Jo­sef-Ot­to Freu­den­reich (Hg.): Die Ta­schen­spie­ler

Zwölf Auf­sät­ze, Be­rich­te (manch­mal sind es auch Re­por­ta­gen) und zwei Vor­wor­te von acht Au­toren – »Die Ta­schen­spie­ler« ver­sam­melt Be­le­ge über die zu­neh­men­de Ent­frem­dung zwi­schen Staat bzw. Re­gie­rungs­macht und dem »nor­ma­len« Bür­ger. Und das sehr ak­tu­ell – Re­dak­ti­ons­schluss war An­fang Sep­tem­ber 2010. Schwer­punkt die­ser Be­trach­tun­gen ist Ba­den-Würt­te­m­­berg – das ist bei Klöp­fer & Mey­er, wo die­ses Buch er­schie­nen ist, kein Wun­der. Es gibt al­ler­dings auch drei Aus­rei­sser: ei­nen Bei­trag über ei­nen ita­lie­ni­schen Gift­müll­skan­dal, der über jahr­zehn­te­lan­ge Ver­sen­kun­gen von Gift­müll­schif­fen in der ita­lie­ni­schen Adria be­rich­tet, ein Lehr­stück in Sa­chen Atom­müll­ent­sor­gung am Bei­spiel der De­po­nie As­se (in­ter­es­sant hier die At­tri­bu­te: von Ver­suchs­ein­la­ge­run­gen über »For­schungs­berg­werk« bis zur End­la­ger­stät­te reich[t]en die of­fi­ziö­sen Zu­ord­nun­gen ) und am En­de ei­nen sehr in­for­ma­ti­ven Bei­trag von Mar­kus Köh­ler über die Pro­ble­ma­tik des flie­gen­den Ge­richts­stands im Pres­se­recht, wel­cher da­zu dient, un­lieb­sa­me Pres­se­ar­ti­kel durch einst­wei­li­ge Ver­fü­gun­gen von Pres­se­rechts­ak­ti­vi­sten, die an je­der Ecke das Per­sön­lich­keits­recht von Man­dan­ten ver­letzt se­hen (Stich­wort: Haar­far­be des Ex-Bun­des­kanz­lers und an­de­re Klei­nig­kei­ten), vor al­lem vor dem Ham­bur­ger Land­ge­richt zu be­kla­gen – was auch zu­meist ge­lingt.

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Joa­chim Zel­ter: Der Mi­ni­ster­prä­si­dent

Joachim Zelter: Der Ministerpräsident
Joa­chim Zel­ter: Der Mi­ni­ster­prä­si­dent

Dann fällt ihm noch der Mond­tag ein. Fast rich­tig sag­te die Ärz­tin, Frau Dok­tor Wol­ken­bau­er. Nein, er kennt kei­nen die­ser Ta­ge. Er lernt sie aus­wen­dig. Er hat Lücken im Kopf. Na­mens­lücken, Freun­des­lücken, Fa­mi­li­en­lücken, Be­rufs­lücken, Land­schafts­lücken, Er­in­ne­rungs­lücken, Wort­lücken. Er weiß nur, dass er Mi­ni­ster­prä­si­dent ist. Der Mi­ni­ster­prä­si­dent be­kommt von der Ärz­tin ein No­tiz­heft. Hier soll er hin­ein­schrei­ben, was er nicht ver­steht. Er schreibt auch sei­nen Na­men hin­ein: Claus Ur­spring. Schrei­ben kann er im­mer­hin. Und er weiß, dass der Mann, der im­mer zu Be­such kommt, Ju­li­us März heißt.

Der Mi­ni­ster­prä­si­dent hat­te ei­nen Au­to­un­fall und lag meh­re­re Ta­ge im Ko­ma. Er ist nun in ei­ner Kli­nik. Ju­li­us März be­sucht ihn re­gel­mä­ssig, denn schließ­lich ist Wahl­kampf. Ur­spring, so will es die Ärz­tin, soll sich er­in­nern, an die Kind­heit, an schö­ne Er­leb­nis­se. März will, dass er sich an die Lan­des­ver­fas­sung und die Kom­pe­ten­zen der Staats­se­kre­tä­re er­in­nert. Er paukt das mit ihm. Aber ir­gend­wie in­ter­es­siert es Ur­spring nicht.

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Der furcht­ba­re Po­li­ti­ker

Da zeigt die CDU wie­der ih­re al­te, häss­li­che 50er-Jah­re-Frat­ze – und das wäh­rend sich in Ber­lin Mer­kel, von der Ley­en & Co. um ei­ne mo­der­ne CDU be­mü­hen.

Bei der Be­er­di­gung des ehe­ma­li­gen Mi­ni­ster­prä­si­den­ten von Ba­den-Würt­tem­berg, Hans Fil­bin­ger, be­lässt es der am­tie­ren­de Mi­ni­ster­prä­si­dent Gün­ther Oet­tin­ger nicht bei all­ge­mei­nen, flos­kel­haf­ten Re­den, son­dern ver­klärt den­je­ni­gen, der kaum wie ein an­de­rer als Pro­to­typ des »furcht­ba­ren Ju­ri­sten« gilt. Die Zi­ta­te, die seit ge­stern Nach­mit­tag in den Agen­tu­ren zu le­sen sind, spre­chen ei­ne deut­li­che Spra­che.

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