Wie­der­be­le­bungs­ver­such an ei­ner Lei­che

Wie führt man sich als neu­er Feuil­le­ton-Chef ei­gent­lich in ei­ne Re­dak­ti­on ein? Wel­che Ak­zen­te setzt man? Was ist pro­gram­ma­tisch zu er­war­ten? Schwie­rig. Ri­chard Käm­mer­lings, von der F.A.Z. kom­mend seit 1. Ok­to­ber Chef des Feuil­le­tons lei­ten­der Kul­tur­re­dak­teur bei der »Welt«, ver­sucht es erst gar nicht mit Ori­gi­na­li­tät. Er be­lebt ei­ne Lei­che, die man ei­gent­lich vor ei­ni­gen Jah­re recht ger­ne zu Gra­be ge­tra­gen glaub­te. Käm­mer­lings darf jetzt end­lich dar­über schrei­ben. Er will den »gro­ßen deut­schen Ro­man«. Wo­bei dies nicht ganz stimmt. Da­mit je­der so­fort weiß, wo die Vor­bil­der zu su­chen sind, wird das Ver­miss­te so­fort an­gli­fi­ziert: »Wo bleibt die Gre­at Ger­man No­vel?« Wow. Was für ein Mut!

Na­tür­lich ist Jo­na­than Fran­zen das ak­tu­el­les Vor­bild. Käm­mer­lings sucht nach ei­nem Äqui­va­lent, wel­ches ei­nem Ame­ri­ka­ner den Deut­schen er­klärt. Da­bei geht er still­schwei­gend von zwei Prä­mis­sen aus: Zu­nächst glaubt er, Fran­zens Buch »er­klä­re« dem tum­ben Deut­schen die ame­ri­ka­ni­sche See­le. Und zum an­de­ren glaubt er, Li­te­ra­tur als Re­fe­renz für ei­ne En­ti­tät oder Na­ti­on her­an­zie­hen zu kön­nen.

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Uwe Tell­kamp: Der Turm

Uwe Tellkamp: Der Turm
Uwe Tell­kamp: Der Turm

Ri­chard Hoff­manns 50. Ge­burts­tag En­de No­vem­ber 1982 in Dres­den – und die Fa­mi­lie, die Freun­de, die Ar­beits­kol­le­gen (ei­ni­ge da­von »Ge­nos­sen«) kom­men zu­sam­men; auch die­je­ni­gen, die man sonst sel­ten oder nie sieht (es gibt Be­such aus Süd­ame­ri­ka). Hoff­mann ist Chir­urg, sei­ne Frau An­ne (ge­bo­re­ne Roh­de) Kran­ken­schwe­ster. Sohn Chri­sti­an ist 17 Jah­re alt, Ro­bert zwei­ein­halb Jah­re jün­ger.

Die Vor­be­rei­tun­gen zu die­ser Fei­er, dann die Fei­er­lich­kei­ten sel­ber (man er­in­nert sich an an­de­re Bü­cher, die so be­gin­nen), dem gro­ssen und teu­ren Buf­fet (mit manch sel­te­nen Zu­ta­ten), dem in­ni­gen Haus­kon­zert von Chri­sti­an und Ez­zo und Reg­lin­de (den Kin­dern von Chri­sti­ans On­kel Ni­klas), den »Feh­den« der Blas- und Streich­in­stru­men­ta­li­sten. Fest­re­den mit po­li­tisch ein­deu­ti­gen oder mehr­deu­ti­gen An­spie­lun­gen. Über­haupt das Ge­plau­der, die Dis­pu­te: man kurz nach dem Tod von Leo­nid Bre­sch­new, die Spe­ku­la­tio­nen um den Nach­fol­ger An­dro­pow sind voll im Gan­ge, in Deutsch­land hat­te es Hel­mut Kohl ge­schafft und man hört von der Hoff­nung, der We­sten wür­de end­lich dem »Neu­en« här­ter ent­ge­gen­tre­ten. Die schrof­fe Ab­leh­nung Hoff­manns der west­deut­schen Ost­po­li­tik ge­gen­über, die als Wan­del durch An­bie­de­rung ver­spot­tet wird – und die Ge­gen­po­si­ti­on der Frie­dens­be­weg­ten. Das Zwi­schen-den-Zei­len-Le­sen in den Wurst- und Käseeinwickelpapier[en] na­mens »Säch­si­sche Neue­ste Nach­rich­ten«, »Säch­si­sches Ta­ge­blatt« und, vor al­lem, »Säch­si­sche Zei­tung«.

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