Der fa­ta­le Fehl­schluss

In je­der Dis­kus­si­on um Ver­bes­se­run­gen des Bil­dungs­sy­stems in Deutsch­land fällt nach we­ni­gen Sät­zen fast un­aus­weich­lich die Be­haup­tung: In kei­nem an­de­ren Land (der OECD) be­stim­men die Her­kunft und die fi­nan­zi­el­len Mit­tel die Bil­dungs­chan­cen der­art stark wie in Deutsch­land. Kin­der aus Ar­bei­ter­aus­hal­ten oder an­de­ren »pre­kä­ren« Mi­lieus ha­ben – so die The­se – sy­stem­be­dingt schlech­te­re Chan­cen auf hö­he­re Schul­ab­schlüs­se wie bei­spielsweise das Ab­itur oder gar ein Stu­di­um. Der Schluss hier­aus lau­tet, dass Haus­hal­te mit grö­sse­ren pe­ku­niä­ren Mit­teln per se ei­ne bes­se­re Bil­dung für ih­re Kin­der er­rei­chen. Dies be­deu­tet auch, so die gän­gi­ge Mei­nung, dass »är­me­re« Kin­der be­dingt durch ih­re »Ar­mut« schlech­te­re Bil­dungs­chan­cen hät­ten.

Ne­ben den gän­gi­gen OECD-Stu­di­en wird auch die PI­SA-Stu­die hier im­mer wie­der zi­tiert. Be­fragt wird die­se The­se und vor al­lem ih­re Er­he­bungs­me­tho­de gar nicht mehr; sie ist der­art ka­no­ni­siert, dass es of­fen­sicht­lich ein Fak­tum zu sein scheint.

Da­bei müss­ten die­se The­sen ei­gent­lich ver­wun­dern, denn in Deutsch­land exi­stie­ren we­der Schul­geld noch Zu­gangs­be­schrän­kun­gen, die an fi­nan­zi­el­le Zu­wen­dun­gen ge­bun­den wä­ren (lässt man jetzt ein­mal die we­ni­gen pri­va­ten In­ter­nats­schu­len bei­sei­te). Wie wird ei­gent­lich ge­nau die­se Aus­sa­ge be­legt? Und: Stimmt es tat­säch­lich in die­ser Ein­fach­heit, dass die öko­no­mi­sche Aus­rü­stung des El­tern­hau­ses den Grad der Bil­dung be­stimmt?

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Die Am­bi­va­lenz­ge­sell­schaft

Ge­stern He­ri­bert Prantl im In­ter­view in »Kul­tur­zeit«. Er be­klagt, dass der Staat den Bür­ger über­all be­vor­mun­det und die »Frei­heit« durch über­zo­ge­ne »Prä­ven­ti­ons­mass­nah­men« ein­schränkt. Prantl ver­such­te ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung – die Schäub­le-Ge­set­zes­ent­wür­fe (die tat­säch­lich ei­ne grund­le­gen­de Neu­de­fi­ni­ti­on des Rechts­ver­ständ­nis­ses die­ses Staa­tes be­deu­ten wür­den) nicht in ei­nen Topf zu schmei­ssen mit Rauch­ver­bot und Di­ät­dis­kus­si­on. Dass die Süd­deut­sche Zei­tung we­sent­li­chen An­teil an der alar­mi­sti­schen »Deutschland-ist-zu-dick«-Diskussion durch Zi­tie­rung ei­ner du­bio­sen Stu­die hat, wur­de üb­ri­gens nicht the­ma­ti­siert.

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Der Sturz des Hel­den

Jetzt geht’s an die De­kon­struk­ti­on ei­nes Hel­den: Mi­cha­el Moo­re. Die ka­na­di­schen Fil­me­ma­cher Debbie Mel­nyk und Rick Cai­ne ha­ben her­aus­ge­fun­den, dass Moo­re, die Ver­kör­pe­rung des »gu­ten Ame­ri­ka« in sei­nen Fil­men Tat­sa­chen un­ter­schla­gen, ver­dreht und/oder ma­ni­pu­liert ha­ben soll.

Das Ge­schütz, dass die bei­den in ih­rem Film »Ma­nu­fac­tu­ring Dis­sent« (»Die Her­stel­lung von Dis­senz« – of­fi­zi­el­le Erst­aus­strah­lung in Deutsch­land am 5. Mai auf dem Do­ku­men­tar­film­fe­sti­val in Mün­chen) auf­fah­ren, ist wohl enorm. Zwar hat das deut­sche Feuil­le­ton bis­her eher mil­de re­agiert (man mag ja so schnell nicht das auf­ge­ben, was man – man­gels ei­ge­ner Re­cher­chen und Be­triebs­blind­heit – jah­re­lang kri­tik­los ge­fei­ert hat). Aber es ist si­cher kei­ne Klei­nig­keit, wenn Moo­re in Per­ma­nenz in sei­nem Film »Ro­ger and Me« be­haup­tet, der GM-Chef Ro­ger Smith ha­be selbst nach mehr­fa­chem An­fra­gen nicht auf Moo­res Wunsch zu ei­nem Ge­spräch über die dro­hen­de Schlie­ssung ei­nes gro­ssen Wer­kes ge­ant­wor­tet. Im Film der Ka­na­di­er tritt Moo­res ehe­ma­li­ger Mit­ar­bei­ter Ja­mes Mus­sel­mann auf, der ex­akt das Ge­gen­teil be­haup­tet. Dem­nach ha­be es ein 10–15 mi­nü­ti­ges Ge­spräch zwi­schen Smith und Moo­re im Waldorf=Astoria ge­ge­ben, in dem der In­du­strie­boss durch­aus poin­tiert Moo­res Fra­gen be­ant­wor­tet ha­ben soll.

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»Vir­tu­el­ler Van­da­lis­mus«

Ein herz­er­fri­schen­der und wah­rer Bei­trag von Jür­gen Wim­mer im »No­vo-Ma­ga­zin« mit dem et­was sku­r­il­len Ti­tel »Mei­nungs­frei­heit? LOL!!!!!!!!!!!!!!!!!!«:

Mit dem In­ter­net … ist für je­den Be­rufs­pöb­ler das gol­de­ne Zeit­al­ter der miss­ver­stan­de­nen Mei­nungs­frei­heit an­ge­bro­chen. […] Es wird be­lei­digt und ge­gei­fert, bis die Ta­sta­tur qualmt. […] Für gan­ze Ar­meen von Kinds­köp­fen ist vir­tu­el­ler Van­da­lis­mus in­zwi­schen zu ei­ner Art Hob­by ge­wor­den.

Im wei­te­ren Ver­lauf des Auf­sat­zes fällt Wim­mers Dia­gno­se reich­lich er­nüch­ternd aus. Das, was die Ver­fech­ter der »heim­li­chen Me­di­en­re­vo­lu­ti­on« noch als Mög­lich­keit ei­ner neu­en De­mo­kra­ti­sie­rung der Ge­sell­schaft fei­er­ten (und teil­wei­se im­mer noch fei­ern), ist vie­ler­orts längst tri­via­li­siert und oft ge­nug ha­ben Be­rufs­pöb­ler ih­re Claims im Netz ab­ge­steckt.

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Ein­zel­gän­ger

Bei Amok­läu­fen (bzw. das, was als sol­cher be­zeich­net wird) oder ähn­li­chen Ver­bre­chen kommt ei­ne Cha­rak­te­ri­sie­rung bei der Be­schrei­bung des Tä­ters im­mer wie­der zur An­wen­dung: Der Ein­zel­gän­ger.

Im­mer war / ist der Tä­ter ein ei­gen­bröt­le­ri­scher Ein­zel­gän­ger, der – im nach­hin­ein be­trach­tet – ei­gent­lich im­mer schon »ko­misch« war. So­viel schlech­ter Kri­mi ist fast im­mer. Ins­be­son­de­re die Mas­sen­me­di­en ha­ben schnell ih­re Ver­ur­tei­lung ge­fun­den. Mit gro­ssem Ver­gnü­gen wei­det man sich an den­je­ni­gen, der nun (post­hum oder min­de­stens post fe­stum) noch zum »Ab­schuss« frei­ge­ge­ben wur­de.

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»Das Ver­häng­nis schrei­tet fort...«

Wie al­le bö­sen Vor­stel­lun­gen kommt auch die an den Tod lei­se wie ein Wolf oder wie ei­ne Schlan­ge an­ge­schli­chen. Die Ge­dan­ken, die uns aus dem Ge­lei­se wer­fen, kom­men nie plötz­lich. Das Plötz­li­che, das Un­über­leg­te raubt uns zwar ei­ni­ge Au­gen­blicke des Be­wußt­seins, läßt uns dann aber noch lan­ge Le­bens­jah­re. Die Ge­dan­ken je­doch, die uns die Ver­nunft rau­ben, uns bis zum Wahn­sinn, zum Trüb­sinn trei­ben, sie kom­men im­mer nach und nach, oh­ne daß man es merkt, so wie sich der Ne­bel über die Fel­der legt oder die Schwind­sucht auf die Lun­ge...

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Der furcht­ba­re Po­li­ti­ker

Da zeigt die CDU wie­der ih­re al­te, häss­li­che 50er-Jah­re-Frat­ze – und das wäh­rend sich in Ber­lin Mer­kel, von der Ley­en & Co. um ei­ne mo­der­ne CDU be­mü­hen.

Bei der Be­er­di­gung des ehe­ma­li­gen Mi­ni­ster­prä­si­den­ten von Ba­den-Würt­tem­berg, Hans Fil­bin­ger, be­lässt es der am­tie­ren­de Mi­ni­ster­prä­si­dent Gün­ther Oet­tin­ger nicht bei all­ge­mei­nen, flos­kel­haf­ten Re­den, son­dern ver­klärt den­je­ni­gen, der kaum wie ein an­de­rer als Pro­to­typ des »furcht­ba­ren Ju­ri­sten« gilt. Die Zi­ta­te, die seit ge­stern Nach­mit­tag in den Agen­tu­ren zu le­sen sind, spre­chen ei­ne deut­li­che Spra­che.

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Klei­nes Plä­doy­er für ei­ne neue Na­tur­be­trach­tung

Im Feuil­le­ton der ak­tu­el­len Aus­ga­be der »Zeit« ist ein klei­ner, fast ein we­nig ver­stecker, fei­ner Ar­ti­kel der deut­schen Schrift­stel­le­rin Ma­ri­on Po­sch­mann zu le­sen.

In­ner­halb ei­ner Ar­ti­kel­se­rie mit dem eher schwam­mi­gen Ti­tel »Die Zu­kunft der Na­tur« ist Po­sch­manns »Traut dem Au­gen­schein!« ein kur­zes, aber em­pha­ti­sches Plä­doy­er für ei­nen ra­di­kal an­de­ren Um­gang mit dem, was wir (oft ge­nug fälsch­li­cher­wei­se) Na­tur nen­nen.

Ein biss­chen fühl­te ich mich bei ih­ren Ge­dan­ken an die sei­ner­zeit hef­tig dis­ku­tier­ten Fern­sehfilme des Jour­na­li­sten Horst Stern er­in­nert, der in den 70er Jah­ren un­ter an­de­rem mit dem ver­kitsch­ten Blick ei­ner­seits und dem rein öko­no­mi­schen Blick an­de­rer­seits auf­räu­men und in dra­sti­schen Wor­ten (und Bil­dern) die Na­tur­lo­sig­keit des »mo­der­nen Men­schen« auf­zeig­te.

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