­ter mit sei­nem
La­sten­rad und der ATOM­KRAFT-NEIN-DAN­KE-Flag­ge auf dem
Ge­päck­trä­ger.

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El­ler­stra­ße, Düs­sel­dorf

Der sich im Wind wie­gen­de Gras­halm, dunk­les, kräf­ti­ges Grün,
da­ne­ben der gel­be Lö­wen­zahn, klim­pern­de Au­to­schlüs­sel.

In den Be­ton­rit­zen des Kopf­stein­pfla­sters schla­fen­de
Zi­ga­ret­ten­stum­mel; klei­ne Mu­mi­en, dun­kel­gelb zwi­schen grau; wü­sten­ok­ka;
ein Ka­mel lugt von ei­ner weg­ge­wor­fe­nen Zi­ga­ret­ten­packung her­vor.

Der auch hier schwer tra­gen­de Bau­ar­bei­ter, der Mann mit Zan­ge und
blau­er Ho­se und da­zwi­schen im­mer wie­der Kin­der an den Hän­den von
Müt­tern, die Kin­der­wa­gen schie­ben.

Von über­all her­ab­hän­gen­de Ta­schen mit Lauch; Pe­ter­si­lie und Gur­ken.
Die Do­mi­nanz der Far­be Grün bei den in den Pla­stik­tü­ten
trans­por­tier­ten Wa­ren.

Der vor ei­nem Klin­gel­schild ste­hen­de Mann mit ei­ner schwar­zen
Trai­nings­ta­sche in der rech­ten Hand. Sein den Na­mens­dschun­gel
durch­käm­men­der Blick; end­lich das er­lö­sen­de Sur­ren, das Auf­drücken
der Tür, ich ha­be et­was für dich und das will ich dir ge­ben.

Das mit ei­ner Ab­deckung ver­se­he­ne Mo­tor­rad, grau; oh schlaft ihr
Mo­to­ren, schlaft ein. Der dar­aus her­vor­schau­en­de Spie­gel, als Au­ge,
als Hin­weis: Mich wird es im­mer ge­ben und: Ich se­he dich.

Das Er­tö­nen des Ge­räu­sches ei­ner Rat­sche, »oh, oh, da musst du
vor­sich­tig sein. Die sind fest. Da kannst du nicht run­ter­fal­len«.

Ein Hund bellt, et­was fiept, sich zu­zie­hen­de Din­ge, Roh­re,
Was­ser­lei­tun­gen; im­mer noch Ju­stie­rungs­ge­räu­sche.

Der Pa­ket­bo­te und sein Pa­ketturm; ein Ba­lan­ce­akt, ei­ne ar­ti­sti­sche
Dar­bie­tung. Die auch ihn er­lö­sen­den Surr­ge­räu­sche des Tür­öff­ners,
der Wi­der­hall des Sir­rens sei­nes Pa­ket­scan­ners im Ein­gangs­flur, sein
schnel­ler Schritt beim Ab­gang.

Ein Stuhl, ein Tisch, ein Ra­be, ein klar ge­stal­te­ter Bal­kon; dar­un­ter auf
dem Bür­ger­steig ein Jun­ge mit sei­nem Va­ter, aus des­sen Ta­sche die
Ge­räu­sche ei­nes Schafs kom­men; »Ich glau­be, wir ha­ben hier ein
Schaf«.

Die Va­ria­tio­nen der Men­schen beim Ge­hen, ein Schlei­chen, ein
Schlei­fen, ein stöh­nen­des Ge­hen, ein Tap­sen, ein Trip­peln;
Vo­gel­ge­zwit­scher, das sich jetzt in die Ge­räu­sche der Rat­sche mischt.

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Ver­su­che über die Be­ginn­lo­sig­keit

Ei­ni­ge Ge­dan­ken zu Rai­ner Ra­bow­skis bril­lant-kom­­p­le­­xem Er­zähl­band »Un­se­re Sa­che« Sie hei­ßen Yvonne, Hel­ga, Ra­pha­e­la, auch No­vi­ko­va und An­gé­li­que oder – ge­heim­nis­voll – »H.N« und spie­len in fünf von sechs Er­zäh­lun­gen des Ban­des »Un­se­re Sa­che« ei­ne ent­schei­den­de Rol­le. Ober­flächlich be­trach­tet mit so­zio­lo­gi­schem Blick da­her­kom­mend sind es Er­in­ne­run­gen an ver­gan­ge­ne Be­­kannt- und Freund­schaf­ten aus ei­ner zurückge­lassenen Zeit. ...

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Die Schön­heit des be­ob­ach­ten­den Tiers

Die fein­füh­lig-re­fle­xi­ven Er­zäh­lun­gen des Rai­ner Ra­bow­ski

Rainer Rabowski: Die gerettete Nacht
Rai­ner Ra­bow­ski:
Die ge­ret­te­te Nacht

Mo­men­te der Won­ne: Ei­ne Frau und de­ren Lä­cheln her­aus ei­ner Art Se­kun­den­bei­schlaf an Mit­wis­se­rei und Kom­plizenschaft, wie er manch­mal un­ter völ­lig Frem­den mög­lich ist, durch nichts wei­ter be­dingt. Kon­tra­stie­rend mit dem Wüh­len ei­nes Selbst-Ent­wur­zel­ten in ei­nem rie­si­gen Hau­fen Sperr­müll, red­se­lig auf ei­ne schräg-um­ständ­li­che Wei­se, ein gei­sti­ges Ver­stol­pern im all­mäh­li­chen Sor­tie­ren und Sich­ten des erst noch zu fin­den­den La­ge­plans sei­ner Ge­danken. Es sind fast Epi­pha­ni­en, die Rai­ner Ra­bow­ski da be­schreibt, nein – dar­auf muss man be­stehen -: er­zählt. Es sind Er­zäh­lun­gen, »Le­bens­mit­schrif­ten« vom Aufgehoben­sein in ei­ne von al­lem an­de­ren gelöste[n] Be­we­gung. Was doch die­se Schlaf­lo­sig­keit, die dem Ich-Er­zäh­ler in schö­ner(?) Re­gel­mä­ßig­keit (oder Unregel­mäßigkeit?) al­les her­vor­bringt: Ein Fla­nie­ren in der Stil­le der Nacht. Ei­ner Nacht, die, wenn man ge­nau hin­hört, hin­sieht und riecht die­se Schön­heit des…alles ge­nau be­ob­ach­ten­den Tiers zu er­zeu­gen ver­mag (ganz im Ge­gen­satz zur schau­rig-af­fek­ti­ven Jekyl­l/­Hyde-Ver­wand­lung).

Da der Ich-Er­zäh­ler na­men­los bleibt, ist es ver­füh­re­risch, ihn mit dem Au­tor gleich­zusetzen oder zu ver­wech­seln. Der Ort ist über­deut­lich Düs­sel­dorf (die Stadt Pe­ter Kür­tens, wie es ein­mal heißt) und mehr als nur Ku­lis­se (wie sich schon in der Be­zeich­nung »Düs-Tro­pi­en I« auf der er­sten Sei­te zeigt): Tau­send­füß­ler, Gleis­an­schluss Gather­hof, Haupt­bahn­hof Hin­ter­ein­gang, Für­sten­platz, Burg­platz, Bil­ker Al­lee, See­stern, Ecke Her­zog-/Cor­ne­li­us­stra­ße, Gu­stav-Poens­gen-Stra­ße, Ka­ro­lin­ger­stra­ße, etc. Wer will, kann auf ei­ner Kar­te Punk­te ma­chen, die­se ver­bin­den und er­hält ein Be­we­gungs­pro­fil. Ob­wohl: die wirk­lich wich­ti­gen Or­te blei­ben an­ge­deu­tet, et­wa die B‑Straße, G‑Straße oder K‑Straße – als gel­te es, die­se jung­fräu­lich zu er­hal­ten und dem Zu­griff des neu­gie­ri­gen Le­sers zu ent­zie­hen.

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