Heinrich Lohse ist es gewohnt, dass sein Name Respekt und einen gewissen Schauder auslöst. Er ist schließlich Einkaufsdirektor. Als er dann plötzlich pensioniert wird, weil seine Einkaufsmethoden nicht mehr erwünscht sind (aus Gründen der Preisersparnis hatte für die nächsten Jahrzehnte Kopierpapier eingekauft), kratzt dies nur ganz kurz an seinem Ego. Er bietet sich an, seiner Frau »im Haushalt« zu helfen und geht einkaufen. Er betritt das Geschäft – und handelt, wie er es seit Jahrzehnten kennt. Er stellt sich vor: »Mein Name ist Lohse – ich kaufe hier ein.« – Und niemand nimmt Notiz davon.
Netzanonymität
Die Unfähigkeit, zu googlen (2)
Stefan Winterbauer schaut ja ein bisschen traurig auf dem Foto. Er hat auch einen Artikel geschrieben, der traurig ist. Traurig für Journalisten.
Winterbauer schreibt für Meedia, dessen Chef Georg Altrogge bei Stefan Niggemeier für die Berichterstattung über einen vermeintlichen Betrug eines Journalisten stark kritisiert wurde. Altrogge hat nun etwas gemacht, was selten ist, er hat sich in die Diskussion bei Niggemeier eingebracht. So weit, so gut.
Irgendwann verlief die Diskussion jedoch nicht mehr so, wie sich jemand wie Altrogge das offensichtlich vorstellt. Er stellte dann irgendwann die »Grundsatzfrage«, die sehr gerne hervorgeholt wird, wenn die Argumente brüchig werden: nach der Anonymität der Kommentatoren. Er schrieb dem Kommentator »treets« am 31.03.10 um 23.07 Uhr:
»Von Ihnen würde ich mir wünschen, dass Sie bei Stefan Niggemeier wie bei Meedia unter Ihrem Klarnamen kommentieren würden. Wenn einer sich so wie Sie annonym [sic!] derart aus dem Fenster lehnt, ist das leider nur feige.«
Digitale Narzissten
Was sind eigentlich Weblogs? Welche Erwartungen sind mit ihnen verknüpft? Wird mit Weblogs wirklich die Öffentlichkeit demokratisiert? Oder sind diese hohen Erwartungen bereits Makulatur, in dem die Masse der »persönlichen Tagebücher« eher banales, peinliches oder schlichtweg belangloses aufzeigen?
Der Essay von Geert Lovink mit dem Titel Blogging, the nihilist impulse (in deutsch unter dem Titel Digitale Nihilisten bei »Lettre International«, Heft 73, erschienen; Auszüge hier) versucht, diese Fragen zu beantworten. Das Verdienst dieser Untersuchung liegt u. a. darin, dass der Autor um Objektivität bemüht ist; Kassandrarufe über die verlorene Kraft des »Web 2.0« sind ihm ebenso fremd wie die emphatische Ausrufung einer neuen basisdemokratischen Gesellschaftsordnung. Neben Zitate von Experten für digitale Medien gibt es Rekurse u. a. auf Heidegger, Canetti, Baudrillard und (natürlich) Sloterdijk.
Lovink versucht nichts weniger als die Quadratur des Kreises: Den Begriff des Weblogs aus einem Definitions- und Erkennungsgespinst zu entwirren und dann die Zukunft dieses ’neuen Mediums’ vorherzusagen. Dabei ist es ganz klar, dass es durch die Heterogenität des Gegenstandes grobe Verallgemeinerungen gibt und das der Aufsatz gelegentlich ins Schwimmen kommt (in der englischen Sprache scheint sich der Autor besser ausdrücken zu können als im Deutschen). Insofern sollen diese gelegentlich groben Vereinfachungen nicht kritisiert und thematisiert werden; auch diese Betrachtung hier wird aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht alle Verästelungen gleichermassen berücksichtigen können.