Bit­te ins Fett­näpf­chen tre­ten

Der deut­sche Fern­seh­kon­su­ment ge­nie­ße noch die­sen Som­mer. Denn ab Herbst star­tet die ARD mit ei­ner Talk­show-Of­fen­si­ve fast bi­bli­schen Aus­ma­ßes: Jauch, Beck­mann, Plas­berg, Will, Maisch­ber­ger – im Vor­abend­pro­gramm ab 2012 Gott­schalk. Kei­ne Ah­nung, ob die Phoe­nix-Run­de – das klei­ne Re­fu­gi­um für die ge­pfleg­te Dis­pu­ta­ti­on am Abend – noch bleibt. Das ZDF wird frü­her oder spä­ter nach­zie­hen müs­sen. Frau Ill­ner an ei­nem Tag reicht wohl für das Gleich­ge­wicht des wö­chent­li­chen Schreckens nicht aus. Man fragt sich, wie die po­ten­ti­el­len Ge­sprächs-Kom­bat­tan­ten dies durch­ste­hen. Ver­ein­zelt gab es schon jetzt gro­ße Be­la­stun­gen. Ein Herr Chat­zi­markakis wur­de für gleich zwei Ka­ta­stro­phen zum Ex­per­ten er­nannt: Grie­chen­land und FDP. Un­ver­ges­sen der Tag des Auf­tritts in der »Münch­ner Run­de« und ei­ne Stun­de spä­ter bei Phoe­nix. Und kürz­lich trat er dann noch als Mo­ral­apo­stel in ei­ge­ner Sa­che auf (Stich­wort: Fal­scher Dok­tor).

Als im Pri­vat­sen­der RTL wei­land mit dem »Hei­ßen Stuhl« Pro­vo­ka­teu­re bzw. je­ne, die als sol­che emp­fun­den wur­den, in­qui­si­to­ri­schen Ver­hö­ren un­ter­zo­gen wur­den, droh­te bei den da­ma­li­gen Me­di­en­wäch­tern der Un­ter­gang der Kul­tur. Zwan­zig Jah­re spä­ter ha­ben Pro­grammdirektoren ih­re be­sten Sen­de­zei­ten zur rhe­to­ri­schen Schmier­sei­fen-Olym­pia­de à la »Spiel oh­ne Gren­zen« zur Ver­fü­gung ge­stellt. In­zwi­schen wer­den selbst die Sommer­interviews der Spit­zen­po­li­ti­ker wie hei­li­ge Tex­te ana­ly­siert und ge­deu­tet. Da ist es so­gar ei­ne Nach­richt, dass das Sak­ko der Kanz­le­rin farb­lich nicht zum Fra­ge­ses­sel pass­te.

Die so­ge­nann­ten Po­lit­talk­shows sind längst zu Selbst­läu­fern ge­wor­den. Mit Po­li­tik ha­ben sie nur noch am Ran­de zu tun. Statt­des­sen wird Po­li­tik oder bes­ser: Par­la­men­ta­ris­mus si­mu­liert. Die­se Sen­dun­gen sind bil­lig, jour­na­li­stisch an­spruchs­los und ha­ben nur ein Ziel: Mö­ge doch bit­te ir­gend­je­mand in ir­gend­ei­nes der vor­be­rei­te­ten Fra­ge-Fett­näpf­chen tre­ten.

Die Sprech­bla­sen­haf­tig­keit der Po­li­ti­ker wird durch das ex­zes­si­ve Me­di­en­in­ter­view nur noch ver­stärkt. Wie einst Schü­ler Ge­dich­te aus­wen­dig lern­ten, so bläu­en sie sich ih­re vor­for­mu­lier­ten Äu­ße­run­gen ein. Jour­na­li­sten wer­fen sich in Po­se, um die­se Mau­ern der Be­lang­lo­sig­kei­ten zu durch­bre­chen. Da­bei geht es ih­nen sel­ten um die Sa­che sel­ber, son­dern um den Ver­spre­cher ih­res Ge­gen­über. Der pro­vo­kan­te Ge­stus der Jour­na­li­sten steht – lei­der – häu­fig in di­rek­tem Zu­sam­men­hang mit ih­rer the­ma­ti­schen Ahnungs­losigkeit. Wenn je­de Wo­che ei­ne neue The­mensau durchs vir­tu­el­le Talk­show­dorf ge­trie­ben wer­den muss, bleibt kei­ne Zeit für in­ten­si­ve Be­schäf­ti­gung mit der Ma­te­rie. Geht ein Po­li­ti­ker in De­tails wie­geln sie ab und re­den sich her­aus, es wer­de für den Zu­schau­er zu kom­pli­ziert – statt die­se Kom­ple­xi­tät zu er­läu­tern.

Vie­les spricht da­für, dass hier­zu ih­re Fak­ten­si­cher­heit nicht aus­reicht. Plas­berg bie­tet am En­de sei­ner Sen­dung ei­nen Fak­ten­check im In­ter­net für den näch­sten Tag an. Nichts ist je­doch über­flüs­si­ger, ein ein­mal ab­ge­son­der­tes Ur­teil 24 Stun­den spä­ter me­di­al kor­ri­gie­ren zu wol­len. Was ge­sagt ist, ist ge­sagt – und das bleibt beim Zu­schau­er im Ge­dächt­nis.

Auf­be­rei­te­te Bei­trä­ge zei­gen zu­meist pa­ro­len­haf­te State­ments von un­ter­schied­li­chen Lob­by­isten, die ne­ben­ein­an­der ste­hen­blei­ben. Ei­ne de­tail­lier­te Ana­ly­se un­ter­bleibt. Sie wird non­cha­lant dem Zu­schau­er auf­ge­bür­det, der nun, wie es schein­hei­lig heißt, ent­sprechend »in­for­miert« sei. Dies ist in et­wa so, als wür­de man dem Re­stau­rant­be­su­cher die Zu­ta­ten auf den Tisch le­gen und ver­lan­gen, er sol­le nun die Zu­be­rei­tung vor­neh­men.

Wich­ti­ger noch als das, was ge­sen­det wird, ist das, was nicht ge­sen­det wird. Da Journal­isten zu­meist mit ei­ge­nen Mei­nun­gen aus­ge­stat­tet sind, wün­schen sie nur Über­raschungen in ih­rem Sinn. Am rei­ße­risch auf­ge­mach­ten Ti­tel der Sen­dung ver­mag man schon die Ten­denz zu er­ken­nen.

Weh­mü­tig er­in­nern sich Fern­seh­ve­te­ra­nen an die Sen­dung »Pro und Con­tra«, in der The­sen­an­wäl­te »Zeu­gen« be­fra­gen konn­ten und we­nig­stens ei­ne Spur dia­lek­ti­scher Stim­mung auf­kam. Heu­te wer­den die Ar­gu­men­te nicht aus­dis­ku­tiert, weil der Mo­de­ra­tor noch ein paar schö­ne Film­chen vor­be­rei­tet hat.

Frucht­ba­re Dis­kus­sio­nen mit dem Aus­tausch von Ar­gu­men­ten, die be­fragt wer­den, fin­den fast nur noch in ei­ni­gen Ra­dio­sen­dun­gen statt. Das Fern­se­hen ist längst zum seich­ten In­fo­tain­ment über­ge­gan­gen. Schau­spie­ler, Sport­ler oder Sän­ger lockern die Run­den auf. Ih­re Kom­pe­tenz be­zie­hen sie aus­schließ­lich aus ih­rer Pro­mi­nenz. Von den als Ex­per­ten be­zeich­ne­ten Per­sön­lich­kei­ten wer­den Hin­ter­grün­de und Qua­li­fi­ka­tio­nen erst gar nicht vor­ge­stellt. Ihr Ex­per­ten­tum er­hal­ten sie durch ih­re Prä­senz in der Sen­dung zu­ge­wie­sen. Wer ein­mal in ei­ner die­ser Talk­shows als »Ex­per­te« auf­trat, ist au­to­ma­tisch auch für an­de­re Sen­dun­gen qua­li­fi­ziert. Ir­gend­wann gibt es ei­nen Kreis von Per­so­nen, die »im­mer schon da« sind; sie gel­ten als Ex­per­ten für al­les. Der »Stern« nann­te sie »Gei­ßeln der Talk­shows« (und ver­gaß in der Ei­le ei­nen der größ­ten Dünn­brett­boh­rer in sei­ne Li­ste auf­zu­neh­men: das Mit­glied der »Stern«-Chefredaktion Hans-Ul­rich Jör­ges).

Die Gä­ste­li­sten der Sen­dun­gen sind of­fen­sicht­lich Ver­schluß­sa­che. Wer auf den In­ter­net-Prä­sen­zen da­nach sucht, wird nichts fin­den. Wenn man bei »hart aber fair« den Such­begriff »Bos­bach« ein­gibt, fin­det man nur ei­nen Da­ten­satz. Die Re­dak­ti­on teilt zu dem Wunsch ei­ner Gä­ste­li­ste mit:

    »Na­tür­lich füh­ren wir in­tern ei­ne Sta­ti­stik der be­reits zu ‘hart aber fair’ ein­ge­la­de­nen Gä­ste, schon um lang­fri­stig ein aus­ge­wo­ge­nes Ver­hält­nis zwi­schen den Par­tei­en zu be­wah­ren. Wir bit­ten aber um Ihr Ver­ständ­nis, dass wir kei­ne lang­fri­sti­gen Gä­ste­li­sten her­aus­ge­ben.«

Und bei »Men­schen für Maisch­ber­ger« heisst es la­pi­dar:

    »Es wird kei­ne Gä­ste­li­ste oder ähn­li­ches an die Zu­schau­er her­aus­ge­ge­ben.«

Die Mün­dig­keit des Zu­schau­er hat ihr En­de schon in der Ver­öf­fent­li­chung der Gä­ste­li­ste er­reicht. So muss man auf die Mee­dia-Li­ste der Talk­show­gä­ste 2010 zu­rück­grei­fen. Sie zeigt, was zu er­war­ten ist. Ab Herbst.

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  1. Die schön­ste Selbst­ent­lar­vung des Sy­stems ist schon jetzt der »Ko­or­di­na­tor, der steu­ern soll, wel­che Talk­show wel­che The­men mit wel­chen Gä­ste­rn be­stückt«. Von die­sem neu­en Po­sten war neu­lich, bei­na­he bei­läu­fig, im »Spiegel«-Gespräch mit Jauch die Re­de. Und ich dach­te, »Dis­patcher« kann­te nur die DDR... Will­kom­men im neu­en ARD-Talk­show-So­zia­lis­mus! Plan­wirt­schaft mit Ge­büh­ren­gel­dern geht lei­der erst mal nicht plei­te.

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d‑79175812.html

    http://de.wikipedia.org/wiki/Dispatcher#Verwendung_im_Sprachgebrauch_der_neuen_Bundesl.C3.A4nder

  2. Aus Sicht der ARD ist das si­cher­lich sinn­voll. Aber das da­mit die Re­dak­tio­nen (gibt es die dann über­haupt noch?) qua­si halb­wegs ent­mün­digt wer­den, ist ein Kol­la­te­ral­scha­den der neu­en Talk­show-Viel­falt.

  3. Moin.

    Wie schrieb Ter­ry Prat­chett doch so schön: »Man muss den Men­schen ge­ben, was sie brau­chen – nicht, was sie wol­len!« Viel­leicht han­delt ja ge­ra­de die ARD ent­ge­gen die­sem Mot­to: Das Kind will Scho­ko­la­de? Ge­ben wir ihm Scho­ko­la­de! Und noch mehr da­von! Stop­fen wir’s mit Scho­ko­la­de voll! Und le­gen ihm noch ei­nen Ex­tra­vor­rat ans Bett!

    Al­ler­dings ha­be ich noch nie je­man­den sa­gen ge­hört, dass er das Ge­fühl ha­be, es man­ge­le ihm an Po­lit­talk­shows. Dass er un­ter Geiß­ler­ar­mut lei­den wür­de wä­re – oder un­ter­hen­kelt sei. Auch ha­be ich an mir Män­gel die­ser Art noch nie fest­ge­stellt.

    Scha­de ei­gent­lich, dass dem Zu­schau­er hier das Ge­fühl ge­ge­ben wird, dass zu­viel ge­re­det und zu we­nig ge­han­delt wird. Wenn auch Po­li­tik in De­mo­kra­tien in der Re­gel aus aus­ge­han­del­ten Kom­pro­mis­sen be­steht, wer­den die­se doch meist nicht von de­nen be­spro­chen, die wir auf den Matt­schei­ben bei Will & Co. auf dem So­fa se­hen, son­dern viel­mehr von den Ar­beits­ebe­nen mit den Be­rufs­di­plo­ma­ten, Staats­se­kre­tä­ren und Mi­ni­ste­ri­al­be­am­ten.

    Viel­leicht ist das ja die hin­ter den Talk­shows lie­gen­de Ten­denz? Po­li­tik, die ab­seits von Talk­run­den hin­ter halb ver­schlos­se­nen Tü­ren ge­macht wird und Er­klär­bä­ren und Laut­spre­cher, die nach au­ßen hin die har­ten Fak­ten weich­sal­ba­dern?

    Na­ja, ich bleib’ erst­mal bei Kaf­fee, Blogs so­wie mei­nem gu­ten al­ten Deutsch­land­funk und war­te auf die Din­ge die da kom­men mö­gen.

    Schö­nen Gruß,
    Don Kryp­ton

  4. @Don Kryp­ton
    In­ter­es­san­ter Ge­dan­ke. Aber man müß­te doch ei­gent­lich wis­sen, dass ein Zu­viel an Scho­ko­la­de ir­gend­wann Bauch- und Ma­gen­schmer­zen ver­ur­sacht und zur Ab­nei­gung führt.

    Ich glau­be ja auch, dass die­se Talk­run­den in fast fahr­läs­si­ger Art und Wei­se Po­li­tik si­mu­lie­ren. In dem Mo­ment, wenn dies vom Zu­schau­er er­kannt wird, droht die Ge­fahr der Ab­wen­dung vom Po­li­ti­schen. Dies kann dann in Re­si­gna­ti­on oder Zy­nis­mus um­schla­gen. Wo­bei ge­klärt wer­den müss­te, ob nicht das Po­lit-Thea­ter ei­nen noch grö­sse­ren Zy­nis­mus-Fak­tor in sich birgt.

  5. @Gregor Keu­sch­nig
    Glau­ben Sie denn, dass The­men wie En­er­gie­wen­de oder Fi­nanz­kri­se tat­säch­lich so kom­mu­ni­ziert wer­den kön­nen, dass der durch­schnitt­li­che Zu­schau­er auf ein be­ur­tei­lungs­fä­hi­ges Ni­veau ge­hievt wird? Bei der En­er­gie­wen­de füh­le ich mich halb­wegs in der La­ge dies zu ver­nei­nen, da das Pro­blem so kom­plex ist, dass es nur in ei­nem mehr­stün­di­gen Lehr­gang auch nur grob um­ris­sen wer­den könn­te.

    In der Öf­fent­lich­keit kann man nur Schlag­lich­ter wer­fen, die dann aber im­mer aus dem Ge­samt­sy­stem her­aus­ge­ris­sen und die Rück­wir­kun­gen ver­nach­läs­sigt wer­den. Da ver­wen­det je­der In­ter­es­sent na­tür­lich im­mer den Teil­be­reich, der ihm in den Kram passt und ver­schweigt die Aus­wir­kung auf das gro­ße Gan­ze. Da­mit wird ei­ne Dis­kus­si­on au­to­ma­tisch zur De­bat­te und die Talk­show nur zur Büh­ne, um Glaub­wür­dig­keit bes­ser zu si­mu­lie­ren, als der po­li­ti­sche Kon­tra­hent.

    Ich be­fürch­te, dass die gro­ßen mul­ti­fak­to­ri­el­len The­men nicht mehr de­mo­kra­tisch ent­schie­den wer­den kön­nen. In Zei­ten wo die re­prä­sen­ta­ti­ve De­mo­kra­tie im­mer mehr in Fra­ge ge­stellt wird, gibt das ei­nen Teu­fels­kreis. All die­se kom­ple­xen The­men wer­den schon lan­ge von in­ter­es­sen­ge­lei­te­ten Fach­leu­ten und nicht mehr von Po­li­ti­kern ent­schie­den (und schon lan­ge nicht vom Wäh­ler). Wenn die Wäh­ler im­mer mehr di­rekt Ent­schei­dun­gen mit­be­stim­men wol­len und die Po­li­tik sich die nö­ti­ge Ex­per­ti­se in den ei­ge­nen Rei­hen nicht mehr lei­stet, wird es sehr schwie­rig. Da hilft auch kein Plas­berg und in Talk­shows ver­sucht man zu über­tün­chen, dass der Me­cha­nis­mus zum Lö­sen von Pro­ble­men nicht mehr zum Pro­blem passt.

  6. Ir­gen­wann hat man, so scheint’s, bei der ARD be­schlos­sen, daß die net­ten Da­men und Her­ren von INSM, DIHT, etc. je nach The­ma ge­mischt mit ein Plär­rern, bil­li­ge Pro­gramm­fül­ler sind, Chri­sti­an­sen vor­bild­li­che po­li­ti­sche De­bat­te, und gleich­zei­ti­tig der heh­re öf­fent­lich recht­li­che In­for­ma­ti­ons­auf­trag um­ge­setzt wird. Ver­mut­lich glau­ben sie so­gar, daß so vor­bild­li­cher po­li­ti­scher Dis­kurs aus­zu­se­hen ha­be.

    In­ter­es­san­ter­wei­se lag die re­dak­tio­nel­le Ver­ant­wor­tung beim Res­sort Un­ter­hal­tung. Da­mit ein­her ging das Ein­damp­fen der Po­lit-Ma­ga­zi­nem bzw. de­ren Exi­stenz im pro­gramm­li­chen Ran­gier­bahn­hof, so­wie Sen­de­plät­ze, die po­ten­ti­ell durch ir­gen­wel­che Sport­über­tra­gung ge­fähr­det wa­ren.

    In die­ser Zeit ging es wohl auch los, daß man mit al­ler Macht die Mar­ke ARD, heu­te an­wanz­ender­wei­se »Das Er­ste«, mit im­mer fla­che­ren In­hal­ten ver­such­te zu eta­blie­ren. Ich war­te ei­gent­lich nur noch dar­auf, daß mich die ARD wie IKEA duzt.

    Selbst­re­dend ver­zich­te ich auf 90% die­ser pseu­do­po­li­ti­schen Reiß­brett-In­sze­nie­run­gen, und wer­de dies auch in Zu­kunft tun. Es gibt ein Le­ben oh­ne die Bos­bachs, Hen­kels, Bro­ders, Ba­rings und wie sie al­le hei­ßen mö­gen.

  7. »Gre­gor Keu­sch­nig« schaut of­fen­bar in­ten­siv Talk­shows. Das hät­te ich nicht ver­mu­tet; eher, dass er über­haupt nicht fern­sieht. (Auch we­gen all der vie­len Lek­tü­re; ich mein’ das simp­le Zeit­pro­blem).

  8. @#5 – Pe­ter
    We­nig­stens soll­te doch die Dar­stel­lung der Kom­ple­xi­tät ei­nes Er­eig­nis­ses oder Sach­ver­halts ver­sucht wer­den. Aber selbst hier­an schei­tern die mei­sten Dis­kus­si­ons­run­den – weil sie auch gar nicht be­ab­sich­ti­gen. Ent­we­der set­zen sie Wis­sen vor­aus oder schla­gen sich um Ba­na­li­tä­ten die Köp­fe ein. Der/die Moderator/in spielt da­bei häu­fig we­ni­ger die Rol­le des Schlich­ters und Dis­kus­si­ons­füh­rers, son­dern des An­hei­zers.

    Die vor­aus­ei­len­de Ka­pi­tu­la­ti­on kommt mir ein biss­chen zu früh – zu­mal das In­ter­es­se beim Wäh­ler ja durch­aus vor­han­den ist. Über­las­sen wir früh­zei­tig re­si­gnie­rend das Feld den po­li­ti­schen und öko­no­mi­schen »Fach­leu­ten« und ent­bin­den sie von de­mo­kra­ti­scher Le­gi­ti­ma­ti­on (es gibt Kräf­te in der EU, die dies er­wä­gen), kön­nen wir gleich ein­packen.

    Als An­re­gung viel­leicht: Ba­zon Brock gibt an der Uni­ver­si­tät in Karls­ru­he den Stu­di­en­gang »Bür­ger als Pro­fi«; ei­ne »Bür­gera­ka­die­mie«. Auch er be­klagt die Ato­mi­sie­rung des Wis­sens, setzt dem aber im­mer­hin et­was ent­ge­gen. Ob man da­mit kon­form geht, steht auf ei­nem an­de­ren Blatt. Hier die mp3-Pod­cast_­Sen­dung, ca. 29 Mi­nu­ten und hier das Tran­skript der Sen­dung (pdf).

  9. In dem Mo­ment, wenn dies vom Zu­schau­er er­kannt wird, droht die Ge­fahr der Ab­wen­dung vom Po­li­ti­schen.

    Mein Zy­nis­mus hat mich mitt­ler­wei­le (fast) so weit ge­bracht, dass ich sa­ge: Gut so, macht was ihr wollt – und mir bleibt mehr Zeit für an­de­res.

    Zum ho­hen Kom­ple­xi­täts­grad der The­men: Ich glau­be in Wahr­heit muss nie­mand al­les wis­sen und sich über­all aus­ken­nen; wenn je­der Bür­ger ein, zwei The­men hat, die ihn in­ter­es­sie­ren, die er be­ackert und ver­folgt, dann reicht das doch. Der Rest er­gibt sich durch Aus­tausch und Dis­kus­si­on (und oh­ne ein ge­wis­ses Grund­ver­trau­en geht es oh­ne­hin nicht).

  10. Ein De­tail möch­te Ich noch er­wäh­nen: Der stern hat Jör­ges mit Ab­sicht ver­ges­sen, weil die­ser Ar­ti­kel vom chef­re­dak­teur und Gut­ach­si­sten Wolf­gang Röhl stammt, wel­cher sich auf­fal­len­der­wei­se nur über »Lin­ke« in Talk­shows be­schwert.
    KEINE Gei­ßeln sind bei Röhl Ba­ring, Hen­kel, die Lind­ner Twins usw.

  11. Moin noch­mal.

    Viel­leicht kurz zur Scho­ko­la­den­the­se: Mir ist durch­aus auch be­kannt, dass Bier mei­nen oh­ne­hin nicht zum Astra­len nei­gen­den Kör­per in ei­ne Rich­tung formt, die ich ei­gent­lich nicht gut­hei­ßen kann. Aber die in­ne­re An­wen­dung von Hop­fen be­frie­digt mei­nen kurz­fri­sti­gen Drang da­nach – ge­nau­so wie den kurz­fri­sti­gen Wunsch nach hö­he­rer Ein­schalt­quo­te die ARD be­frie­digt.

    Aber da die Kri­tik an Talk­show-Run­den of­fen­sicht­lich und nach­voll­zieh­ba­rer­wei­se Kon­sens ist (lei­der zu sel­ten, glück­li­cher­wei­se aber hier), möch­te ich doch noch ei­ne wei­te­re The­se auf­brin­gen: Für das Ver­ständ­nis kom­ple­xer ge­sell­schaft­li­cher oder po­li­ti­scher The­men sind Talk­shows un­ge­eig­net.

    Wenn es um die Dar­stel­lung der Pro­ble­me und Chan­cen ei­ner En­er­gie­wen­de geht (schö­nes Bei­spiel von Pe­ter üb­ri­gens), ist der Ge­dan­ken­aus­tausch meh­re­rer Per­so­nen in ei­nem Halb­rund dem Ver­ständ­nis des Zu­se­hen­den ab­träg­lich. Wie oft muss­te ich mich ge­ra­de über Hen­kel är­gern, als der als Lob­by­ist noch ak­ti­ver war...oder um den in­tel­li­gen­ten, aber un­be­hol­fe­nen Nach­wuchs­talk­gast, der zwar Klar­text sprach und im Recht war, aber von den Laut­spre­chern nie­der­ge­la­bert wur­de.

    Was hier brauch­ba­rer sein könn­te, wä­ren qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Do­ku­men­ta­tio­nen, wie sie 3sat, ar­te und Phoe­nix re­gel­mä­ßig an­bie­ten. Jour­na­li­stisch in al­ler Ru­he auf­be­rei­te­te Be­rich­te, die für die Dau­er von viel­leicht ei­ner drei­vier­tel Stun­de ei­nen be­stimm­ten The­men­kom­plex dar­stel­len und Kern­sät­ze von Pro- und Kon­tra-Kan­di­da­ten dar­le­gen. Per­fekt, wenn dann auch noch Bil­der und Aus­sa­gen oh­ne Kom­men­tie­rung da­ste­hen kön­nen.

    Al­ler­dings lässt sich mit die­ser Art von Jour­na­lis­mus wohl ein Blu­men­pott (in Form ei­ner Aus­zeich­nung ein hal­bes Jahr nach Aus­strah­lung), we­ni­ger aber ak­tu­el­le Ein­schalt­quo­te ge­win­nen. Und da­mit wä­ren wir wie­der bei der Scho­ko­la­de. Es ist doch ein Kreuz.

  12. @Don Kryp­ton
    Ja, Talk- oder Dis­kus­si­ons­run­den sind zu­meist mit der Dar­stel­lung kom­ple­xer The­men über­for­dert. Zu­mal wenn sie mit Lob­by­isten be­stückt wer­den, die an ei­ner sach­li­chen Ar­gu­men­ta­ti­on gar nicht in­ter­es­siert sind.

    Und na­tür­lich gibt es her­vor­ra­gen­de Do­ku­men­ta­tio­nen und/oder Fea­tures. Nur eben in Ni­schen­ka­nä­len wie 3sat, ar­te oder Phoe­nix. Man ver­gisst leicht, dass die­se Sen­der nicht über­all er­reich­bar sind. Die Haupt­pro­gram­me (ARD und ZDF) ver­kom­men ent­we­der zu rei­nen Sportab­spiel­plät­zen (das geht schon seit Jah­ren so) oder eben Si­mu­la­tio­nen von po­li­ti­scher Dis­pu­ta­ti­on. Da­bei gibt man sich noch nicht ein­mal rich­tig Mü­he, son­dern ist von vorn­her­ein auf Kra­wall aus.

  13. Ich ge­be es un­um­wun­den zu: Ich schau mir die­se Sen­dun­gen im­mer sehr an. Nicht, dass ich da ir­gend­ei­nen Er­kennt­nis­ge­winn er­war­ten wür­de, nein, Gott be­wah­re, aber die ein­schlä­gi­gen Prot­ago­ni­sten, al­so die Top-10 Dei­ner Li­ste, bei der Selbst­ent­lar­vung in ih­rer gan­zen Lä­cher­lich­keit zu be­ob­ach­ten – wo sonst hat man da­zu die Ge­le­gen­heit? Und man fin­det dort mit ab­so­lu­ter Si­cher­heit im­mer ei­nen Auf­hän­ger für ei­nen hä­mi­schen Blog­bei­trag. Gut, über ei­nen krei­schend ver­grei­sen­den Ba­ring schweigt man eher be­tre­ten, aber die wich­tig­tue­ri­sche Ab­son­de­rung von in­ter­es­sen­ge­steu­er­tem Blöd­sinn ei­nes Jör­ges, ei­nes Lind­ner oder Koks rei­zen mich doch im­mer mal wie­der zu ei­nem bos­haf­ten Kom­men­tar. Ernst neh­men darf man die­se Pseu­do­po­lit­shows wirk­lich nicht, aber das tut ja wohl auch kaum ei­ner.

  14. Wenn Kon­sens ist, dass frucht­ba­re Aus­ein­an­der­set­zung mit kom­ple­xen The­men mit­tels Talk­shows zu­min­dest schwie­rig ist; Sie fest­stel­len, dass die Pro­du­zen­ten auf Kra­wall aus sind, aber trotz­dem der Sen­de­plan mit Run­den die­ser Art zu­ge­pfla­stert ist, dann stel­le ich klug­schei­ssend wie Ci­ce­ro die Fra­ge cui bo­no.

    Ist das rei­nes Schmie­ren­thea­ter oder soll das Er­re­gungs­po­ten­zi­al des Zu­schau­ers, der nach der hun­dert­sten Mel­dung zwi­schen Be­ru­hi­gung und Ka­ta­stro­phe den Ver­stand ver­liert, ka­na­li­siert wer­den? Punkt eins kann das Pri­vat­fern­se­hen bes­ser und Punkt zwei wä­re Schö­ne Neue Welt. Au­ßer bei dem Auf­tritt des Uni­ver­sal­ex­per­ten Klaus Mei­ne, der mich ka­ta­to­nisch er­star­ren ließ, hal­te ich die­se Sen­dun­gen nur we­ni­ge Mi­nu­ten aus.

    Ba­zon Brocks schö­ner Vor­trag kann schon ein leich­tes Licht der Hoff­nung ent­zün­den, aber lei­der drän­gelt sich im­mer die Frat­ze von Hans-Olaf Hen­kel da­zwi­schen und bläst es wie­der aus. Pe­ter Zu­de­ik macht sich ge­le­gent­lich die Mü­he die aus­wen­dig ge­lern­ten Flos­keln des Po­li­tik­be­ra­ter­sprech zu ak­ku­mu­lie­ren. Ei­ne fan­ta­sti­sche Art die Pseu­do­sou­ve­rä­ni­tät der Lä­cher­lich­keit preis­zu­ge­ben. Wer viel Deutsch­land­funk hört und am Abend zu ei­nem The­ma von wirk­lich je­der Sei­te ei­ne Stel­lung­nah­me ge­hört hat, kann sich dem schö­nen Sport wid­men, ei­nen un­be­kann­ten In­ter­view­teil­neh­mer so schnell wie mög­lich in die rich­ti­ge Schub­la­de zu stecken. Ich glau­be das mitt­ler­wei­le ganz gut zu kön­nen. Wenn dies nicht so­fort ge­lingt, kann es in­ter­es­san­tes In­ter­view wer­den.

    P.S.: Apro­pos Bür­geraka­de­mie. Ich wür­de ger­ne mal auf ei­nem Par­tei­tag der Grü­nen ei­ne Um­fra­ge über den Un­ter­schied zwi­schen En­er­gie und Lei­stung ma­chen.

  15. @blackconti
    Ich glau­be nicht, dass die Hen­kels, Ba­rings, Geiß­lers, Jör­ges’ und wie sie al­le hei­ßen in ge­nü­gen­dem Maß lä­cher­lich ma­chen. Wie ist es sonst zu er­klä­ren, dass die­se Leu­te seit Jah­ren nicht nur im­mer wie­der als Gä­ste auf­tau­chen son­dern das Sen­de­for­mat so­gar noch aus­ge­wer­tet wird? Es muß al­so ei­nen »Markt« für die­se Form ge­ben, der jen­seits des Zy­nis­mus liegt.

    @Peter
    Cui bo­no? Na­ja, die­se Sen­dun­gen steh­len den an­de­ren, al­so den­je­ni­gen, die sub­stan­ti­el­le In­for­ma­tio­nen lie­fern könn­ten, schlicht­weg die »gu­te« Sen­de­zeit (ab 00.30 Uhr kommt dann noch was Gu­tes) . Und das wird (was die ARD an­geht) ja ab Herbst noch deut­li­cher.

    Im üb­ri­gen se­he ich nicht »die Frat­ze von Hans-Olaf Hen­kel« als ul­ti­ma­ti­ven Ge­nick­schuss ei­ner wie auch im­mer da­her­kom­men­den se­riö­sen Fern­seh­sen­dung. Die­se Leu­te ge­hen ja nur in sol­che Sen­dun­gen, weil sie un­ge­scho­ren davon­kommen. Im Zwei­fel wer­den sie vom Mo­de­ra­tor be­schützt. Das ist auch bei der pseu­do-in­ve­sti­ga­ti­ven Art ei­nes Plas­berg nicht an­ders. Viel in­ter­es­san­ter wä­re es, die Sprech­bla­sen­haf­tig­keit die­ser Leu­te zu ent­lar­ven – und das gin­ge sehr wohl. Hier­für müss­te man eben et­was tie­fer in die Ma­te­rie ein­drin­gen und nicht die üb­li­chen 08/15-Fra­gen stel­len. Man will das nicht, weil ein Hen­kel oder auch Geiß­ler nicht mehr kom­men wür­de. Dies wä­re ei­ne zu gro­ße Schwä­chung, da es of­fen­sicht­lich ei­nen Markt gibt, der nach sol­chen Gla­dia­to­ren ver­langt – und sei es (wie black­con­ti), um sich zu er­ei­fern.

  16. @Peter/Gregor

    Talk­shows sind, wie vie­les an­de­re auch, vor al­lem Un­ter­hal­tung, zum Ent- und Ab­span­nen, Zeit ver­trö­deln oder was auch im­mer ... und letzt­lich er­mög­li­chen sie auch ei­ne Art Selbst­er­he­bung über die »ko­mi­schen Fi­gu­ren«, die dort agie­ren – man ge­winnt da­bei et­was wie Re­pu­ta­ti­on.

    Na­tür­lich kann man Talk­shows auch psy­cho­lo­gisch be­trach­ten, was wohl sel­ten ge­tan wird, aber mit­un­ter auf­schluss­reich sein kann (die The­men die ver­han­delt wer­den sind da­für eher un­wich­tig).

  17. @metepsilonema
    Ein­ver­stan­den. Aber wel­che Kon­se­quenz liegt in die­ser Aus­sa­ge? Schließ­lich han­delt es sich um öf­fent­lich-recht­li­che Me­di­en, die ei­nem Rund­funk­staats­ver­trag [pdf] un­ter­lie­gen. (Das ist in Öster­reich mit dem ORF ja nicht an­ders.)

    Dar­in steht un­ter an­de­rem:

      »Die öf­fent­lich-recht­li­chen Rund­funk­an­stal­ten ha­ben in ih­ren An­ge­bo­ten ei­nen um­fas­sen­den Über­blick über das in­ter­na­tio­na­le, eu­ro­päi­sche, na­tio­na­le und re­gio­na­le Ge­sche­hen in al­len we­sent­li­chen Le­bens­be­rei­chen zu ge­ben.«

    Und wei­ter:

      »Ih­re An­ge­bo­te ha­ben der Bil­dung, In­for­ma­ti­on, Be­ra­tung und Un­ter­hal­tung zu die­nen. Sie ha­ben Bei­trä­ge ins­be­son­de­re zur Kul­tur an­zu­bie­ten. Auch Un­ter­hal­tung soll ei­nem öf­fent­lich-recht­li­chen An­ge­bots­pro­fil ent­spre­chen.«

    Von Aus­schließ­lich­keit der Un­ter­hal­tung ist da kei­ne Re­de.

    (Ich weiß na­tür­lich, dass Du das weißt. Aber die­se Sicht – die Talk­shows als rhe­to­ri­sche Gla­dia­to­ren­kämp­fe zu se­hen -: Wä­re das nicht das En­de des Ide­al­bild des »Dis­kur­ses«? Oder wä­re es nur ei­ne fast zur Un­kennt­lich­keit vor­ge­nom­me­ne Ver­zer­rung?)

  18. Die An­for­de­run­gen wer­den ja er­füllt, nur in ver­schie­de­nen Ka­nä­len. Mit ar­te, 3Sat, Phö­nix, BR al­pha im Fern­se­hen und Deutsch­land­funk, Deutsch­land­funk Kul­tur, DRa­dio Wis­sen und den fö­de­ra­len Wort­sen­dern im Ra­dio gibt es ein hoch­qua­li­ta­ti­ves In­for­ma­ti­ons­an­ge­bot. Da die­se Sen­der kaum ge­nutzt wer­den, ist die Fra­ge, ob die Öf­fent­lich-Recht­li­chen nur das An­ge­bot stel­len müs­sen oder päd­ago­gisch vor­ge­hen sol­len, was dann wie­der ei­ne der hoch­po­li­ti­schen Fra­gen ist. Un­er­träg­lich ist die Ver­tei­lung des mei­sten Gel­des auf we­ni­ge High­lights wie Fuß­ball, Schmidt, Jauch, Gott­schalk etc.

  19. @Gregor

    Ich wür­de das ein we­nig wie Pe­ter se­hen (man kann fast her­me­neu­tisch vor­ge­hen): Bei uns deckt Ö1 (Ra­dio) den qua­li­ta­ti­ven Be­reich ab: Das wä­re im Be­griff »Rund­funk­an­stal­ten« ent­hal­ten. Man kann al­so nicht sa­gen, dass es kei­ne se­riö­se In­for­ma­ti­on gibt.

    Na­tür­lich blei­ben Ein­wän­de: Die fi­nan­zi­el­le Aus­stat­tung und Ver­tei­lung, die ich zwar nicht ken­ne, aber ver­mut­lich auf der Sei­te der Sport­über­tra­gun­gen u.a. liegt (wie Pe­ter ja schon aus­ge­führt hat). Und dann na­tür­lich die Reich­wei­te bzw. das Me­di­um: Vor dem Fern­se­her ver­brin­gen die Men­schen im Durch­schnitt mehr Zeit als vor den Ra­dio­ge­rä­ten, ent­spre­chend wä­re ein kulturelles/informatives An­ge­bot zu ei­ner ver­nünf­ti­gen Uhr­zeit ei­gent­lich Pflicht (über er­ste­res hö­re ich im­mer wie­der Kla­gen: Wenn es ein­mal et­was Gu­tes gibt, dann viel zu spät).

    Man könn­te z.B. ei­nen Fern­seh­ka­nal für Sport- und Un­ter­hal­tung ein­rich­ten und ei­nen für In­for­ma­ti­on, Kul­tur und Dis­kus­sio­nen (und ich den­ke das An­ge­bot wird auch an­ge­nom­men).

  20. Mit sei­nem Ar­ti­kel trifft der Ver­fas­ser in der Haupt­sa­che »Po­lit-Talk­shows« und der Ne­ben­sa­che »Ex­per­ten­tum« den Na­gel auf den Kopf.
    Man könn­te ihm al­ler­dings Mit­leids­lo­sig­keit vor­wer­fen, denn die­se gru­se­li­gen Dar­bie­tun­gen sind so schlecht, dass es fast schon sa­di­stisch ist, dar­auf auch noch her­um zu tram­peln.
    Die­se Po­li­tik-Talks, die sich auf ei­gen­tüm­li­che Art glei­chen wie ein Ei dem an­de­ren, sind ei­gent­lich mehr als nur qua­li­ta­tiv min­der­wer­tig.
    Wenn man als Zu­schau­er bei­spiels­wei­se er­le­ben darf, wie in ein und der­sel­ben Sen­dung der Ge­werks­schaft­boss Som­mer die Be­dürf­nis­se der deut­schen Wirt­schaft er­klärt und sich Ar­beit­ge­ber­prä­si­dent Hundt als Hü­ter der In­ter­es­sen der Ar­beit­neh­mer­schaft dar­stellt, dann weiss man, was das Stünd­lein ge­schla­gen hat.
    Der­ar­ti­ge Sen­dun­gen ver­fol­gen in mei­nen Au­gen nur ei­nen Zweck. Dem Bür­ger soll sug­ge­riert wer­den »Hol´ dir noch ein Bier aus dem Kühl­schrank, mach dir noch ei­ne Packung Salz­stan­gen auf und rück´ dein Kis­sen zu­recht! Wir re­geln hier dei­ne An­ge­le­gen­hei­ten für dich.«

  21. @Peter/metepsilonema
    Ich ha­be den gan­zen Text des Rund­funk­staats­ver­trags jetzt nicht ge­le­sen. Aber ich glau­be, dass ir­gend­wo et­was von ei­nem »Voll­pro­gramm« steht, wel­ches ARD und ZDF bei­zu­brin­gen ha­ben. Die »Aus­la­ge­rung« von Kul­tur­bei­trä­gen in Ni­schen­ka­nä­le gab es ja erst mit der Im­ple­men­tie­rung des Pri­vat­fern­se­hens. Es ging par­al­lel mit den tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten nicht mehr auf ter­re­stri­sche Fre­quen­zen an­ge­wie­sen zu sein.

    Die ARD im­ple­men­tie­re »Eins plus«; ZDF, ORF und Schwei­zer Fern­se­hen schlos­sen sich zu »3sat« zu­sam­men. 1993 wur­de »Eins plus« in »3sat« ein­ge­glie­dert. Par­al­lel kam als deutsch-fran­zö­si­sches Pro­jekt noch »ar­te« da­zu. Spä­ter dann mit »Phoe­nix« ein Nach­rich­ten­sen­der. Die­se Sen­der bil­den seit­dem das Fei­gen­blatt der öf­fent­lich-recht­li­chen Sta­tio­nen, um ih­re Ver­dum­mungs­stra­te­gien im »Voll­pro­gramm« zu recht­fer­ti­gen. Man schafft Ghet­tos (die üb­ri­gens in gro­ßem Stil als »Ab­spiel­sen­der« fun­gie­ren [die Aus­nah­me ist »ar­te«]) und um­geht da­mit den Auf­trag, Kul­tur­sen­dun­gen al­len zu­gäng­lich zu ma­chen.

    Noch schlim­mer ist das Ra­dio ver­kom­men. Fast je­de ARD-An­stalt hat fünf Ra­dio­pro­gram­me; min­de­stens vier. Dar­un­ter be­fin­det sich nur ein Pro­gramm, wel­ches se­riö­se Bei­trä­ge über län­ge­re Sicht bringt – der Rest ist Du­del­funk oder ma­xi­mal In­fo­tain­ment. DLR und DLF sind noch ein­mal ein an­de­res The­ma – die­se Sen­der sind ter­re­strisch zum Teil nicht emp­fang­bar, was durch Pod­casts und Live­streams im In­ter­net um­gan­gen wird. Tat­säch­lich schafft ein sol­ches Ka­sten­den­ken das, was man bspw. für das Zu­sam­men­le­ben ei­ner Ge­sell­schaft bis­her ka­te­go­risch ab­ge­lehnt hat.

  22. @zawihass
    Das, was sie be­schrei­ben, hat schon Ri­chard von Weiz­säcker 1992 als eine»Art von Vor­teils­auf­tei­lung zwi­schen Po­li­tik und Ge­sell­schaft« be­schrie­ben (s. hier).

    Ich glau­be, dass dar­an mehr ist, als von Weiz­säcker da­mals zu­ge­ste­hen woll­te (er war noch Bun­des­prä­si­dent). Wo­bei das Prin­zip der De­le­ga­ti­on von Pro­ble­men an die Po­li­tik jahr­zehn­te­lang min­de­stens ober­fläch­lich ziem­lich gut funk­tio­niert hat. Den­noch ist es in Be­zug auf die Po­lit-Talk­shows nicht mehr ganz zu­tref­fend, weil dem Zu­schau­er ei­ne Art von Pseu­do-Mit­spra­che sug­ge­riert wird. Das zeigt sich dann dar­an, dass man ihn be­tei­ligt (man kann an­ru­fen oder im In­ter­net ei­nen Kom­men­tar ab­ge­ben). In den so­ge­nann­ten Som­mer­in­ter­views (et­was über­flüs­si­ge­res gibt es kaum) zei­gen sich sol­che Ali­bi-Kon­struk­tio­nen bis zur Pein­lich­keit: Da fährt ein ge­büh­ren­fi­nan­zier­ter Re­por­ter in ir­gend­ei­ne deut­sche Stadt, stellt sich auf den Markt­platz, be­fragt Pas­san­ten und filmt dann ba­nal­ste Fra­gen ab, die schließ­lich dem Po­li­ti­ker ge­stellt wer­den. Das ist an Pein­lich­keit und Lä­cher­lich­keit kaum zu über­bie­ten.

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  24. Wer »um Got­tes Wil­len«, schaut sich die­sen und auch noch je­de Men­ge an­de­ren
    »me­dia­len Schwach­sinn« der »Öf­fent­lich- Recht­li­chen«, wie auch der »Pri­va­ten«, über­haupt noch an? In­zwi­schen braucht man bei de­ren ver­brei­te­tem Mist doch ei­nen »Kotz­ei­mer« ne­ben dem Ses­sel oder So­fa!
    Seit ich die Nach­Denk­Sei­ten von Al­brecht Mül­ler und Wolf­gang Lieb für mich ent-deckt ha­be ist, seit­dem ist je­den­falls für mich die­ser volks­ver­dum­men­de »Ein­heits-
    brei« to­tal er­le­digt!
    hjs­bi

  25. Script­ed Talk­shows?!

    Ich fin­de das rein nach mei­nem De­mo­kra­tie­ver­ständ­nis schon säuisch,
    wenn sich be­stimm­te Talk­show­teil­neh­mer, ver­mut­lich nicht die Po­li­ti­ker,
    vor­her ver­trag­lich auf be­stimm­te Aus­sa­gen fest­le­gen müs­sen, z.B., wie
    ich nicht-wis­send ver­mu­te, im Vor­feld des BVerfG-Ur­teils die Hart­zIV-Mut­ti
    in der ARD mit der Aus­sa­ge, dass der Re­gel­satz ei­gent­lich aus­reicht.

    [Wett­kampf der Feu­er­wer­ker
    Ele­na Pel­zer und Si­mon Plei­kies 13.09.2010
    Der Me­di­en­phi­lo­soph Nor­bert Bolz über ei­nen ver­bor­ge­nen Lehr­plan in
    Ca­sting­sen­dun­gen und die Selbst­dar­stel­lungs­wut im Netz
    http://www.heise.de/tp/artikel/33/33223/1.html%5D

    Der auf­ge­klär­te Ge­büh­ren­zah­ler soll­te ei­gent­lich schon ein An­recht dar­auf
    ha­ben, dass der­ar­tig ge­scrip­te­te Talk­show­teil­neh­mer öf­fent­lich ge­kenn­zeich­net
    wer­den, dann könn­te man näm­lich gleich auf de­ren Teil­nah­me ver­zich­ten und
    wei­ter hübsch Ein­spiel­film­chen ab­spie­len, wo auch der ein­fäl­tig­ste Zu­schau­er
    wohl wis­sen wird, dass hier­mit ex­klu­siv die Mei­nung der omi­nö­sen Talk­show-
    re­dak­ti­on wie­der­ge­ben wird.

    Apro­pos Talk­show­re­dak­tio­nen:
    Sind die bei den Öf­fent­lich-Recht­li­chen ei­gent­lich im­mer streng nach
    Par­tei­en­pro­porz be­setzt?

  26. @Nuremberg Bulz
    Sehr in­ter­es­san­ter Link. Bolz ist ja je­mand, der durch­aus prä­sent auch in Ra­dio-Fo­ren ist und da­her Ver­gleichs­mög­lich­kei­ten hat.

    Von »Schript­ed Talk­shows« ist man zwar noch ein Stück ent­fernt, aber es wird na­tür­lich auf Pa­ri­tät ge­ach­tet.

    Schlim­mer ist die­se Aus­sa­ge zu be­wer­ten:

    Die Pro­du­zen­ten und Mo­de­ra­to­ren der Talk­shows wol­len näm­lich in ih­rer Sen­dung Po­li­tik nicht nur dis­ku­tie­ren, son­dern sie wol­len selbst Po­li­tik ma­chen.

    Wo­bei gilt: Sie ma­chen die­se Po­li­tik ja schon – das ist die­ser ty­pi­sche Ten­denz­jour­na­lis­mus. Ich glau­be nicht, dass die Re­dak­tio­nen pa­ri­tä­tisch be­setzt sind (das fän­de ich auch lä­cher­lich). Der »Aus­gleich« er­gibt sich aus dem Spek­trum der Sen­dun­gen sel­ber. Das ist ja bei den Po­lit­ma­ga­zi­nen der ARD ähn­lich. Man muß schon »Mo­ni­tor« und »Re­port Mün­chen« schau­en...

  27. Das Talk­show­ge­raf­fel als para(sit)militärisches Kom­man­do­un­ter­neh­men:

    »Wur­de der gar nicht ge­brieft vor­her?!«

    [http://alles-schallundrauch.blogspot.com/2008/01/wurde-der-gar-nicht-gebrieft-vorher.html]

  28. Ich ha­be die­se Po­lit­talk Run­den nie lei­den kön­nen. Der Er­kennt­nis­ge­winn ist mi­ni­mal und es stimmt, die Si­mu­la­ti­on von Nä­he und Teil­ha­be steht im Vor­der­grund. Mit rea­ler Po­li­tik hat es ge­nau­so we­nig zu tun, wie die BILD.

  29. Was hier, ge­nau wie über­all ver­schwie­gen wird, das ist die Ur­sa­che für al­le sol­che Ma­chen­schaf­ten.

    Die­ses Sy­sten wird al­le paar Jah­re durch die Wäh­ler­stim­men wie­der aufs Neue le­gi­ti­miert. [GELÖSCHT; hier ist kei­ne Bier­knei­pe. G. K.]

    Und ihr schreibt einst­wei­len gross­ar­ti­ge Kom­men­ta­re, dass zB der Pro­to­typ des deut­schen Spiess­bür­gers, in der ARD vor der Ta­ges­chau schwa­feln darf. Sy­stem­er­hal­tend und für Mil­lio­nen Eu­ro... ver­steht sich.

    So­lan­ge die Mehr­heit sich für so­ge­annn­te Un­ter­schie­de der bür­ger­li­chen Par­tei­en in­ter­es­siert, an­statt für die un­säcli­che Dumm­heit die nö­tig ist um dies al­les erst mal so zu er­mög­li­chen, wird es wei­ter den Bach run­ter ge­hen. Die­se Talk»shows«, und die un­ge­heu­re Mas­se ih­rer Kon­su­men­ten tra­gen da­zu bei.

    Man kann sich al­ler­dings ei­ner nicht mehr zu über­se­hen­den klamm­heim­li­chen Freu­de, die über­all durch­schim­mert, er­weh­ren. Denn es wer­den eben die­se Bürger/Wähler/Steuerzahler sein, die al­le lang­sam fäl­lig wer­den­den Rech­nun­gen be­zah­len müs­sen. Mit ih­rer Ar­beit, mit ih­rer Steu­ern... manch­mal fin­det man Ge­rech­tig­keit wo man sie nicht ver­mu­ten wür­de.

  30. Wo­zu das öf­fent­lich-recht­li­che Fern­se­hen in sei­ner Früh­zeit hier­zu­lan­de wil­lens und in der La­ge war, er­sieht man ex­em­pla­risch aus dem Te­le­po­lis-Ar­ti­kel »Schee­ner Herr aus Dait­sch­land«. Das läßt die heu­ti­gen Um- und Zu­stän­de in ei­nem noch trü­be­ren Licht er­schei­nen...

  31. @Ralph Sten­zel
    Ich kann mich sehr gut an die Aus­strah­lun­gen der Fol­gen er­in­nern. Das war ir­gend­wann in den 70er Jah­ren; wohl im Drit­ten (WDR). Ins­be­son­de­re das Ta­ge­buch des Jür­gen Will­ms ist mir mit sei­ner scho­nungs­lo­sen Dar­stel­lung im Ge­dächt­nis ge­blie­ben. Das rüt­tel­te auf.

    Die Ex­per­ti­men­tier­freu­dig­keit in Sa­chen Qua­li­tät des öf­fent­lich-recht­li­chen Fern­se­hens brach fast zeit­gleich mit dem Pri­vat­fern­se­hen in den 80er Jah­ren zu­sam­men. Es sind nicht zu­letzt die Lob­by­isten des Pri­vat­fern­se­hens ge­we­sen, die (bis heu­te noch) den Le­gi­ti­ma­ti­ons­druck des Wer­be-TV auf das ÖR-Sy­stem ge­schickt trans­for­mier­ten: Der Ge­büh­ren­zah­ler soll­te, so der Te­nor, für »sein« Geld das be­kom­men, was er wünsch­te. Die Quo­te war von nun an nicht nur die Mess­lat­te für die Wer­be­indu­strie, son­dern auch Ba­sis für die Le­gi­ti­ma­ti­on von öf­fent­lich-recht­li­chem Fern­se­hen.

    Statt ei­ne Mi­schung zu fin­den, die die­sen Spa­gat ver­sucht zu be­wäl­ti­gen, gab man im­mer mehr in vor­aus­ei­len­dem Ge­hor­sam nach. Das be­ginnt bei der so­ge­nann­ten Ziel­grup­pe der 14–49jährigen – he­te­ro­ge­ner und düm­mer könn­te ei­ne Pau­scha­li­sie­rung gar nicht aus­fal­len. Und en­det in der Sor­ge, den Zu­schau­er nicht mit all­zu de­tail­lier­tem Fak­ten­wis­sen be­lä­sti­gen zu müs­sen...

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