Die Ex­per­ten

An­läss­lich des schreck­li­chen Un­glücks von Flug 4U9525 der Ger­man­wings vom Diens­tag wur­de der Fern­seh­zu­schau­er mit zahl­rei­chen so­ge­nann­ten »Ex­per­ten« kon­fron­tiert. Kei­ne Mut­ma­ßung wur­de aus­ge­las­sen, al­le mög­li­chen Theo­rien aus­ge­walzt. Die Kri­tik an die­ser Form der Be­richt­erstat­tung kam fast gleich­zei­tig auf; die Dis­kus­sio­nen um ver­meint­li­chen oder tat­säch­li­chen Per­sön­lich­keits­schutz sind noch nicht ab­ge­ebbt.

Aber wer wa­ren, wer sind, die­se »Ex­per­ten«, die der­art ge­adelt auf den Zu­schau­er, die Zu­schaue­rin los­ge­las­sen wer­den und mit der Au­ra des Wis­sen­den und los­ge­löst je­der Pie­tät han­tie­ren dür­fen?

Die ARD schickt bei die­sen Ka­ta­stro­phen vor al­lem den »Luft­fahrt­ex­per­ten« Horst Kläu­ser in den me­dia­len Ring. Kläu­ser ist, wenn es den not­wen­dig ist, auch schon ein­mal »gro­ßer Russ­land-Ex­per­te«. Man könn­te ihn al­so als All­zweck­waf­fe be­zeich­nen. Qua­li­fi­ka­ti­on für sei­ne Russ­land-Ex­per­ti­se hat er sich durch Aus­lands­auf­ent­hal­te in Russ­land und der Ukrai­ne er­wor­ben. Die Luft­fahrt-Qua­li­fi­ka­ti­on bleibt im Dun­keln.

Der zwei­te ARD-Ex­per­te ist der freie Re­por­ter Mi­cha­el Im­mel, der über ei­ne umfang­reiche jour­na­li­sti­sche Agen­da ver­fügt. Zum Luft­fahrt-Ex­per­ten wird er ver­mut­lich durch sei­ne Mit­glied­schaft im Vor­stand des »Luft­fahrt-Pres­se-Club e.V.« Ob die­se Ver­flech­tung mit der Ger­man­wings-Toch­ter Luft­han­sa je­mals in den Be­fra­gun­gen von Im­mel ei­ne Rol­le ge­spielt hat? Wel­chen Ein­fluss könn­te Im­mels En­ga­ge­ment bei der Be­wer­tung des Un­glücks ha­ben?

Im ZDF trat Hein­rich Groß­bon­gardt als »Ex­per­te« auf. Groß­bon­gardt ist Geschäfts­führer der Fir­ma »Ex­pair­ti­se«. Die­ses Un­ter­neh­men be­schäf­tigt sich mit Pu­blic Re­la­ti­ons für Luft­fahrt­or­ga­ni­sa­tio­nen, und dies seit mehr als 25 Jah­ren, wie man auf der Web­sei­te le­sen kann. Auch hier ste­hen Fir­men des Luft­han­sa-Kon­zerns auf der Re­fe­renz­li­ste.

An­dre­as Spaeth, der an­de­re ZDF-Ex­per­te, ist Di­plom-Jour­na­list. Spaeth ist mir auf­gefallen, weil er auch die ein­fa­chen Lö­sun­gen be­fragt und of­fen Fehl­ein­schät­zun­gen zu­gibt. Spaeth hat Bü­cher über den Air­bus 380 ge­schrie­ben. Sei­ne Qua­li­fi­ka­ti­on wür­de ich aus mei­ner sub­jek­ti­ven Sicht am we­nig­sten be­fra­gen.

Den­noch: Soll­te man mit dem Ru­brum »Ex­per­te« nicht ein biss­chen pfleg­li­cher um­ge­hen? Oder ist es gar not­wen­dig, um die hy­per­ven­ti­lie­ren­den Mut­ma­ßun­gen mit ei­ner ge­wis­sen Au­ra zu um­ge­ben? Wie wä­re statt Mei­nun­gen ein­fach nur Fak­ten zu pu­bli­zie­ren? Mas­se ist nicht Klas­se. Könn­te man wis­sen.

8 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Ich ha­be in den letz­ten Ta­gen ge­le­gent­lich da­für plä­diert, nur Fak­ten zu pu­bli­zie­ren. Zu­min­dest in den Schlag­zei­len. Die Ab­leh­nung war ein­hel­lig.

    Die Leu­te lie­ben das Spe­ku­lie­ren, das vom Er­eig­nis dann völ­lig los­ge­lö­ste Spie­len mit dem Mög­li­chen. Dass es sich spä­ter als Un­fug her­aus­stellt, ist dann be­deu­tungs­los. Ich ver­mu­te, im wah­ren Le­ben pas­siert ein­fach zu­we­nig. Oder zu­min­dest zu we­nig, dass die Con­di­tio Hu­ma­na ver­langt.

  2. Ich stim­me Ih­nen zu. In­ter­es­sant ist nur, in­wie­weit Me­di­en dies be­glei­ten bzw. po­ten­zie­ren sol­len. Wenn sie es nicht tun, steigt der Ver­schwö­rungs-Pe­gel ins un­er­mess­li­che. Im an­de­ren Fall wird es schnell pie­tät­los. Der Mit­tel­weg ist schwie­rig.

  3. Schwie­rig, das ist rich­tig. Man möch­te kein Dschun­gel­camp se­hen, sprich der Kli­en­tel an­ge­pass­te Me­di­en ha­ben. Aber pa­ter­na­li­sti­sche Jour­na­li­sten sind mir eben­so ein Greu­el. Reich und schön wä­re pri­ma. Wel­che Me­di­en wür­den Sie auf dem Mit­tel­weg se­hen?

  4. P.S.: Nig­ge­mei­er hat den Im­mel ziem­lich lä­cher­lich ge­macht. Zum schau­dern. Air­bus sitzt wahr­schein­lich im­mer mit am Tisch.

  5. Vor ei­ni­gen Jah­ren hät­te ich noch die öf­fent­lich-recht­li­chen Me­di­en ge­nannt. Aber in­zwi­schen ha­ben die Hy­per­ven­ti­la­tio­nen, Tri­via­li­tä­ten und Un­ge­nau­ig­kei­ten ex­or­bi­tant zu­ge­nom­men. Ei­ne Mit­schuld hat da­bei auch die Lob­by der pri­va­ten Me­di­en, die die öf­fent­lich-recht­li­chen so­fort un­ter Le­gi­ti­ma­ti­ons­druck set­zen, wenn be­stimm­te Quo­ten (die im Zwei­fel sie sel­ber be­stimmt ha­ben), nicht mehr er­reicht wer­den. Ent­we­der man gei­ßelt das Pro­gramm als eli­tär (am Zu­schau­er vor­bei) oder als tri­vi­al (ef­fekt­ha­sche­risch). Was fehlt ist der Mut.

  6. Der Ex­per­te be­sitzt die Au­to­ri­tät zur Spe­ku­la­ti­on, er le­gi­ti­miert sie als plau­si­bel (au­ßer­dem la­gert man Irr­tums­wahr­schein­lich­kei­ten aus; Kom­pe­ten­zen al­ler­dings auch). — Ich den­ke mir mitt­ler­wei­le: War­um nicht ein­fach nur war­ten? Wer will denn un­be­dingt im­mer und so­fort mit In­for­ma­tio­nen über­spült wer­den?

  7. Ja, das Eti­kett »Ex­per­te« soll Au­to­ri­tät ver­mit­teln. In­fla­tio­när ge­braucht pas­siert aber ir­gend­wann das Ge­gen­teil.

    Das Ab­war­ten liegt wo­mög­lich nicht so in un­se­rer Na­tur. Wir wol­len DEN Grund er­fah­ren. Vie­le ver­wen­den ja stän­dig das Flug­zeug als Fort­be­we­gungs­mit­tel. Da möch­te man schon wis­sen, wor­an es lag. Me­di­en hei­zen die­sen Er­kennt­nis­drang noch an. Dar­an müss­te man ar­bei­ten.

  8. Ich weiß nicht; ich will wis­sen was pas­siert ist und da­nach ent­schei­de ich, ob mich das nä­her in­ter­es­siert bzw. ob es »au­gen­blicks­re­le­vant« ist (mir ist aus­führ­li­che In­for­ma­ti­on zu ei­nem spä­te­ren Zeit­punkt oft lie­ber, weil dann mehr Sub­stanz vor­han­den ist und man sich das Le­sen der Spe­ku­la­tio­nen er­spart [bei sol­chen Ka­ta­stro­phen klin­ke ich mich recht rasch aus und spä­ter wie­der ein]).

    Ich weiß nicht wie das bei an­de­ren ist, bzw. ob das nur von Sei­ten der Me­di­en ge­för­dert wird (Nach­fra­ge).