Pe­ter Slo­ter­di­jk: Zei­len und Ta­ge

Peter Sloterdijk: Zeilen und Tage
Pe­ter Slo­ter­di­jk: Zei­len und Ta­ge

In den Vor­be­mer­kun­gen zu die­sem Buch heißt es, dass es der Über­re­dungs­kün­ste von Rai­mund Fellin­ger und Ul­rich Raulff be­durft ha­be, um die zwölf ta­ge­buch­ar­ti­gen »Hef­te« von Pe­ter Slo­ter­di­jk, die zwi­schen dem 8. Mai 2008 und dem 8. Mai 2011 (!) ent­stan­den sind, zu ver­öf­fent­li­chen. Die­ses ge­spreiz­te Un­der­state­ment un­ter­stützt Slo­ter­di­jk in dem er für ei­nen kur­zen Mo­ment so­gar von sich in der drit­ten Per­son spricht. Schließ­lich wur­de dem Drän­gen nach­ge­ge­ben, die Hef­te 100 bis 111 wur­den tran­skri­biert und si­cher­lich auch lek­to­riert (al­te Recht­schrei­bung!). Lei­der hat man da­bei das Inhalts­verzeichnis ver­ges­sen, denn dort wer­den für Heft 105 und Heft 106 fal­sche Da­ten ge­nannt; ei­ne Pe­ti­tes­se zwar, aber är­ger­lich.

Vor­ab sei ge­sagt: »Zei­len und Ta­ge« ist kein Stein­bruch, son­dern ein weit­ver­zweig­tes, zu­wei­len la­by­rin­thisch an­mu­ten­des Stol­len­sy­stem mit vie­len ver­schie­de­nen Ein- und Aus­gän­gen und ge­le­gent­li­chen Sack­gas­sen. Mit der er­sten Lek­tü­re die­ses Bu­ches soll­te der Le­ser sei­ne ei­ge­ne Kar­to­gra­phie die­ses Kon­vo­luts an­fer­ti­gen um dann, je nach Zeit und Ge­le­gen­heit, die Gold­pfan­nen ziel­ge­rich­tet krei­sen las­sen zu kön­nen. So man­ches Körn­chen wird bei der zwei­ten oder drit­ten Lek­tü­re um­so hel­ler auf­leuch­ten.

Da wird do­ziert, re­flek­tiert, brüs­kiert, iro­ni­siert, rä­so­niert, bram­ar­ba­siert und, vor al­lem, phi­lo­so­phiert.

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Loui­se Ri­chard­son: Was Ter­ro­ri­sten wol­len

Louise Richardson: Was Terroristen wollen
Loui­se Ri­chard­son:
Was Ter­ro­ri­sten wol­len

Der Un­ter­ti­tel des Bu­ches Was Ter­ro­ri­sten wol­len ver­spricht nicht zu­viel: Die Ur­sa­chen der Ge­walt und wie wir sie be­kämp­fen kön­nen. Loui­se Ri­chard­son, Po­li­tik­pro­fes­so­rin aus Har­vard, hat sich jahr­zehn­te­lang mit Ter­ro­ris­mus be­schäf­tigt und die­sen wis­sen­schaft­lich un­ter­sucht. Das vor­lie­gen­de Buch ist da­bei so­wohl ei­ne populär­wissenschaftliche Zu­sam­men­fas­sung ih­rer Un­ter­su­chun­gen als auch Weg­wei­ser, wie demo­kratische und li­be­ra­le Rechts­staa­ten mit die­ser Be­dro­hung um­ge­hen kön­nen, die ja – auch das wird im Lau­fe der Lek­tü­re deut­lich – kein neu­ar­ti­ges Phä­no­men dar­stellt (und auch nicht ei­ner be­stimm­ten Kul­tur zu­ge­schrie­ben wer­den kann).

Die Tat­sa­che, dass Ri­chard­son Irin ist und auch selbst als Ju­gend­li­che mit dem Ter­ro­ris­mus der IRA (bzw. PIRA) kon­fron­tiert wur­de, bringt noch ei­ne zu­sätz­li­che Fa­cet­te in die­ses Buch hin­ein (die je­doch nur sehr de­zent und am An­fang er­wähnt wird). So be­rich­tet die Au­torin sehr wohl, wie die In­fil­tra­ti­on im El­tern­haus, in der Schu­le und un­ter Freun­den wie ei­ne Art schlei­chen­des Gift in ihr fort­schritt und die­ses für Ter­ro­ri­sten und ih­re An­hän­ger ty­pi­sche di­cho­to­mi­sche Welt­bild er­zeug­te. Und sie schil­dert ihr Erwek­kungserlebnis, wel­ches sie schlag­ar­tig »be­kehr­te«, als sie auf dem Dach­bo­den ein Fo­to des On­kels fand, der als wi­der­stän­di­scher Frei­heits­held in der Fa­mi­lie ge­fei­ert wur­de, auf dem Fo­to je­doch aus­ge­rech­net ei­ne bri­ti­sche Uni­form trug und al­le My­then­ge­schich­ten, je­ne er­in­ner­te Hi­sto­rie, die von Ge­ne­ra­ti­on zu Ge­ne­ra­ti­on im­mer wei­ter­erzählt wur­de, auf ei­nen Schlag zu Lü­gen mu­tier­ten.

Was ist Ter­ro­ris­mus?

Zu­nächst ein­mal de­fi­niert Ri­chard­son den Be­griff des Ter­ro­ris­mus (bzw. des Ter­ro­ri­sten), was ab­so­lut not­wen­dig ist, denn »Ter­ror« und »Ter­ro­rist« fin­den in­zwi­schen in­fla­tio­när Ver­wen­dung – auch und ge­ra­de in den Me­di­en und auch in voll­kom­men an­de­ren Zusammen­hängen (bspw. »Te­le­fon­ter­ror« oder »Wirt­schafts­ter­ror« für Devisen­spekulationen).

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Gun­nar Hein­sohn: Söh­ne und Welt­macht

Die be­reits in 2003 von Gun­nar Hein­sohn ent­wickel­ten The­sen zur Bevölkerungs­entwicklung und de­ren emi­nen­te Be­deu­tung wur­den En­de Ok­to­ber 2006 im »Phi­lo­so­phi­schen Quar­tett« des ZDF vor­ge­stellt. Die an­son­sten recht struk­tu­riert und sta­tisch von Pe­ter Slo­ter­di­jk und Rü­di­ger Sa­fran­ski mo­de­rier­te Sen­dung ge­riet ein biss­chen aus den Fu­gen, da Hein­sohn, schlag­fer­tig, iro­nisch und ge­le­gent­lich ein biss­chen rau­nend Wi­der­spruch pro­vo­zie­rend, die Dis­kus­si­ons­teil­neh­mer in den Bann zog und im Lau­fe der 60 Mi­nu­ten dann al­le sei­nen Schluss­fol­ge­run­gen er­la­gen.

Gunnar Heinsohn: Söhne und Weltmacht
Gun­nar Hein­sohn: Söh­ne und Welt­macht

Die Kern­the­se Hein­sohns ist ziem­lich ein­fach: In Ge­sell­schaf­ten mit über­zäh­li­gen jun­gen Män­nern be­steht die gro­sse Ge­fahr, dass die­se jun­gen, wü­ten­den [zor­ni­gen] und oh­ne Karriere­aussichten Zweit‑, Dritt- und Viertsöh­ne (der er­ste, äl­te­ste Sohn ist durch Erb­fol­ge ab­ge­si­chert) ih­re Per­spek­ti­ve an­ders­wo su­chen und es zu blu­ti­gen Ex­pan­sio­nen und zur Schaf­fung und Zer­stö­rung von Rei­chen kommt.

Hein­sohn führt den Be­griff des child­ren bul­ge und des youth bul­ge* ein. Un­ter child­ren bul­ge ver­steht er den Über­schuss in ei­nem pro­zen­tua­len Ver­hält­nis der Kin­der un­ter 15 Jah­ren in ei­ner Ge­sell­schaft (bzw. ei­ner Na­ti­on oder Re­gi­on oder der Welt­be­völ­ke­rung). Aus dem child­ren bul­ge ent­steht dann der so­ge­nann­te youth bul­ge; so nennt er die 15–24 jäh­ri­gen (in vie­len Ge­sell­schaf­ten be­ginnt das Krie­ger­al­ter bei 15 Jah­ren). Aus dem child­ren bul­ge lässt sich das »Re­kru­tie­rungs­po­ten­ti­al« der »Zor­ni­gen« ab­le­sen.

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