
Die Schlampen
Vor einigen Jahren erregte die Abschaltung des Weblogs des Schriftsteller Dennis Cooper für einiges Aufsehen, auch in Deutschland. Die Google-Tochter »Blogspot« hatte, wie sich erst später herausstellte, aufgrund eines Bildes, welches als Kinderpornografie gemeldet wurde, die Seite vom Netz genommen. Zwei Monate später revidierte man die Entscheidung; der Blog ging wieder online.
Cooper ist tatsächlich das, was man gemeinhin einen »Skandalschriftsteller« nennen kann. Dies zeigt sich auch in seinem neuesten Roman »Die Schlampen« (Übersetzung: Raimund Varga). Hier werden zwei auch in anderen Texten Coopers bekannte Motive gespiegelt: Zum einen die Faszination von Identitätswandlungen und ‑vermischungen in den digitalen Medien. Und zum andren die sexuelle Lust an Gewalt und Tod. Beide Themen werden auch verschränkt.
Das Buch spielt in den Adoleszenz-Jahren des Internet 2001 und 2002; AOL und Pager sind noch wichtig. Der gesamte Roman besteht aus Postings bzw. sogenannten »Rezensionen« auf einer Sex-Dating-Webseite über »Escorts« (»Twinks«), die von homosexuellen Männern frequentiert werden (Cooper ist selber bekennender Schwuler). Hier berichten Freier unter Pseudonymen wie Brian, builtlikeatruck, Elaine, thegayjournalist, Zack Young, thebasher, snazzystocky oder xtracutebill von ihren real-life-Erfahrungen mit Callboys und beantworten Fragen nach deren körperlichen Merkmalen. Eine Art virtueller, polyphoner Briefroman. Sehr bald konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf einen gewissen Brad in Long Beach bzw. Los Angeles, der sehr jung aussehen soll (die Altersangaben variieren zwischen 14 und 20) und aufgrund positiver Urteile sehr schnell in der Gunst der User aufsteigt.
Rasch wird aus Brad dann Steve, dann Kevin, später Thad. Schließlich taucht ein gewisser Brian auf, eine Art Manager von Brad. Wahlweise ist Brad psychisch krank, hat einen Hirntumor, Leukämie oder AIDS (was die Gier der Freier nichts im Geringsten stört; eher im Gegenteil). Dann wiederum hat er eine Freundin, die schwanger von ihm ist. Alle diese Personen melden sich auf der Webseite, posten Statements und führen das, was andere geschrieben haben, ad absurdum. Wer ist Brad wirklich? Ist das Foto von ihm, welches im Umlauf ist, ein Original? Oder ist es jemand anders? Brian achtet eigentlich darauf, dass es weder Fotos noch Tonaufnahmen gibt. Brads Dienste sind teuer, richten »sich an wohlhabende Klienten mit extremen Fantasien«.