Pe­ter Hand­ke: Mein Tag im an­de­ren Land

Im letz­ten Ka­pi­tel sei­ner im Som­mer 2020 neu über­ar­bei­te­ten Han­d­ke-Bio­­­gra­­phie »Mei­ster der Däm­me­rung« hat­te Mal­te Her­wig viel­leicht et­was in­dis­kret aus dem Werk­statt­käst­chen des Schrift­stel­lers ge­plau­dert. Pe­ter Hand­ke wol­le »noch« ei­ne »Dä­mo­nen­ge­schich­te« schrei­ben, so schreibt Her­wig. Wo­mög­lich in An­leh­nung an Ge­schich­te des Be­ses­se­nen von Ge­ra­sa aus dem Mar­­kus-Evan­­ge­­li­um (5,1–20), der von Je­sus von sei­nen Dä­mo­nen be­freit ...

Wei­ter­le­sen ...

Blei­be schrei­bend im Bild!

Pe­ter Hand­ke zeich­net seit je­her be­glei­tend zu sei­nem Schrei­ben – vor al­lem sei­ne No­tiz­bü­cher sind durch­zo­gen von Zeich­nun­gen, die sich oft so eng an das Ge­schrie­be­ne an­schlie­ßen, als wür­de das Ge­zeich­ne­te mit der Schrift ver­schlun­gen sein. Kürz­lich ist ei­ne Zu­sam­men­stel­lung die­ser Bil­der im Schirm­er und Mo­sel Ver­lag er­schie­nen, in de­nen al­lein ei­ni­ge Ti­tel sei­ner Zeich­nun­gen gan­ze Ge­schich­ten er­zäh­len: »Er­ste hei­le, vol­le Ha­sel­nuss des Jah­res, Frucht noch an der Na­bel­schnur« oder »Auf den Dach­schie­fer­plat­ten die er­sten Trop­fen des Som­mer­re­gens im DO­MI­NO-Mu­ster«.

Hand­ke zeich­net aus­schließ­lich mit Blei­stift und Ku­gel­schrei­ber und oft be­stehen sei­ne Zeich­nun­gen aus vie­len klei­nen an­ein­an­der­ge­reih­ten Krei­sen un­ter­schied­li­cher Far­ben. Auf ei­ner ist ei­ne ver­wun­de­te Wald­maus mit ei­nem ab­ge­spreiz­ten Fuß ist zu se­hen, de­ren Schwanz in das mit grü­ner und ro­ter Tin­te Ge­schrie­be­ne hin­ein­ragt. Ein paar Sei­ten wei­ter ver­steckt Hand­ke dann das da­zu­ge­hö­ri­ge Mau­se­loch; ein tief­schwar­zer Fleck auf sprö­dem Wald­bo­den, auf dem trotz Trocken­heit Blu­men in blau und gelb blü­hen.

Der ita­lie­ni­sche Phi­lo­soph Gi­or­gio Agam­ben ver­gleicht im Vor­wort Hand­kes Zeich­nun­gen mit dem ja­pa­ni­schen Farb­holz­schnitt Su­ri­mo­no, auf dem sich das Ge­schrie­be­ne und das Ge­mal­te ver­ei­nen. Eben­so wie in den Su­ri­mo­nos sieht Agam­ben in Hand­kes Zeich­nun­gen den hart­näcki­gen Ver­such der Wör­ter, sich in die Bil­der hin­ein­zu­schie­ben und »schrei­bend im­mer im Bild zu blei­ben«.

Das passt zu Hand­kes Sicht auf die Welt, in der auch das al­ler­klein­ste De­tail ei­ner Be­rück­sich­ti­gung be­darf; es ist sei­ne be­son­de­re Art des Schau­ens, ein fast kind­li­cher Blick­win­kel, dem das Stau­nen über das noch so Klei­ne in­ne­wohnt – die Ka­sta­ni­en­blät­ter im Ju­ni, Re­gen am Zug­fen­ster im De­zem­ber, ein Mu­ster im Wald­pfad, ei­ne Lö­wen­zahn­spo­ren­ku­gel, ein Amei­sen­hü­gel, ein Abend­him­mel. Aber auch Men­schen schlei­chen sich hin und wie­der in sei­ne Bil­der, die ihm in Zü­gen, Kir­chen oder Bars be­geg­nen.

Hand­ke ge­lingt es in sei­nen Zeich­nun­gen vor al­lem, das »nicht mehr« oder auch das »noch nicht« zu ver­bild­li­chen. Es geht ihm um die Dar­stel­lung von Be­ge­ben­hei­ten, die sich ge­ra­de da­durch aus­zeich­nen, dass sie sich in ei­nem Zwi­schen­zu­stand er­eig­nen, der ei­ne be­son­de­re Lee­re auf­weist. Es scheint, als ob Hand­ke die­se »Nicht-Mo­men­te« zeich­net, um der Lee­re ein Ge­fühl zu ver­lei­hen und um sie da­mit von ih­rer Man­gel­haf­tig­keit zu ent­he­ben. Die Lee­re ist ei­ne Vor­aus­set­zung für die Er­fahr­bar­keit von Stil­le. Hand­ke ver­bild­licht Stil­le.

Wei­ter­le­sen ...

Neu­es vom er­zäh­len­den Bio­gra­phen

Malte Herwig: Meister der Dämmerung
Mal­te Her­wig: Mei­ster der Däm­me­rung

Mal­te Her­wig er­gänzt sei­ne Bio­gra­phie Mei­ster der Däm­me­rung über Pe­ter Hand­ke um die Ge­scheh­nis­se um den Li­te­ra­tur­no­bel­preis 2019

Als Mal­te Her­wig En­de 2010 sei­ne Bio­gra­phie Mei­ster der Däm­me­rung vor­leg­te, war das Werk von Pe­ter Hand­ke zwar nicht ab­ge­schlos­sen, aber gro­ße Über­ra­schun­gen schie­nen nicht mehr zu er­war­ten. Her­wigs Bio­gra­phie, die in vie­lem Neu­es bot (be­son­ders die Brie­fe Hand­kes an sei­nen leib­li­chen Va­ter und die Er­läu­te­run­gen da­zu), gab ei­nen gu­ten Auf­riss von Vi­ta, Werk und Hand­kes Wir­ken im li­te­ra­ri­schen Be­trieb. Fast en pas­sant gab es bis­wei­len ori­gi­nel­le In­ter­pre­ta­tio­nen. Die ewi­ge wie ei­gent­lich dum­me Fra­ge, ob der Bio­graph sei­nen »Ge­gen­stand« mö­gen muss (wenn dem so wä­re, wie könn­te man Bio­gra­phien bei­spiels­wei­se von Ver­bre­chern schrei­ben), stell­te sich nicht. Her­wig ließ kei­nen Zwei­fel dar­an, dass er das Werk Hand­kes, sei­ne Li­te­ra­tur schätz­te – oh­ne da­bei die mensch­li­chen Schwä­chen des Dich­ters zu ver­schwei­gen.

Es kam dann doch an­ders als er­war­tet. Trotz ei­nes Hand­bruchs, der den Dich­ter an­dert­halb Jah­re stark be­hin­der­te, er­schie­nen seit 2010 sechs wei­te­re Er­zäh­lungs­bän­de Hand­kes, drei Thea­ter­stücke (das jüng­ste über den Tsche­chen Zdeněk Ada­mec erst vor we­ni­gen Ta­gen) und ein Jour­nal­band mit Aus­schnit­ten aus sei­nen Auf­zeich­nun­gen zwi­schen 2006 und 2015. Dies al­lei­ne wä­re aber kaum An­lass ge­we­sen, die Bio­gra­phie zu er­gän­zen. Die un­er­war­te­te Ver­ga­be des Li­te­ra­tur­no­bel­preis nebst der sich zwi­schen Ok­to­ber und De­zem­ber 2019 an­schlie­ßen­den »Dis­kus­si­on« dar­über war dann doch Ge­le­gen­heit zur Ak­tua­li­sie­rung.

Der Bio­gra­phie wur­de ein ach­tes Ka­pi­tel mit dem viel­deu­ti­gen Ti­tel Er­wähl­te nach­ge­stellt. So liegt nun im Pan­the­on Ver­lag (bei DVA war 2010 die Bio­gra­phie er­schie­nen; bei­de Ver­la­ge ge­hö­ren zu Ran­dom Hou­se) ei­ne ak­tua­li­sier­te und er­wei­ter­te Aus­ga­be vor. Ne­ben dem neu­en Ka­pi­tel kor­ri­gier­te Her­wig auch ei­ni­ge klei­ne­re Feh­ler (Ge­burts­da­ten) bzw. er­gänz­te in­zwi­schen Ge­sche­he­nes (wie Ster­be­da­ten). Hier und da wur­den ab­ge­wan­del­te For­mu­lie­run­gen für un­be­tei­lig­te Drit­te ge­fun­den. Der Te­nor der ur­sprüng­li­chen Bio­gra­phie wur­de da­durch nicht ver­än­dert; es dürf­te ei­nem ehe­ma­li­gen Le­ser kaum auf­fal­len.

Wei­ter­le­sen ...

Pe­ter Hand­ke: Zdeněk Ada­mec

Mit der Ein­la­dung des »Ex-Au­tors« an sei­ne Gä­ste (al­so sei­ne Le­ser), ei­ne »trau­ri­ge Ge­schich­te« zu hö­ren, en­det Pe­ter Hand­kes 2008 er­schie­ne­ne epi­sche Er­zäh­lung Die mo­ra­wi­sche Nacht. Man ist ge­neigt, dies zu über­le­sen, aber wie so häu­fig nimmt er nicht nur Be­zug auf sei­ne er­schie­ne­nen Wer­ke und Fi­gu­ren, son­dern greift auch bis­wei­len vor. Und jetzt, 2020, ...

Wei­ter­le­sen ...

Thor­sten Car­sten­sen (Hg.): Die täg­li­che Schrift

»Nach Eu­ro­pa zu­rück­ge­kehrt, brauch­te ich die täg­li­che Schrift und las vie­les neu.« Den er­sten Satz aus Pe­ter Hand­kes Die Leh­re der Sain­te-Vic­toire hat Thor­sten Car­sten­sen als Grund­la­ge für den Ti­tel sei­nes Sam­mel­ban­des »Die täg­li­che Schrift« über »Pe­ter Hand­ke als Le­ser« ge­nom­men. Der Band er­schien im Herbst 2019 – ei­gent­lich ge­nau zur rich­ti­gen Zeit: Hand­ke hat­te ...

Wei­ter­le­sen ...

Pe­ter Hand­ke: Das zwei­te Schwert

Und wie­der so ein »Aben­teu­er­buch« von Pe­ter Hand­ke. In den 1980er Jah­ren be­gan­nen sie, die Er­zäh­lun­gen vom Auf­bruch in ein neu­es Le­ben, das, was man En­t­­wick­­lungs- oder, ge­nau­er: Ver­wand­lungs­ro­ma­ne nen­nen könn­te. Prot­ago­ni­sten ver­lie­ßen wie ei­nem in­ne­ren Zwang ge­hor­chend ihr an­ge­stamm­tes Da­sein, be­reit für Neu­es. Die In­ten­tio­nen wa­ren nur zu er­ah­nen. Al­lei­ne als Ein-Mann- oder Ein-Frau-Ex­­pe­­di­tio­­nen ...

Wei­ter­le­sen ...

Pe­ter Hand­ke und der No­bel­preis

Nur ein Link für Le­ser: Mein Text für die öster­rei­chi­sche Wo­chen­zei­tung »DIE FURCHE«: »Kein Be­woh­ner des El­fen­bein­tums« Gro­ßer Dank an Bri­git­te Schwens-Har­rant, die die­sen um­fäng­li­chen Text mög­lich ge­macht hat. Das ist heut­zu­ta­ge sel­ten. .-.-.-.- Ei­ne groß­ar­ti­ge Po­le­mik über die wohl­fei­len bis ag­gres­si­ven Han­d­ke-Kri­ti­ker fin­det sich bei Ber­sa­rin: Pe­ter Hand­ke und die kar­gen Le­mu­ren. Auf Spie­­gel-On­­li­ne ...

Wei­ter­le­sen ...

Freund­li­che Waf­fen

Schon in Pe­ter Hand­kes No­tiz­bü­cher der 1970er Jah­re fin­den sich ver­ein­zelt Zeich­nun­gen des Schrift­stel­lers, wie man auf der Sei­te Hand­ke­on­line bei­spiel­haft se­hen kann. Fast le­gen­där sei­ne Skizze(n) des ge­ra­de ver­stor­be­nen Freun­des Ni­co­las Born. Nur sel­ten fin­det man Hand­kes Zeich­nun­gen in sei­nen Bü­chern, wie in »Ab­schied des Träu­mers vom Neun­ten Land« oder dem hei­te­ren Mär­chen »Lu­cie ...

Wei­ter­le­sen ...