Ro­ber­to Bo­la­ño: Lum­pen­ro­man

Roberto Bolaño: Lumpenroman
Ro­ber­to Bo­la­ño: Lum­pen­ro­man
Ei­ne Ich-Er­zäh­le­rin na­mens Bi­an­ca, in­zwi­schen ver­hei­ra­tet und Mut­ter, er­zählt von ih­rer Ver­gan­gen­heit als »Kri­mi­nel­le«. Sie er­zählt, wie sie nach dem töd­li­chen Un­fall ih­rer El­tern zu­sam­men mit ih­rem Bru­der in Rom als Min­der­jäh­ri­ge wei­ter­lebt. Sie er­zählt, wie sie sich mit ih­ren klei­nen Ein­kom­men (sie ist in ei­nem Fri­seur­la­den be­schäf­tigt und wäscht dort vor­zugs­wei­se den Kun­den den Kopf, er macht in ei­nem Fit­ness­stu­dio sau­ber) über­le­ben. Sie schaut Quiz-Shows im Fern­se­hen, ihr Bru­der leiht Por­no­fil­me aus der Vi­deo­thek aus und ver­ehrt ei­ne Dar­stel­le­rin. Sie er­zählt, wie der Bru­der ei­nes Ta­ges zwei Freun­de mit­bringt (die sie, man­gels Na­men, als Bo­lo­gne­ser und Li­by­er be­zeich­net). Sie er­zählt, wie es nie mehr dun­kel wird um sie her­um, was sie nachts kaum schla­fen lässt. Sie er­zählt, wie sie, die Jung­frau, sich von den Freun­den des Bru­ders be­schla­fen lässt und dar­auf ach­tet, nicht zu wis­sen, mit wem sie es ge­ra­de treibt. Sie er­zählt, wie die drei Jungs mit ih­ren (ver­mut­lich du­bio­sen) »Ge­schäf­ten« schei­tern und sie schließ­lich an den ehe­ma­li­gen Film­star und Bo­dy­buil­der Macis­te ver­kup­peln. Von nun an be­sucht Bi­an­ca die­sen Mann zwei­mal die Wo­che. Sie schla­fen mit­ein­an­der und er be­zahlt da­für. Er ist blind. Und er soll ei­nen Tre­sor ha­ben. Die­sen Tre­sor gilt es zu fin­den. Die vier wol­len ihn, den blin­den Mann, aus­rau­ben. Aber der Tre­sor bleibt un­auf­find­bar, Bi­an­ca ge­steht dem dicken Macis­te ih­re Lie­be, pflegt ihn mit Ka­mil­len­tee, als er krank wird und ver­ab­schie­det sich kurz dar­auf von ihm. Gleich­zei­tig setzt sie die bei­den Freun­de des Bru­ders vor die Tür. Und Bi­an­ca kann wie­der die Dun­kel­heit wahr­neh­men.

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Ro­ber­to Bo­la­ño: 2666

Roberto Bolaño: 2666
Ro­ber­to Bo­la­ño: 2666

Das Buch be­ginnt so harm­los. Drei Li­te­ra­tur­pro­fes­so­ren (Jean-Clau­de Pel­le­tier aus Frank­reich, Ma­nu­el Es­pi­no­za aus Spa­ni­en und Pie­ro Mo­ri­ni aus Ita­li­en) und die eng­li­sche Li­te­ra­tur­do­zen­tin Liz Nor­ton (spä­ter hei­ßen sie nur noch die Kri­ti­ker) ent­wickeln über die Jah­re ei­ne Af­fi­ni­tät zum Werk des deut­schen Schrift­stel­lers Ben­no von Ar­chim­bol­di. An­fangs ein Ge­heim­tip, for­cie­ren nicht zu­letzt die vier die Re­zep­ti­on Ar­chim­bol­dis in der Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft; un­ter an­de­rem auch durch Über­set­zun­gen. Auf Kon­gres­sen, Col­lo­qui­en und an­de­re Zu­sam­men­tref­fen (die es of­fen­sicht­lich reich­lich gibt) ler­nen sie sich per­sön­lich ken­nen und ver­tie­fen nicht nur ih­re fach­li­chen Kennt­nis­se. Durch Liz Nor­ton kommt es zu al­ler­lei Lie­bes­ver­wick­lun­gen; die Da­me hat zu­nächst Pel­le­tier als Ge­lieb­ten, et­was spä­ter dann Es­pi­no­za, län­ge­re Zeit bei­de par­al­lel und min­de­stens ein­mal auch gleich­zei­tig. Die kör­per­li­chen Geb­re­sten Mo­r­in­is (er ist im All­tag auf ei­nen Roll­stuhl an­ge­wie­sen) schei­nen da Bar­rie­ren zu bil­den, wo­bei es am En­de die­ses er­sten Teils dann doch noch ei­ne Über­ra­schung gibt.

Ne­ben die­sen In­ter­ak­tio­nen un­ter den vier Kri­ti­kern (Telefon‑, Mail‑, Gesprächs­austausch), dem ge­le­gent­li­chen Be­äu­gen, den Idio­syn­kra­si­en, den Ver­let­zun­gen, den Merk­wür­dig­kei­ten, den Se­xu­al­stel­lun­gen und –fre­quen­zen – al­les in ei­ner Mi­schung zwi­schen Pro­to­koll und Re­por­ta­ge auf­be­rei­tet – geht es na­tür­lich auch um Li­te­ra­tur. Das Ge­schrie­be­ne bleibt die ein­zi­ge Re­fe­renz für die Adep­ten, denn Ar­chim­bol­di ist so phan­tom­haft wie im rea­len Le­ben sonst nur Tho­mas Pyn­chon.

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