Wie führt man sich als neuer Feuilleton-Chef eigentlich in eine Redaktion ein? Welche Akzente setzt man? Was ist programmatisch zu erwarten? Schwierig. Richard Kämmerlings, von der F.A.Z. kommend seit 1. Oktober Chef des Feuilletons leitender Kulturredakteur bei der »Welt«, versucht es erst gar nicht mit Originalität. Er belebt eine Leiche, die man eigentlich vor einigen Jahre recht gerne zu Grabe getragen glaubte. Kämmerlings darf jetzt endlich darüber schreiben. Er will den »großen deutschen Roman«. Wobei dies nicht ganz stimmt. Damit jeder sofort weiß, wo die Vorbilder zu suchen sind, wird das Vermisste sofort anglifiziert: »Wo bleibt die Great German Novel?« Wow. Was für ein Mut!
Natürlich ist Jonathan Franzen das aktuelles Vorbild. Kämmerlings sucht nach einem Äquivalent, welches einem Amerikaner den Deutschen erklärt. Dabei geht er stillschweigend von zwei Prämissen aus: Zunächst glaubt er, Franzens Buch »erkläre« dem tumben Deutschen die amerikanische Seele. Und zum anderen glaubt er, Literatur als Referenz für eine Entität oder Nation heranziehen zu können.