F. W.

Ei­gent­lich soll­te man so et­was über­le­sen. Ich kann­te F. W. nicht, ha­be kei­ne Tex­te von ihm in Er­in­ne­rung. Die Feuil­le­tons über­schla­gen sich nun, weil die­ser F. W. sich jah­re­lang fälsch­li­cher­wei­se als jü­disch ge­rier­te und sein be­haup­te­tes Ju­den­tum auch da­zu be­nutz­te, um is­ra­el­kri­ti­sche Po­si­tio­nen zu pu­bli­zie­ren. Jan Kü­ve­ler schreibt in der Welt, dass »nach iden­ti­täts­po­li­ti­scher Lo­gik« An­ti­se­mi­tis­mus »er­laubt« sei »wenn er von Ju­den kommt. Er sei dann mit­hin gar kein An­ti­se­mi­tis­mus mehr…« Und zum an­de­ren trat F. W. als ste­ti­ger War­ner vor An­ti­se­mi­tis­mus in Deutsch­land auf.

Nun, ich muss be­ken­nen, dass mich die­se »Iden­ti­täts­po­li­tik« ei­nen Scheiß­dreck in­ter­es­siert. Sie ist, nach al­lem was ich dar­über ge­le­sen ha­be, vor al­lem an­ti­auf­klä­re­risch, weil sie Hand­lun­gen, Aus­sa­gen und Ar­gu­men­te auf Her­kunft, Re­li­gi­ons­zu­ge­hö­rig­keit, Ge­schlecht, se­xu­el­ler Ori­en­tie­rung oder al­les zu­sam­men re­du­ziert.

Dass sie mich nicht in­ter­es­siert, ist na­tür­lich un­er­heb­lich. Tat­säch­lich ist sie längst ein­ge­drun­gen in die Ge­sell­schaft, ins­be­son­de­re in die Welt der Künst­ler, der Phi­lo­so­phie, der Li­te­ra­tur und na­tür­lich auch der Po­li­tik. Dass je­mand wie F. W. über­haupt in den Feuil­le­tons re­üs­sie­ren konn­te, hat da­mit zu tun, dass er aus ei­ner Min­der­hei­ten­po­si­ti­on her­aus, die er wie ei­ne Mon­stranz vor sich ge­tra­gen hat, zu Wer­ke ging. Deut­sche Me­di­en lie­ben Min­der­hei­ten­po­si­tio­nen und vor al­lem lie­ben sie die­se, wenn sie in der Min­der­heit sel­ber eben­falls mi­no­ri­tär sind. Ein Ju­de, der Is­ra­el kri­ti­siert – da wer­den ger­ne die Spal­ten in den Zei­tun­gen frei­ge­hal­ten. Dass dies am En­de nie­mand mehr in­ter­es­sant au­ßer ei­ner Hand­voll Be­tei­lig­ter – ge­schenkt. (Erst spä­ter wird man dann wie­der die ab­neh­men­de Be­deu­tung des Feuil­le­tons be­kla­gen.)

So ist es längst zum ent­schei­den­den Kri­te­ri­um für die Re­zep­ti­on jeg­li­cher Form von Tex­ten (es­say­istisch, li­te­ra­risch, so­gar wis­sen­schaft­lich) ge­wor­den, dass sie durch Au­tor­schaft und Bio­gra­phie ge­stützt und be­stä­tigt wer­den. Be­son­ders in­ter­es­sant wird es, wenn es um kon­tro­ver­se Po­si­tio­nen geht. Wer die »rich­ti­ge« Iden­ti­tät hat, wähnt sich sa­kro­sankt, hat im Dra­chen­blut sei­ner (fal­schen) Iden­ti­tät ge­ba­det. Zu­sam­men mit ei­nem ent­spre­chen­dem Stall­ge­ruch be­kommt man Sa­tis­fak­ti­ons­fä­hig­keit als Vor­schuss.

Da ich die­ses »De­bat­ten­feuil­le­ton« seit vie­len Jah­ren nicht mehr kon­su­mie­re, amü­siert mich die­se Af­fä­re zu­nächst. Et­wa so, wie mich einst die Ge­schich­te um den »Ho­lo­caust-Über­le­ben­den« Bin­ja­min Wil­ko­mir­ski und sei­ne von vor­ne bis hin­ten er­lo­ge­ne Au­to­bio­gra­phie Bruch­stücke amü­siert hat­te. Auch da­mals wur­de zu Be­ginn ge­schrie­ben, was man hö­ren, se­hen, le­sen woll­te. Als der Schwin­del auf­flog, ging man nicht in sich und be­frag­te die ei­ge­nen äs­the­ti­schen Kri­te­ri­en, son­dern pa­tho­lo­gi­sier­te na­he­zu aus­schließ­lich den Lüg­ner.

Das Amü­se­ment hin­ter­lässt aber ei­nen scha­len Ge­schmack. Denn die Auf­klä­rung der ak­tu­el­len Ge­schich­te wird kei­ne dau­er­haf­ten Fol­gen ha­ben. Rasch wird man zur Ta­ges­ord­nung über­ge­hen. Si­cher, man kann nicht auf je­den Au­tor, je­de Pu­bli­ka­ti­on, ei­nen Sam Spa­de an­set­zen. Aber es wür­de schon rei­chen, den Fe­tisch des Bio­gra­phis­mus ein biss­chen spar­sa­mer ein­zu­set­zen.

Oder, bes­ser: Man er­spart die­ses Feuil­le­ton­ges­um­se und wid­met sich dem Le­ben. Oder, was kein Wi­der­spruch sein muss, der Li­te­ra­tur.

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  1. Als Be­gleit­schrei­ben-Le­se­rin ha­be mir nach der Rück­kehr aus Öster­reich »Der Fall« in der neu­en Über­set­zung von Gre­te Oster­wald aus dem Pra­ger Buch­la­den ab­ge­holt.
    Dan­ke für die­se Emp­feh­lung.

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