Jens Ditt­mar: So kalt und schön

Jens Dittmar: So kalt und schön
Jens Ditt­mar: So kalt und schön
Wer kennt Jens Ditt­mar? Ei­gent­lich je­der, der Tho­mas Bern­hard et­was in­ten­si­ver ge­le­sen hat. Die von Ditt­mar her­aus­ge­ge­be­ne »Werk­ge­schich­te« in der ak­tua­li­sier­ten Aus­ga­be von 1990 war für mich jah­re­lang wie ei­ne Bi­bel. Chro­no­lo­gisch ist dort je­des Buch, je­der Text Bern­hards auf­ge­führt, mit An­ga­ben zur Auf­la­ge, Hin­wei­se auf Par­al­le­len zu an­de­ren Bern­hard-Tex­ten und, vor al­lem, Aus­zü­gen aus Kri­ti­ken (po­si­ti­ve wie ne­ga­ti­ve). Ei­ne wah­re Fund­gru­be, die auf­zeig­te, wie kon­tro­vers Bern­hard wahr­genommen wur­de – und wie er­folg­reich (im Ver­gleich zu an­de­ren zeit­ge­nös­si­schen Dich­tern). Spä­ter folg­te von Ditt­mar mit »Sehr ge­schätz­te Re­dak­ti­on« ein äu­ßerst ge­lun­ge­nes Kom­pen­di­um mit Le­ser­brie­fen von und über Bern­hard, in dem al­le mög­li­chen (und un­mög­li­chen) Er­re­gun­gen und Skan­da­le um, über und vor al­lem mit Tho­mas Bern­hard auf­ge­li­stet sind. Be­son­ders lehr­reich hier die Le­ser­brie­fe öster­rei­chi­scher Ho­no­ra­tio­ren (fast al­le ge­gen den Dich­ter). Bern­hard wä­re heu­te, so die Über­le­gung nach der Lek­tü­re und den ge­ball­ten Skan­da­len, ein Mei­ster des Shits­torm-Rou­lette in den so­zia­len Me­di­en. Kurz dar­auf pu­bli­zier­te Ditt­mar ei­nen Band über die Salz­bur­ger Jah­re von Tho­mas Bern­hard. Er­schien die »Werk­ge­schich­te« noch bei Suhr­kamp, so gab Ditt­mar sei­ne bei­den an­de­ren Bern­hard-Bü­cher in der »Edi­ti­on S« des »Ver­lags der Öster­rei­chi­schen Staats­drucke­rei« her­aus. Hier hat (hat­te?) sich je­mand ei­nem Dich­ter ver­schrie­ben und um die­sen ver­dient ge­macht. Um­so unver­ständlicher, dass Suhr­kamp die Werk­ge­schich­te nicht mehr neu auf­ge­legt hat­te – just als das In­ter­es­se an Bern­hard wuchs und zeit­wei­se mas­sen­wei­se Epi­go­nen des Öster­rei­chers wie Pil­ze aus dem Bo­den schos­sen.

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Wä­re der Kapp-Putsch mit der Prä­senz heu­ti­ger Me­di­en viel­leicht ge­lun­gen?

Am 13. März 1920 be­setz­te der Reichs­wehr­ge­ne­ral Walt­her von Lütt­witz, Kom­man­dant der Ma­ri­ne­bri­ga­de Ehr­hardt, die laut Re­gie­rungs­be­schluss vom 29. Fe­bru­ar 1920 auf­gelöst wer­den soll­te, das Ber­li­ner Re­gie­rungs­vier­tel und er­nann­te den deutsch­na­tio­nal ge­son­ne­nen Be­am­ten Wolf­gang Kapp zum Reichs­kanz­ler. Die Re­gie­rung (ei­ne Ko­ali­ti­on aus SPD, den kon­ser­va­ti­ven Zen­trum und der li­be­ra­len DDP) floh zu­nächst aus Ber­lin nach Süd­deutsch­land. Die Un­ter­stüt­zung war trotz der zum Teil fru­strier­ten Reichs­wehr nicht breit ge­nug. So schreibt Go­lo Mann bei­spiels­wei­se über die »iro­nisch-neu­tra­le« Stel­lung Ge­ne­ral von Se­eckts: »…man wür­de se­hen, wie weit Kapp kä­me«. Der Putsch schei­ter­te nach fünf Ta­gen. Zum ei­nen ver­wei­ger­te die Ber­li­ner Mi­ni­ste­ri­al­bü­ro­kra­tie den Put­schisten ih­re Un­ter­stüt­zung. Noch hielt al­so ei­ne ge­wis­se Loya­li­tät der fra­gi­len Wei­ma­rer Re­pu­blik ge­gen­über. Zum an­de­ren rief der SPD-Vor­sit­zen­de Ot­to Wels zu ei­nem Ge­ne­ral­streik aus, des­sen Fol­gen et­wa­ige Sym­pa­thi­san­ten der Put­schi­sten zu­tiefst ver­un­si­cher­te.

Der Kapp-Putsch ist we­ni­ger im Ge­dächt­nis der Deut­schen ge­blie­ben als der 1923 in­iti­ier­te Hit­ler-Putsch, der am 8. No­vem­ber 1923 die baye­ri­sche Re­gie­rung für ab­ge­setzt er­klär­te. Auch die­ser Putsch­ver­such schei­ter­te nach we­ni­gen Ta­gen, die Po­li­zei kämpf­te ihn blu­tig nie­der. Auch hier al­so ei­ne Loya­li­tät den In­sti­tu­tio­nen des Staa­tes ge­gen­über. Dies war er­staun­lich ge­nug, denn Deutsch­land droh­te be­reits da­mals im Bür­ger­krieg zu ver­sin­ken.

Live-Ticker statt Ex­tra­blatt

Es ist nicht Zweck die­ses Tex­tes die hi­sto­ri­schen Im­pli­ka­tio­nen noch­mals zu be­leuch­ten; das ha­ben klü­ge­re Köp­fe schon aus­gie­big ge­tan und wer­den es wei­ter tun. Und na­tür­lich sind Par­al­le­len oder gar Ver­glei­che im­mer mit Vor­sicht zu ge­nie­ßen. In An­be­tracht der Bil­der aus der Ukrai­ne und der Es­ka­la­ti­on im Osten des Lan­des lässt mich aber ei­ne Fra­ge nicht mehr los: Was wä­re ei­gent­lich ge­we­sen, wenn es zu Zei­ten des Kapp-Put­sches (oder auch des Hit­ler-Put­sches) schon die heu­ti­ge me­dia­le Be­glei­tung ge­ge­ben hät­te? Wä­ren die­se Staats­strei­che dann viel­leicht an­ders ver­lau­fen? Gar er­folg­reich?

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Drei lee­re Sprech­bla­sen oder Die Es­senz von Mu­sils Mann oh­ne Ei­gen­schaf­ten

Nicolas Mahler nach Robert Musil: Mann ohne Eigenschaften
Mahler nach Ro­bert Mu­sil: Mann oh­ne Ei­gen­schaf­ten

Kann man den Mann oh­ne Ei­gen­schaf­ten, Ro­bert Mu­sils un­voll­ende­ten Tau­send-Sei­ten-Ro­man, dem un­ge­fähr eben­so vie­le Sei­ten un­ver­öf­fent­lich­ter Ab­schnit­te und di­ver­ser Bruch­stücke zur Sei­te ste­hen, auf ei­ni­ge we­ni­ge Sät­ze re­du­zie­ren? Mit rhe­to­ri­scher Be­sorgt­heit stel­len die Re­zen­sen­ten von Ni­co­las Mahlers Co­mic-Ad­ap­tie­rung des Werks die­se Fra­ge. Sie ist falsch ge­stellt, denn na­tür­lich kann man. Die da­hin­ter ste­hen­de Fra­ge ist, ob man darf. Und weil nun schon seit Jahr­zehn­ten so­wie­so al­les geht, darf man (eben­so na­tür­lich). Bleibt al­so nur die Rhe­to­rik, um die auch wir nicht her­um­kom­men.

Mahlers gra­phic no­vel, sein Co­mic (auch im wört­li­chen Sinn), bringt nur we­ni­ge Sät­ze aus dem Ro­man, die Ge­ste des Au­tors ist da­bei schnip­pisch oder pat­zig, et­wa in die­ser Be­deu­tung: »Da habt ihr halt wie­der so ein Sätz­chen von un­se­rem be­rühm­ten Mann.« Die Es­senz die­ser Sät­ze drückt der Gra­phiker auf Sei­te 61 des Co­mics aus, in­dem er die drei Sprech­bla­sen der drei Fi­gu­ren im Sa­lon Diot­imas, wo die be­rühm­te Par­al­lel­ak­ti­on aus­ge­heckt wird, leer läßt. Al­les nur Bla­bla, es wird nichts ge­sche­hen, so lau­tet of­fen­bar die In­ter­pre­ta­ti­on Ni­co­las Mahlers; die Paral­lelaktion ist ein fake. Fragt sich, ob sei­ne In­ter­pre­ta­ti­on trif­tig ist. Mu­sils Ab­sich­ten ent­spricht sie nicht, der plan­te näm­lich, den Ro­man mit dem Aus­bruch des er­sten Welt­kriegs en­den zu las­sen, was die zeit­li­che Be­we­gung der er­sten bei­den der Bü­cher, in die der Ro­man un­ter­teilt ist, dem Au­tor ja fast auf­zwingt: die Hand­lung voll­zieht sich unmißver­ständlich im Jahr 1913 und bricht dann Mo­na­te vor dem Som­mer des Fol­ge­jah­res ab. Die schein­bar so zö­ger­li­che, der Pro­pa­gan­da nach fried­fer­ti­ge Par­al­lel­ak­ti­on – Franz Jo­seph II. soll als »Frie­dens­kai­ser« ge­fei­ert wer­den – trägt ihr Scherf­lein zur eu­ro­päi­schen Kata­strophe bei. Des­halb nun die Fra­ge: Läßt sich der hier nur kurz an­ge­deu­te­te Ge­halt des Ro­mans durch lee­re Sprech­bla­sen, die wit­zig wir­ken mö­gen in den ho­hen Räu­men des Sa­lons, auf den Punkt brin­gen?

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Mar­tin Mo­se­bach: Das Blut­bu­chen­fest

Martin Mosebach: Das Blutbuchenfest
Mar­tin Mo­se­bach:
Das Blut­bu­chen­fest

»Das Blut­bu­chen­fest« von Mar­tin Mo­se­bach ist nicht nur ein Ro­man, son­dern auch fast schon ein Film. Man sieht die Bil­der schon vor sich: Den in­sze­nier­ten Ma­nie­ris­mus à la Pe­ter Greena­way. Mo­de­ra­tio­nen wie bei »Leo’s«. Und – das Lo­kal der Fi­gur Mer­zin­ger, in dem die ka­ri­kier­te Up­per­class-Cli­que des Ro­mans ein- und aus­geht: das »Ros­si­ni« von Hel­mut Dietl, zu­mal die »mör­de­ri­sche Fra­ge, wer mit wem schlief« auch hier nicht ganz un­wich­tig ist, ob­wohl es dann doch nicht sehr ver­wir­rend ist.

Mit Non­cha­lance wird der Le­ser in die­se Ge­sell­schaft ein­ge­führt: Da ist ein ge­wis­ser We­re­sch­ni­kow, den man sich viel­leicht als jün­ge­ren Leo­nid Bre­sch­new vor­stel­len kann; ein ziem­li­cher Auf­schnei­der (mit ei­nem nur ihm be­kann­ten klei­nen Ver­mö­gen in der Schweiz), des­sen Ruhm sich pri­mär dar­auf grün­det mit Kis­sin­ger oder Bou­tros-Gha­li zu te­le­pho­nie­ren und, fast noch interes­santer für den Zir­kel: er ist der of­fi­zi­el­le Le­bens­part­ner der schö­nen Ma­ru­scha, de­ren Cha­rak­te­ri­sie­rung als Edel­pro­sti­tu­ier­te un­ter­kom­plex und ein biss­chen spie­ßig wä­re. All­zu ver­ständ­lich ist doch, dass sie für ih­re Mai­so­nette-Woh­nung län­ger schon die Miet­zahlungen ein­stel­lend, auch die Er­stat­tung der Ne­ben­ko­sten als wür­de­lo­sen weil all­zu pro­fa­nen Akt auf­fasst. Be­trof­fen hier­von ist der Ex-Plei­tier Bree­gen, ein et­was hüft­stei­fer Im­mo­bi­li­en­ver­käu­fer und Py­ra­mi­den­spie­ler, der sich zu­letzt mit fünf Jah­ren sei­ne Schu­he hat selb­stän­dig bin­den kön­nen, was ihn nicht dar­an hin­dert, Ma­ruschas Lieb­ha­ber für be­stimm­te Nach­mit­ta­ge zu sein, wäh­rend­des­sen sei­ne Frau sich mit dem Ge­sche­hen, wel­ches sie mit Vi­deo­ka­me­ras um ihr Grund­stück her­um be­ob­ach­tet, ver­gnügt.

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Das ge­schun­de­ne »Haus Mahler«

TAGEBUCHEINTRAG, 7. APRIL 1984

Über Glogg­nitz + Schott­wien in die Ad­litz­grä­ben hin­auf – Rich­tung Brei­ten­stein1, den Schil­dern zur »Speck­ba­cher­hüt­te« fol­gend. Der Bahn­hof Brei­ten­stein: re­no­vier­tes Ge­bäu­de, hier die zahl­lo­sen An­künf­te und Ab­rei­sen FW’s.2 Vor­bei am Or­thof (frü­her das Gast­haus von TOST, wie ich spä­ter er­fah­re, Tost wird von FW oft er­wähnt, in den Brie­fen an Al­ma.) Ca. 1 km wei­ter, dann ein Schild Haus Mi­lo­ta, und ei­ne Ein­fahrt führt zum Haus Mahler – kei­ne Ähn­lich­keit mit dem Haus von einst. Um­bau­ten und Da­zu­bau­ten ha­ben das gan­ze äu­ße­re Er­schei­nungs­bild grund­sätz­lich ver­än­dert, auch das schö­ne Dach ist nun Eter­nit-ver­scheuß­licht. Herr Ko­çi­an be­grüßt uns, in sei­nem dun­kel­blau­en, sehr ver­schmutzten Ar­beits­ge­wand, K. ist hier Haus­mei­ster und –ver­wal­ter; der Dau­men sei­ner rech­ten Hand ist bei ei­nem Un­fall ab­ge­trennt wor­den, nur ein dicker Stumpf ist da noch üb­rig. K. führt uns durch die Kü­che hin­durch, über­all Ab­fall + Ge­rüm­pel + Zeug im Weg, die K.’s put­zen das Haus, denn ab näch­ster Wo­che wer­den Werft-Ar­bei­ter er­war­tet. Ein sehr dickes, sehr häß­li­ches Kind mit Locken steht im Kor­ri­dor, be­grüßt uns krei­schend. Wir sit­zen in ei­nem An­bau, ganz Re­so­pal-Hal­le, Auf­ent­halts­raum für die Werft-Ar­bei­ter – hier war einst der Ein­gang ins Haus, hier wa­ren die schö­nen ro­sen­um­rank­ten Säu­len.

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  1. In Breitenstein am Semmering, zwei Stunden Bahnfahrt von Wien entfernt, befand sich Alma Mahlers Ferienvilla, das 'Haus Mahler'. Gustav Mahler hatte das Grundstück 1910, ein Jahr vor seinem Tod, erworben. Zwei Jahre nach seinem Ableben begannen die Bauarbeiten. Franz Werfel (1890 – 1945) schrieb im 'Haus Mahler' in den Jahren 1919 bis 1938 die meisten seiner Werke. Siehe auch hier 

  2. Ich recherchierte damals die Biografie des Dichters Franz Werfel, siehe "Franz Werfel – Eine Lebensgeschichte", S. Fischer Verlag, 1987 

Die Mit­te Deutsch­lands im Wech­sel der Zei­ten

Ge­schich­te kennt kein letz­tes Wort. (Wil­ly Brandt)

 

Ein Riss ging durch deut­sche Lan­de – von Tra­ve­mün­de bis zum ein­sti­gen Drei­län­der­eck bei Hof. Über vier­zig Jah­re. Die­se po­li­ti­sche wie geo­gra­phi­sche Tei­lung trenn­te Men­schen und Re­gio­nen. Ent­stan­den war aber auch ein (fast) un­be­kann­ter Land­schafts-Längs­schnitt in bei­den Deutsch­lands.

Grenzübergänge - Info Tafel in Mödlareuth (Foto © R. Lüdde)
Grenz­über­gän­ge – In­fo Ta­fel in Möd­lareuth (Fo­to © R. Lüd­de)
Aus al­ten Kul­tur­land­schaf­ten wa­ren Grenz­ge­bie­te ge­wor­den und nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung 1990 aus dem ein­sti­gen To­des­strei­fen ein Le­bens­band: Ein über 1393 Ki­lo­me­ter lan­ges mit 17 Na­tur­räu­men ver­bundenes »Grü­nes Band« zieht sich in­zwi­schen durch die Mit­te Deutsch­lands: ge­schütz­te Land­stri­che, un­mit­tel­bar am ehe­ma­li­gen Grenz­ver­lauf.

Das Na­tur­schutz­pro­jekt »Grü­nes Band« be­wahrt ei­nen Grün­gür­tel, ei­nen Kor­ri­dor durch stark zer­stückelte Land­schaft. Da­bei han­delt es sich um den so ge­nann­ten Ko­lon­nen­weg auf der ehe­ma­li­gen »De­mar­ka­ti­ons­li­nie« in ei­ner Brei­te zwi­schen 50 und 200 Me­tern. Über Jahr­zehn­te hat­te hier nur die Na­tur »Be­we­gungs­frei­heit«. Es ent­stand ei­ne Art Wild­nis in ei­ner sonst so in­ten­siv ge­nutz­ten land­schaftlichen Um­ge­bung: Brach­flä­chen wech­seln sich mit ver­busch­ten Ab­schnit­ten ab, Altgras­fluren mit Wald, Flüs­se mit Feucht­ge­bie­ten und Moo­ren.

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Graf/Farkas: Es wer­de Stadt!

»Es wer­de Stadt!« so der leicht pa­the­ti­sche Aus­ruf und Ti­tel des Films von Do­mi­nik Graf und Mar­tin Far­kas. Die Stadt, die da wer­den soll, ist Marl im nörd­li­chen Ruhr­ge­biet. Marl steht für Koh­le, Che­mie – und den Grim­me-Preis. Und an Marl lässt sich die Ge­schich­te des Ruhr­ge­biets sehr schön il­lu­strie­ren: die Städ­te­bau­am­bi­tio­nen in den 1960er Jah­ren (als es mit der Koh­le­för­de­rung schon schwie­ri­ger wur­de, wenn auch eher un­be­merkt), die viel ge­rühm­te »in­sel« wie dort die Volks­hoch­schu­le hieß. Es galt, wie es ein­mal heißt, Men­schen zu »er­zie­hen«. Und wenn es durch Bau­wer­ke ge­schah (so sa­hen sie auch aus). Die of­fe­ne, »ra­di­kal in­no­va­ti­ve« »Sharoun-Schu­le«, die, so ein Leh­rer, erst in der Zeit als es die Ge­samt­schu­le gab, an­ge­nom­men wur­de. Was im­mer das be­deu­tet.

Graf und Far­kas zei­gen Auf­stieg und Nie­der­gang des Ruhr­ge­biets an­hand der Stadt Marl und, al­le­go­risch, par­al­lel zur Ent­wick­lung des Fern­se­hens. Die üb­li­chen Kla­gen bei den be­frag­ten Bür­gern: In Marl ge­be es nichts, wo man abends hin­ge­hen kann. Der Nie­der­gang des Fern­se­hens, wie ihn Graf und Far­kas ver­ste­hen, sym­bo­li­siert sich am ver­rot­ten­den Hal­len­bad Marls. Man braucht nur we­nig an den Aus­sa­gen der Bür­ger über ih­re Stadt än­dern: Da gibt es nichts, was man abends ein­schal­ten kann.

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Rein­hard Kai­ser-Mühlecker: Schwar­zer Flie­der

[...] Rein­hard Kai­­ser-Mühlecker er­zählt die Ge­schich­te von Fer­di­nand Gold­ber­ger mit gro­ßer sprach­li­cher Ge­nauigkeit. Da­bei spielt es für den Le­ser kei­ne Rol­le, dass »Schwar­zer Flie­der« ei­ne Wei­ter­füh­rung der »Gol­d­­ber­­ger-Sa­­ga« des Au­tors ist, die 2009 mit »Mag­da­len­aberg« be­gann, dann 2012 mit dem um­fang­rei­chen Ro­man »Ro­ter Flie­der« fort­ge­setzt wur­de und hier – schein­bar – sein En­de fin­det (der ...

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