Sieg­fried Un­seld zum 100.

Un­ter­neh­men Un­seld ist das ak­tu­el­le Heft der Zeit­schrift für Ideen­ge­schich­te über­schrie­ben. Es gilt den 100. Ge­burts­tag von Sieg­fried Un­seld zu fei­ern. Da die Kon­vo­lu­te pri­va­ter Kor­re­spon­den­zen in­zwi­schen zwar ar­chi­viert, aber ge­sperrt sind, bleibt der Le­ser glück­li­cher­wei­se mit mo­ra­li­sie­rend ver­pack­ten Schlüs­sel­loch­ge­schich­ten ver­schont und man kon­zen­triert sich im Schwel­gen und Rä­so­nie­ren auf das Le­bens­werk, dem Ver­lag­s­im­pe­ri­um rund ...

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Jub­liäums­tex­te

Am 30. Ju­ni wird der gro­ße Schrift­stel­ler Phil­ip­pe Jac­cot­tet 95 Jah­re alt. Vor fünf Jah­ren ha­be ich für »Glanz und Elend« ei­nen Text ver­fasst, der heu­er leicht an­ge­passt wur­de. Ich ste­he zu je­dem Wort. Hier geht es zum Text »Der Dich­ter als Die­ner des Sicht­ba­ren« Ei­ne Wür­di­gung ei­nes sei­ner Über­set­zer: »Zie­gen am Berg« * * ...

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Tho­mas Bern­hard – Sieg­fried Un­seld: Der Brief­wech­sel (Hrsg.: Rai­mund Fellin­ger, Mar­tin Hu­ber und Ju­lia Ket­te­rer)

Am 22. Ok­to­ber 1961 wen­det sich Tho­mas Bern­hard in ei­nem höf­lich-di­stan­zier­ten Brief an Sieg­fried Un­seld, der wie folgt be­ginnt: Sehr ge­ehr­ter Herr Dr. Un­seld, vor ein paar Ta­gen ha­be ich an Ih­ren Ver­lag ein Pro­sa­ma­nu­skript ge­schickt. Da­mit woll­te ich mit dem Suhr­kamp-Ver­lag in Ver­bin­dung tre­ten. Auf den im Fak­si­mi­le im Buch abge­druckten, mit Schreib­ma­schi­ne ge­tipp­ten Brief kann man er­ken­nen, dass Bern­hard ein Schreib­feh­ler un­ter­lau­fen war. Es steht dort nicht »Suhr­kamp«, son­dern »Suhr­kampf«. Das »f« wur­de hand­schrift­lich durch­ge­stri­chen.

Nach mehr als 800 Sei­ten Kor­re­spon­denz des Brief­wech­sels zwi­schen Tho­mas Bern­hard und sei­nem unzuverlässige[m] Ver­le­ger, dem Frank­fur­ter Un­ge­heu­er und Schau­er­kerl Sieg­fried Un­seld (Dik­tat­zei­chen »dr. u.«), mag der Le­ser nicht mehr an ei­nen Zu­fall glau­ben; al­len­falls an ei­nen Freud­schen Ver­schrei­ber. Viel­leicht ist die­ses »f« un­be­wuss­te Vor­weg­nah­me die­ser un­bän­di­gen Lust an der Pro­vo­ka­ti­on, die Bern­hard in un­kal­ku­lier­ba­ren Schü­ben zu fast cho­le­ri­schen Erup­tionen treibt, die zu Be­ginn noch von sei­ner Lek­to­rin An­ne­lie­se Bol­and be­feu­ert wer­den: »Ein kur­zer Ohls­dor­fer Don­ner als Ant­wort auf den Blitz aus dem Frank­fur­ter Himm­el emp­fiehlt sich«. Sie si­gna­li­siert Bern­hard »ei­gent­lich kann das Match nur zu Ih­ren Gun­sten aus­ge­hen«) und die­ser ent­wickelt schnell ein Ge­spür wie weit er mit sei­nen For­de­run­gen, Kla­gen und Be­schimp­fun­gen ge­hen kann, oh­ne den Bo­gen zu über­span­nen.

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Ul­la Ber­ké­wicz: Üb­er­leb­nis

Ulla Berkéwicz: Überlebnis
Ul­la Ber­ké­wicz: Üb­er­leb­nis

Die ein­zi­ge Angst, die ich jetzt noch ha­be, ist die, zu ver­ges­sen. So be­ginnt die­ses Buch. Jen­seits des Ver­ges­sens ist die Zeit­lo­sig­keit. Und jen­seits der Zeit die Ewig­keit. Aber schon im Er­in­nern, dem Ver­such, nicht zu ver­ges­sen, steckt die Ge­fahr der Ver­schol­len­heit: Ist die Er­in­ne­rung ent­rückt, in den Ge­dächt­nis­kam­mern ein­ge­schlos­sen? Die Er­in­ne­rung an den un­wirk­lich­sten Som­mer zwei­tau­send­zwei. Und der »Preis« für die Er­in­ne­rung: Geht der [Som­mer] im­mer und nie vor­bei?

Trost­lo­sig­keit – Ver­ges­sen ist ein mat­ter, halt­lo­ser Land­strich, der zu nichts führt – und Hoff­nung, dass hin­ter je­nem Land­strich noch ein zwei­ter läuft, wie al­les noch ein Zwei­tes hat, viel­leicht so­gar sein Drit­tes, Vier­tes. Ein and­rer Land­strich in ei­nem and­ren Land, wo das Ver­ges­sen sich sam­melt, kon­zen­triert, be­sinnt.

Ul­la Ber­ké­wicz um­kreist das Ver­ges­sen in die­sem Buch – und na­tür­lich nicht nur das. Es geht ums Ster­ben und den Tod (und da­mit um das Le­ben) und es geht – de­zent und dis­kret – um Lie­be. Aber es ist mehr als ein Lebens‑, Liebes‑, To­des- oder To­ten­buch, mehr als som­nam­bu­le (und dann doch ge­le­gent­lich af­fek­tier­te) Li­ta­nei ei­ner Wit­we, mehr als me­ta­phy­si­sche (Selbst-)Tröstung, mehr als ei­ne Kri­tik an den Ver­hält­nis­sen un­se­rer Kran­ken­häu­ser, mehr als ex­pres­sio­ni­stisch-as­so­zia­ti­ve Kla­ge­re­de (mit Spucke auf ei­nem Stein statt lu­the­ri­schem Tin­ten- oder can­ter­vill­schem Blut­fleck). Ja, es ist al­les das. Und eben mehr. Viel mehr.

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