Bo­tho Strauß: Mi­ka­do (II)

DIE MÖBEL

Ein jun­ger Te­le­fon­tech­ni­ker, Züch­ter von Dal­ma­ti­nern im Ne­ben­be­ruf, kam am frü­hen Nach­mit­tag, et­was zu früh, von sei­ner Ar­beit nach Hau­se. Er fand sei­ne Woh­nung kahl, voll­kom­men aus­ge­räumt. Sei­ne Frau aber stand an der nack­ten Wand, lehn­te mit dem Rücken an, und ihr ge­gen­über, eben­falls mit dem Rücken an die Wand ge­lehnt, stand ein Mann, den er nie zu­vor ge­se­hen hat­te. Bei­de at­me­ten er­schöpft in den letz­ten Zü­gen ei­nes lan­gen Streits, ei­nes die Af­fä­re be­en­den­den, wie es schien, denn die Wor­te, die sie jetzt noch wech­sel­ten, trof­fen wie aus ei­ner aus­ge­preß­ten Lei­den­schafts­frucht und ihr Sinn ent­glitt ins Ab­stru­se.

Er, die­ser Frem­de, sag­te: Wenn wir die Mö­bel tie­fer ins Zim­mer ge­rückt hätten...Tiefer, ganz tief, nach hin­ten, noch tie­fer...

Sei­ne ihm nicht we­ni­ger frem­de Frau sag­te: Das Zim­mer ist nicht so tief, daß man sich ir­gend et­was hät­te vom Leib rücken kön­nen. Und schon gar nicht, um es ge­nau zu sa­gen, mich et­wa.

Da be­merk­te er an sei­ner Frau ein vor­her nie ge­se­he­nes Rucken des Kop­fes, und zwar zu dem an­de­ren hin, dem Frem­den, so wie man je­man­den mit an­ge­ho­be­nem Kinn auf- oder her­aus­for­dert: Komm Komm Komm! ... lch zeig es dir! Aber nichts kam mehr von der an­de­ren Sei­te. Sie ruck­te den Kopf auf­for­dernd, oh­ne noch et­was zu er­war­ten, als sei es ihr schon zur Ma­rot­te ge­wor­den.


Der Mann, der heim­keh­ren woll­te, dreh­te die­ser ihm voll­kom­men un­be­greif­li­chen oder un­zu­gäng­li­chen Rea­li­tät kurz ent­schlos­sen den Rücken, ver­ließ die Woh­nung und un­ter­nahm erst Stun­den spä­ter ei­nen zwei­ten Ver­such nach Hau­se zu kom­men. Tat­säch­lich fand er dies­mal sei­ne Woh­nung ge­treu so ein­ge­rich­tet, wie er sie am Mor­gen ver­las­sen hat­te. Auch be­grüß­te ihn wie an je­dem Fei­er­abend sei­ne Frau, wenn auch die Zei­chen der Er­schöp­fung nicht ganz von ihr ge­wi­chen wa­ren. Doch ein drit­ter Mensch be­fand sich au­gen­schein­lich nicht mehr in sei­nen vier Wän­den. Al­so ließ er die Sa­che auf sich be­ru­hen.

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  1. »auf sich beruhen«.Klar.was sonst. Sei­ne Frau ruck­te ja auch auf­for­dernd mit dem Kopf, OHNE NOCH et­was zu er­war­ten.

    Scha­de, dass er die Ge­le­gen­heit nicht nutz­te. So wer­den sie nun
    wei­ter­düm­peln in ih­rem lang­wei­li­gen Le­ben.