Schlag­zei­len-Do­ping

Jetzt liegt sie al­so vor: die lan­ge un­ter Ver­schluss ge­hal­te­ne Stu­die zum Do­ping im west­deut­schen Spit­zen­sport. Am Wo­chen­en­de hat­te die »Süd­deut­sche Zei­tung« auf die­se Stu­die hin­ge­wie­sen und seit­dem ist in der Sport-Welt kein Hal­ten mehr: Es gab – wel­che Über­ra­schung! – auch Do­ping in West­deutsch­land.

Be­reits die er­sten Mel­dun­gen über­schlu­gen sich in Su­per­la­ti­ven. Da half es auch we­nig, dass Pro­fes­sor Gi­sel­her Spit­zer von der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät in Ber­lin (ei­ner der Au­toren der Stu­die) im »Ak­tu­el­len Sport­stu­dio« von Struk­tu­ren von »sy­ste­mi­schem« Do­ping in der Bun­des­re­pu­blik sprach (und die Un­ter­schie­de zum »Staats-Do­ping« in der DDR deut­lich be­nann­te). Die Jour­na­li­sten küm­mer­ten sich we­nig um den Un­ter­schied zwi­schen »sy­ste­misch« und »sy­ste­ma­tisch«. Um die Stim­mung ein biss­chen an­zu­hei­zen, ti­tel­te man mehr als nur ein­mal »sy­ste­ma­tisch«, was na­tür­lich präch­ti­ger und vo­lu­mi­nö­ser klang (bei­spiel­haft: »Spie­gel On­line«).

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ERT ist über­all

Heu­te mel­de­te die »Klei­ne Zei­tung«, dass der ORF-Ge­ne­ral­di­rek­tor Alex­an­der Wra­betz ge­stern das En­de des In­ge­borg-Bach­mann-Wett­be­werbs ab 2014 ver­kün­det ha­be. Das heißt zu­nächst ein­mal nur, dass das ORF Lan­des­stu­dio in Kärn­ten nicht mehr zur Ver­fü­gung ste­hen und dass es kei­ne Über­tra­gun­gen mehr ge­ben wird. Das wird mit dem En­de des Bach­mann­prei­ses iden­tisch ge­setzt.

Seit­dem gibt ein zum Teil heuch­le­ri­sches Ge­jau­le in den (so­ge­nann­ten) so­zia­len Netz­werken; zum Teil von de­nen, die kei­ne Ge­le­gen­heit aus­ge­las­sen ha­ben, den Bach­mann­preis bei je­der Ge­le­gen­heit hä­misch zu kom­men­tie­ren. Ih­nen ist nun die Spiel­wie­se ge­nom­men wor­den, in der Mit­tags­pau­se drei, vier Sät­ze ei­ner Le­sung und/oder ei­nes Ju­ror­bei­trags aus dem Zu­sam­men­hang zu rei­ssen. Die durch­iro­ni­sier­ten Lei­stungs­trä­ger per­si­flie­ren schon ei­ne Neu­auf­la­ge in Kon­stanz. Was noch fehlt, aber un­wei­ger­lich droht, sind die Epi­ta­phe des so­ge­nann­ten Feuil­le­tons, das seit Jah­ren be­reits den Bach­mann­preis auf der Ab­schuss­li­ste hat.

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Sub­ti­le Fäl­schun­gen

Merk­wür­di­ge Ko­in­zi­den­zen: Da wer­de ich auf­merk­sam auf ein Buch von Mar­tin Doll mit dem Ti­tel »Fäl­schung und Fake«. Fast gleich­zei­tig wird auf »phoe­nix« der Film von Mi­klós Gimes über Tom Kum­mer aus­ge­strahlt (»Bad Boy Kum­mer«). Kum­mer hat­te in den 1990er Jah­re Fu­ro­re mit In­ter­views ins­be­son­de­re von US- und Hol­ly­wood-Be­rühmt­hei­ten wie Brad Pitt, Sharon Stone, Quen­tin Ta­ran­ti­no oder Mi­ke Ty­son ge­sorgt, bis sich schließ­lich her­aus­stell­te, dass die­se Ge­sprä­che ge­fälscht wa­ren und nie­mals statt­ge­fun­den hat­ten. Die­se bei­den Er­eig­nis­se – die Buch­lek­tü­re und der Film – wur­den flan­kiert von ei­nem Bei­trag des NDR-Me­di­en­ma­ga­zins »zapp« über so­ge­nann­te au­to­ri­sier­te In­ter­views. Schon vor ei­ni­gen Wo­chen war mir in die­sem Zu­sam­men­hang ein »tagesschau«-Blog-Beitrag von San­dra Sta­lin­ski auf­ge­fal­len, in der sie über ein nach­träg­lich zu­rück­ge­zo­ge­nes In­ter­view schreibt und dies mit dem »Recht auf das ge­spro­che­ne Wort« recht­fer­tigt, wel­ches, wie die Au­torin be­tont, in Deutsch­land gel­te. Und schließ­lich gab es den Ar­ti­kel in der FAZ, in der die Bun­des­pres­se­kon­fe­renz beim Nach­rich­ten­ma­ga­zin »Spie­gel« ei­nen Ver­stoß ge­gen das Schwei­ge­ge­lüb­de mit dem jo­vi­al-omi­nö­sen Ti­tel »Un­ter 3« aus­mach­te und ei­ne »Rü­ge« aus­sprach: Der »Spie­gel« be­rich­te­te über ei­ne pri­va­te Aus­sa­ge des Vor­sit­zen­den des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts, der als Vor­weg­nah­me ei­nes Ur­teils­spruchs aus­ge­legt wer­den könn­te.

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Die Fas­zi­na­ti­on des Deckels

Die Be­richt­erstat­tung in den deut­schen Me­di­en über den gro­ßen Er­folg der so­ge­nann­ten »Ab­zocker-In­itia­ti­ve« des Un­ter­neh­mers Tho­mas Min­der in der Schweiz ist in­ten­siv. Aber sie ist oft falsch und schlicht­weg zu ein­fach. Statt das Pu­bli­kum über die In­hal­te der Schwei­zer In­itia­ti­ve auf­zu­klä­ren, wer­den grif­fi­ge For­meln ge­fun­den, die mit der Rea­li­tät nur we­nig zu tun ha­ben.

Die Neue Zür­cher Zei­tung macht die­se kom­ple­xi­täts­re­du­zie­ren­de Be­richt­erstat­tung in »klei­ne­ren« Me­di­en aus. Da­zu ge­hört aus Schwei­zer Sicht of­fen­sicht­lich die »Welt«, die mit ih­rer Schlag­zei­le »Ma­na­ger­ge­häl­ter sol­len in der Schweiz künf­tig ge­deckelt wer­den – so ha­ben die Bür­ger des Lan­des ent­schie­den« man­geln­de jour­na­li­sti­sche »Fi­nes­se« zei­ge, so die NZZ. Im­mer­hin hat man dort in­zwi­schen die Schlag­zei­le ver­än­dert.

Die man­geln­de jour­na­li­sti­sche Fi­nes­se ist be­son­ders deut­lich im deut­schen Fern­se­hen bzw. de­ren On­line-An­ge­bo­ten.

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An­ton Hun­ger: Blatt­kri­tik

Anton Hunger: Blattkritik
An­ton Hun­ger: Blatt­kri­tik
Es klingt viel­ver­spre­chend: Sein Buch »Blatt­kri­tik« soll kei­ne po­pu­li­sti­sche Me­di­en­schel­te sein, so ver­spricht der Au­tor An­ton Hun­ger im Vor­wort. Und dann schreibt er vom über­bor­den­den mo­ra­li­schen Ri­go­ris­mus der Jour­nalisten, die sehr oft die Wahr­heit bie­gen, bis die Sto­ry passt und sich ei­nen Bio­top ge­schaf­fen ha­ben, der ger­ne Gu­tes von Bö­sem schei­det. An Bei­spie­len wer­de ge­zeigt dass Jour­na­li­sten Maß­stä­be, die sie an an­de­re an­le­gen, häu­fig für sich nicht gel­ten las­sen. Sie fühl­ten sich, so Hun­ger, zu­neh­mend als die Über­le­ge­nen. Das klingt al­les sehr gut und viel­ver­spre­chend. Bei al­le­dem will Hun­ger sei­ne 17jährige Tä­tig­keit als Kommunikations­chef bei Por­sche aus­drück­lich nicht di­rekt the­ma­ti­sie­ren – was er al­ler­dings ver­mut­lich aus (arbeits-)rechtlichen Grün­den auch gar nicht darf. Im­mer­hin lässt er sich zu dem Aper­çu ver­lei­ten, dass so man­cher jour­na­li­sti­sche Er­guss zur am En­de ge­schei­ter­ten Über­nah­me von VW durch Por­sche noch nicht ein­mal die Gras­wur­zeln streif­te. Da winkt ei­ner mit dem Zaun­pfahl, um ihn ganz schnell wie­der zu ver­stecken.

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Wenn der Chir­urg mit Pla­stik­be­steck ope­riert

Sie­ben­mal kommt das Wort »Dis­kurs« im Text von Uwe Kammann, dem Di­rek­tor des Grim­me-In­sti­tuts, vor, in dem er die No­mi­nie­rung des »Dschun­gel­camps« in der Ka­te­go­rie Un­ter­hal­tung ver­tei­digt. Es ist ein merk­wür­di­ger Dis­kurs, der hier fast be­schwo­ren wird: »…die Stär­ke des Grim­me-Prei­ses ist nicht al­lein die ho­he Qua­li­täts­kon­stanz bei der Aus­wahl, son­dern sie be­steht auch und vor al­lem im Dis­kurs über eben die­se Qua­li­tät.« Was Kammann dar­un­ter ver­steht, kommt gleich da­nach: Rund »60 re­nom­mier­te, unab­hängige Per­so­nen« be­ra­ten »über sie­ben Wo­chen das Ge­samt­an­ge­bot ei­nes Fernseh­jahres«. Wie gut, dass da schon die Ad­jek­ti­ve »re­nom­miert« und »un­ab­hän­gig« ste­hen, das ent­la­stet den Le­ser von der ei­ge­nen Prü­fung. Merk­wür­dig, dass die Mit­glie­der der No­mi­nie­rungs­kom­mis­sio­nen deut­lich we­ni­ger als 60 sind. Und wer da »un­ab­hän­gig« und/oder »re­nom­miert« ist, mö­ge je­der sel­ber ent­schei­den.

Der »Dis­kurs« fin­det al­so in den Gre­mi­en des Grim­me-Prei­ses statt. Der öf­fent­li­che Dis­kurs fin­det al­so frü­he­stens erst nach dem Er­eig­nis (= No­mi­nie­rung) statt. Er ist so­mit »nur« als Kri­tik mög­lich. Ei­nen di­rek­ten Ein­fluss hat das Pu­bli­kum nicht. Das ist mei­nes Er­ach­tens auch nicht das Pro­blem. Es galt ja bis­her als ein Mar­ken­zei­chen des Grim­me-Prei­ses eben nicht nach Quo­ten und Markt­an­tei­len zu schie­len und sei­ne Ent­schei­dung un­ab­hän­gig da­von zu tref­fen. Es ging, so die Idee, um »Qua­li­tät«. Hier­auf geht Kammann auch ein, in dem er ei­ne »Qua­li­täts­kon­stanz« bei den No­mi­nie­run­gen aus­macht. Das muss er na­tür­lich un­ter­stel­len, weil es an­son­sten die Prei­se ad ab­sur­dum füh­ren wür­de. Und hier­an ent­zün­det sich ja auch die Kri­tik. Die gab es reich­lich. Kammann fühlt sich be­ru­fen, die No­mi­nie­rung, die »ein­stim­mig« er­folg­te, zu ver­tei­di­gen. Das ist gut so, weil die­ser Text mehr zeigt, als zehn Grim­me-Prei­se aus­sa­gen könn­ten.

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Ich bin kein Mit­glied der Netz­ge­mein­de

Im­mer häu­fi­ger hö­re ich von ihr: der »Netz­ge­mein­de«. Es wird an sie ap­pel­liert, über sie phi­lo­so­phiert, ge­gen sie po­le­mi­siert oder mit ihr ar­gu­men­tiert. Im All­ge­mei­nen ver­steht man un­ter dem Be­griff wohl Leu­te, die sich in Blogs, auf Twit­ter und/oder Face­book mel­den, aus­tau­schen und ko­or­di­nie­ren. Ober­fläch­lich be­trach­tet ge­hö­re ich al­so auch da­zu. So wird man ver­ein­nahmt. Zu den gu­ten Vor­sät­zen ei­ni­ger selbst­er­nann­ter Spre­cher die­ser so­ge­nann­ten Netz­ge­mein­de ge­hör­te es of­fen­sicht­lich, das in­zwi­schen trä­ge ge­wordene Volk auf­zu­rüt­teln. Da ist dann auch schnell von der »Kri­se der Blog­ger« die Re­de. Und das dann aus­ge­rech­net aus der Kra­wall­fa­brik »Frei­tag«, die vom »Neobieder­meier« der In­ter­net-Couch-Po­ta­toes schwa­felt, die sich lie­ber in den Mau­ern des »Club Ro­bin­son« à la Goog­le+ und Face­book tum­meln. Als Re­fe­renz­grö­ßen da­für die­nen je­ne, die mit Ver­trä­gen bei den »Alt­me­di­en« aus­ge­stat­tet sind. Da­bei ha­be ich längst auf­ge­ge­ben die­se Sek­ten­füh­rer zu le­sen, da sie mir schon vor Jah­ren au­ßer selbst­re­fe­ren­zi­el­lem Wort­ge­klin­gel nichts zu sa­gen hat­ten. »Spie­gel On­line« reicht das heu­te im­mer noch. Was ei­ni­ges über die­ses Me­di­um ver­rät.

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Im rich­ti­gen Le­ben

Da ha­ben wir al­so wie­der ein­mal ei­nen zünf­ti­gen Skan­dal. End­lich. Da hat der chi­ne­si­sche Au­tor Mo Yan den Li­te­ra­tur­no­bel­preis be­kom­men – und re­agiert da­bei so gar nicht, wie man sich dies wünscht. »Em­pö­rung über re­gime­freund­li­che Äu­ße­run­gen von Mo Yan« ti­telt ex­em­pla­risch die »Zeit«. Im ha­stig zu­sam­men­ge­schrie­be­nen Ar­ti­kel steht die An­klage schon im Un­ter­ti­tel: Der Schrift­stel­ler ha­be die chi­ne­si­sche Zen­sur ver­tei­digt und dies in ei­ner Pres­se­kon­fe­renz mit den Kon­trol­len am Flug­ha­fen ver­gli­chen. »Ver­leum­dungen, Ver­un­glimp­fun­gen, Ge­rüch­te und Be­lei­di­gun­gen muss man schon zen­sieren«, so wird Mo Yans Äu­ße­rung zi­tiert. Der »Zeit« reicht dies, die Stim­men der Em­pör­ten la­wi­nen­haft aus­zu­brei­ten.

Wä­re es nicht ein Fall von jour­na­li­sti­schem Ethos (in die­sen Zei­ten?) ge­we­sen, Mo Yans Äu­ße­run­gen voll­stän­dig und kon­tex­tu­ell ein­wand­frei zu zi­tie­ren? Er sag­te:

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