»Frü­her wuss­te der Adel, was an so ei­ner Stel­le zu tun ist ...«

Es wur­de und wird viel ge­schrie­ben und ge­sagt zum Come­back-Ver­such von Karl Theo­dor zu Gut­ten­berg und mit der Zeit (und viel­leicht auch mit der »Zeit«) wer­den die im In­ter­view ge­nann­ten Be­haup­tun­gen suk­zes­si­ve ei­ner Über­prü­fung un­ter­zo­gen wer­den.

Mit ei­ner ha­be ich schon mal be­gon­nen.

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Wer bie­tet mehr?

NPD-Ver­­­bot ja oder nein? Schnell­schuß­po­li­ti­ker be­für­wor­ten ein ent­spre­chen­des Ver­fah­ren, ob­wohl sich an den Kri­te­ri­en, die 2003 zur Nicht­zu­las­sung beim Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt führ­ten, nichts ge­än­dert hat. Dis­ku­tiert wird es den­noch, weil es Ent­la­stung für die po­li­ti­schen und straf­recht­li­chen Ver­säum­nis­se der letz­ten Jah­re ver­spricht – als könn­te mit dem Ver­bot auch nur ein Neo­na­zi be­kehrt wer­den. Die Fra­ge ...

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Von Ver­harm­lo­sern und Über­trei­bern

An­fang der 90er Jah­re be­ob­ach­te­te der Schrift­stel­ler Bo­do Mor­shäu­ser ei­nen Pro­zess ge­gen vier jun­ge Män­ner, die ei­ne Frau be­sta­lisch er­mor­det hat­ten und min­de­stens teil­wei­se dem rech­ten Mi­lieu zu­ge­ord­net wur­den. Mor­shäu­ser fuhr nach Kel­ling­husen, traf auf Skin­heads, Xe­no­pho­be und so­zi­al ge­schei­ter­te Exi­sten­zen. Er fand im Verfassungs­schutz­bericht von 1986 ei­nen Hin­weis auf den Ort. Es gab / gibt ei­ne Neo­na­zi-Sze­ne. 1987 kam es zu ei­nem Tref­fen in Kel­ling­husen, zu dem die rechts­ra­di­ka­le »FAP« auf­ge­ru­fen hat­te. (Die »FAP« wur­de 1995 vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ver­bo­ten.) Mor­shäu­ser be­rich­tet von ei­ner Po­li­zei­es­kor­te für die Rechts­ra­di­ka­len und spär­li­chen Gegen­demonstrationen.

In­ter­es­sant ist die in sol­chen Fäl­len zu be­ob­ach­ten­de Di­cho­to­mie, die als re­prä­sen­ta­tiv bis zum heu­ti­gen Tag an­ge­se­hen wer­den kann. Mor­shäu­ser macht im Dis­kurs um Rechts­extremismus Ver­harm­lo­ser und Über­trei­ber aus. Bei­de Sei­ten trei­ben ihr idiotisch­es Mei­nungs­spiel, das eher ein Vor­ur­teils­re­cy­cling ist. Je­der will sich vor dem Pro­blem und vor der Ge­gen­sei­te ins Recht so­wie die Ge­gen­sei­te ins Un­recht set­zen. Hand­lungs­im­puls ist nicht, das Pro­blem zu lö­sen, al­so erst mal zu be­nen­nen – was schon schwie­rig ist, weil Teil des Pro­blems so­fort auch die sind, die mit die­sen ver­fluch­ten zwei Mei­nun­gen auf­kreu­zen, je­ner Scheindif­fe­renz, die sie für die Dif­fe­renz hal­ten.

Im kon­kre­ten Fall ru­bri­zier­te Mor­shäu­ser Po­li­zei und Po­li­tik in die Grup­pe der Ver­harmloser. Sie hat­ten fal­sche gu­te Grün­de, über die rechts­extre­me Er­neue­rung zu schwei­gen.. Die Über­trei­ber agier­ten rhe­to­risch über­zo­gen, nen­nen den fa­schi­stisch, der nur da­bei ist, Ta­bu­zo­nen zu ent­decken (und auf ei­ne stößt). Die Ver­harm­lo­ser mei­nen, man kön­ne die Ge­fahr her­bei­re­den. Die Über­trei­ber sa­gen, man kön­ne die Ge­fahr her­bei­schwei­gen.

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Ber­nards Schrei

Ein Schrei, mein Schrei wird mir brin­gen, was nicht durch das Mei­ne ist. Die­se Wor­te fuh­ren in Ber­nards Kopf her­um, wir­bel­ten durch­ein­an­der, bil­de­ten, mit an­de­ren ge­mein­sam, ver­schie­den­ste Kom­bi­na­tio­nen, of­fen­sicht­lich sinn­lo­se und sol­che die es we­ni­ger wa­ren, setz­ten sich fest und lö­sten sich wie­der, nur um er­neut ih­ren Platz zu be­an­spru­chen. Ber­nard wuss­te nicht wo­her sie ...

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»Kaum ei­nen Hauch...«

In den letz­ten an­dert­halb Jah­ren soll es zu 18 Tref­fen zwi­schen Bun­des­kanz­le­rin Mer­kel und dem fran­zö­si­schen Staats­prä­si­den­ten Sar­ko­zy ge­kom­men sein. Mal wa­ren die bei­den zu zweit, mal bei Tref­fen der Re­gie­rungs­chefs ent­we­der der EU, oder der der G20 oder auch al­ler zu­sam­men. Die Grün­de sind hin­läng­lich be­kannt: Eu­ro­pa be­fin­det sich in ei­ner ve­ri­ta­blen Banken‑, Finanz‑, Staats‑, Schul­den- und/oder Wirt­schafts­kri­se. Da­bei wer­den die­se Tref­fen längst nicht mehr als sol­che be­zeich­net. Nein. Es sind »Gip­fel« oder, dop­pel­deu­tig, »Gip­fel­tref­fen« (als trä­fen sich dort Gip­fel).

Da­bei lohnt es sich über die Be­deu­tung ei­nes Gip­fels nach­zu­den­ken. Laut Du­den ist der Gip­fel die »höch­ste Spit­ze ei­nes [steil em­por­ra­gen­den, ho­hen] Ber­ges« bzw. »höch­stes denk­ba­res, er­reich­ba­res Maß von et­was; das Äu­ßer­ste; Hö­he­punkt«. Als drit­te Be­deu­tung wird schließ­lich der »Po­li­tik­jar­gon« be­müht. Denn ur­sprüng­lich war ein »Gip­fel­tref­fen« ein au­ßer­ge­wöhn­li­ches Er­eig­nis: Staats- und Re­gie­rungs­chefs oder an­de­re her­aus­ge­ho­be­ne Per­sön­lich­kei­ten tra­fen sich zu be­son­de­ren Ge­le­gen­hei­ten. Nicht mehr und nicht we­ni­ger.

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Tho­mas Knub­ben: Höl­der­lin. Ei­ne Win­ter­rei­se

Thomas Knubben: Hölderlin. Eine Winterreise
Tho­mas Knub­ben:
Höl­der­lin. Ei­ne Win­ter­rei­se

Am 6. oder 7. De­zem­ber 1801 bricht der Haus­leh­rer und Schrift­stel­ler Jo­hann Fried­rich Chri­sti­an Höl­der­lin von Nür­tin­gen nach Bor­deaux auf. Es war ei­ne Rei­se ins Un­ge­wis­se, von Her­zens- und die Nah­rungs­not ge­trie­ben. In Bor­deaux soll­te er ei­ne Stel­le im Hau­se des Wein­händlers und Ham­bur­gi­schen Kon­suls Da­ni­el Chri­stoph Mey­er an­tre­ten und die Kin­der­er­zie­hung über­neh­men. Et­was mehr als zwei­hun­dert Jah­re spä­ter bricht der Ger­ma­nist und Kul­tur­wis­sen­schaft­ler Tho­mas Knub­ben eben­falls von Nür­tin­gen nach Bor­deaux auf. Grün­de nennt Knub­ben nicht, au­ßer, dass er seit ei­nem Viertel­jahrhundert die­se Rei­se im Sinn hat. Soll es ei­ne An­näherung wer­den? Im­mer­hin: Knub­ben setzt – wie er sel­ber aus­führt – ei­ne lan­ge Win­ter­rei­se­tra­di­ti­on fort: man den­ke an Seu­me, Hein­rich Hei­ne, Goe­the, Büch­ners Lenz, Franz Schu­bert und – in jüng­ster Zeit – Wer­ner Her­zog (»Vom Ge­hen im Eis« wird ein­mal so­gar fast ehr­fürch­tig er­wähnt). Und wie ist das, je­man­dem trotz der zeit­li­chen Di­stanz so dicht »auf den Fer­sen« zu sein?

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Die ge­mein­ge­fähr­li­che De­mo­kra­tie

Im Mai 2010 schrieb der öster­rei­chi­sche Schrift­stel­ler in ei­nem Es­say über sei­ne Hos­pi­ta­ti­on in der Brüs­se­ler EU-Bü­ro­kra­tie über den »Be­frei­ungs­schritt, wenn über die Rah­men­be­din­gun­gen un­se­res Le­bens eben nicht mehr we­sent­lich durch Volks­wah­len ab­ge­stimmt wird.« Be­grün­det wird die­se »Be­frei­ung« von den Nie­de­run­gen der Demo­kratie, weil da­mit »xe­no­pho­be, ras­si­sti­sche, au­to­ri­tä­re Cha­rak­te­re« kei­ne Berück­sichtigung fin­den wür­den. Als ab­schrecken­des Bei­spiel dient u. a. das Eu­ro­päi­sche Parla­ment, wel­ches durch­aus Mit­glie­der sol­cher Par­tei­en be­her­bergt. Die Idee, xe­no­pho­be und ras­si­sti­sche Po­li­tik­ent­wür­fe mit Sach­ar­gu­men­ten zu be­kämp­fen, scheint bei Men­as­se nicht auf­zu­kom­men – er nimmt die an­ti­de­mo­kra­ti­sche Ge­sin­nung von Tei­len der Gesell­schaft an­schei­nend als Fa­tum an. Er kommt zu dem Schluss, »dass die klas­si­sche Demo­kratie, ein Mo­dell, das im 19. Jahr­hun­derts zur ver­nünf­ti­gen Or­ga­ni­sa­ti­on von National­staaten ent­wickelt wur­de, nicht ein­fach auf ei­ne su­pra­na­tio­na­le Uni­on um­ge­legt wer­den kann, ja sie be­hin­dert. De­mo­kra­tie setzt den ge­bil­de­ten Ci­toy­en vor­aus. Wenn die­ser ge­gen die von Mas­sen­me­di­en or­ga­ni­sier­ten Hetz­ma­ssen nicht mehr mehr­heits­fä­hig ist, wird De­mo­kra­tie ge­mein­ge­fähr­lich.« Statt die Bil­dung des Ci­toy­ens hin zum Wider­stand ge­gen­über Hetz­kampagnen zu for­cier­ten, wird die­ser be­que­mer­wei­se ent­mündigt. Frei­lich al­les nur zu sei­nem Glück, wie Hans Ma­gnus En­zens­ber­ger die­ses Prin­zip tref­fend cha­rak­te­ri­siert: Die Eu­ro­päi­sche Uni­on gibt sich »er­bar­mungs­los men­schen­freund­lich. Sie will nur un­ser Be­stes. Wie in gü­ti­ger Vor­mund ist sie be­sorgt um un­se­re Ge­sund­heit, un­se­re Umgangs­formen und un­se­re Mo­ral. Auf kei­nen Fall rech­net sie da­mit, daß wir sel­ber wis­sen, was gut für uns ist; da­zu sind wir ih­nen in ih­ren Au­gen viel zu hilf­los und zu un­mün­dig. Des­halb müs­sen wir gründ­lich be­treut und um­er­zo­gen wer­den.«

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Ma­thi­as Énard: Er­zähl ih­nen von Schlach­ten, Kö­ni­gen und Ele­fan­ten

Mathias Énard: Erzähl ihnen von Schlachten, Königen und Elefanten
Ma­thi­as Énard:
Er­zähl ih­nen von Schlach­ten, Kö­ni­gen und Ele­fan­ten

Im­mer noch wirkt Ma­thi­as Énards fa­bel­haf­tes hi­sto­ri­sches Mit­tel­meer-Epos »Zo­ne« nach. Zum Bei­spiel wenn ich ei­ne Kar­te des Mit­tel­mee­res se­he oder Be­rich­te über die­se Re­gi­on hö­re. Die Er­eig­nis­se des Jah­res 2011 in den ara­bi­schen Län­dern wür­den neu­en Stoff für Bel­li­zist, Ge­heim­agent und Fa­schist Fran­cis Ser­vain Mir­ko­vić lie­fern, der auf sechs Stun­den Zug­fahrt von Mai­land nach Rom die Ge­schich­te des Mit­tel­meers mit ih­ren po­li­ti­schen Ver- und Ent­wick­lun­gen, Krie­gen und fal­schen Hel­den auf­fä­chert. Und so hört die­se Po­ly­pho­nie des Grau­ens nie­mals auf, son­dern er­hält stän­dig neue Nah­rung. Un­mög­lich, die­ses er­zäh­le­ri­sche Ver­fah­ren (an­ge­lehnt an Ho­mers Il­li­as) bei­zu­be­hal­ten. Énard hat das erst gar nicht ver­sucht (sol­che Form des Selbst­pla­gi­ats wä­re auch des Gu­ten zu­viel), son­dern legt mit »Er­zähl ih­nen von Schlach­ten, Kö­ni­gen und Ele­fan­ten« ein gänz­lich an­de­res Buch vor; fast nur ein Büch­lein mit sei­nen 170 groß­zü­gig ge­füll­ten Sei­ten. Aber bei al­ler Dif­fe­renz – es gibt durch­aus ein gut ver­bor­ge­nes Band zum in Duk­tus und Form so gänz­lich an­de­ren Buch.

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