Herr Loh­se kauft jetzt ein

Hein­rich Loh­se ist es ge­wohnt, dass sein Na­me Re­spekt und ei­nen ge­wis­sen Schau­der aus­löst. Er ist schließ­lich Ein­kaufs­di­rek­tor. Als er dann plötz­lich pen­sio­niert wird, weil sei­ne Ein­kaufs­me­tho­den nicht mehr er­wünscht sind (aus Grün­den der Preis­er­spar­nis hat­te für die näch­sten Jahr­zehn­te Ko­pier­pa­pier ein­ge­kauft), kratzt dies nur ganz kurz an sei­nem Ego. Er bie­tet sich an, sei­ner Frau »im Haus­halt« zu hel­fen und geht ein­kau­fen. Er be­tritt das Ge­schäft – und han­delt, wie er es seit Jahr­zehn­ten kennt. Er stellt sich vor: »Mein Na­me ist Loh­se – ich kau­fe hier ein.« – Und nie­mand nimmt No­tiz da­von.


Die klei­ne Sze­ne aus Lo­ri­ots Ko­mö­die »Pa­pa an­te por­tas« von 1991 kommt mir im­mer wie­der in den Sinn, wenn ich Jour­na­li­sten über die An­ony­mi­tät des In­ter­nets kla­gen hö­ren. Vor­ge­stern ver­faß­te Mi­cha­el Spreng auf sei­nem Blog ei­nen Bei­trag, der ei­nen gro­ßen Pro­test­sturm bei sei­nem Kom­men­ta­to­ren aus­lö­ste. Spreng ist kein Un­be­kann­ter. Er ist Jour­na­list, war Chef­re­dak­teur bei »Bild am Sonn­tag«, in lei­ten­der Stel­lung bei di­ver­sen an­de­ren (Boulevard)Zeitungen, Wahl­kampf­be­ra­ter von Ed­mund Stoi­ber und Jür­gen Rütt­gers. Heu­te fir­miert Spreng als »Po­li­tik­be­ra­ter« und ist durch­aus in der ein oder an­de­ren TV-Po­li­tik-Talk­show zu se­hen. Seit ei­ni­gen Jah­ren be­treibt er sei­nen Web­log »Spreng­satz«. Auch wenn man nicht im­mer sei­ner Mei­nung ist und sich ei­ni­ge sei­ner Ana­ly­sen spä­ter als vor­ei­lig oder falsch her­aus­stel­len – Sprengs Ar­ti­kel sind fast im­mer le­sens­wert, sei­ne Ar­gu­men­ta­ti­on strin­gent. Vie­len sei­ner Bei­trä­ge merkt man die Lust am Quer­den­ken und Frei­for­mu­lie­ren jen­seits jeg­li­cher Kon­ven­tio­nen ei­nes ein­engen­den Me­di­en­ap­pa­ra­tes an.

In sei­nem Bei­trag »Die Jä­ger müs­sen sich stel­len« meint Spreng, die »Pla­giat­jä­ger« um die In­ter­net­platt­form »Vro­ni­Plag« müss­ten aus ih­rer An­ony­mi­tät her­aus. Sie soll­ten, nein: müss­ten »mit of­fe­nem Vi­sier« agie­ren. Spreng be­lässt es nicht mit der For­de­rung, son­dern macht sich die For­mu­lie­rung des FDP-Ab­ge­ord­ne­ten Alex­an­der Al­va­ro zu ei­gen. Er spricht von »De­nun­zi­an­ten­tum«, wel­ches im In­ter­net blü­he und po­stu­liert: »An­ony­mi­tät aber ist grund­sätz­lich fei­ge, wenn die Ent­hül­lung Po­li­ti­ker be­trifft, und schänd­lich, wenn es um Pri­vat­per­so­nen geht.« Da­bei ver­mischt Spreng Er­fah­run­gen mit »an­ony­men« Kom­men­ta­to­ren auf sei­nem Blog mit den Ak­ti­vi­tä­ten der so­ge­nann­ten »Pla­giat­jä­ger«. Er macht aus Ve­ro­ni­ca Saß ei­ne »Pri­vat­per­son« und sug­ge­riert, »Vro­ni­Plag« wür­de Frau Saß als Per­son an­grei­fen, wenn man ih­re Dok­tor­ar­beit durch­leuch­te.

Die star­ke Ab­leh­nung in den Kom­men­ta­ren verlan­lass­te Spreng zu ei­ner poin­tier­te­ren Klar­stel­lung: »Schwarm-In­tel­li­genz und Schwarm-Feig­heit«, in der er sei­nen ei­ge­nen bio­gra­fisch-jour­na­li­sti­schen Hin­ter­grund als Be­grün­dung für die The­se her­an­zieht, je­mand der sei­ne Mei­nung of­fen sa­ge ha­be in der heu­ti­gen Zeit in Deutsch­land nichts zu be­fürch­ten. Spreng be­kräf­tig­te in pa­the­ti­schem Ton sei­ne Sicht: »Das In­ter­net hat Gu­tes und Bö­ses ge­schaf­fen, hat der Mei­nungs­frei­heit neu­en und un­ge­ahn­ten Raum ge­ge­ben, aber auch der De­nun­zia­ti­on und Selbst­ent­blö­ßung Tür und Tor ge­öff­net.«

Spie­len mit dem ar­chai­schen Be­griff des »Jä­gers«

In den zum Teil sehr klu­gen Kom­men­ta­ren auf die bei­den Ar­ti­kel ha­ben vie­le Le­ser die­se The­sen se­ziert. Da­bei ist es merk­wür­dig, wie ein Jour­na­li­sten­pro­fi wie Spreng der­ar­ti­ge Ka­te­go­rien­ver­wechs­lun­gen un­ter­lau­fen kön­nen.

Zu­nächst ein­mal ist der Be­griff des »Pla­giat­jä­gers« schon pe­jo­ra­tiv. Mit dem ar­chai­schen Be­griff des Jä­gers wird der Ge­gen­satz zwi­schen dem hilf­lo­sen Tier und dem tech­nisch und lo­gi­stisch über­le­ge­nen Men­schen sug­ge­riert wer­den. Das Wild, dass der Jä­ger schießt, hat kei­ne Chan­ce. Es wird »er­legt«. Auch wenn es ein Vor­ur­teil ist: Der Jä­ger ist heu­te noch ne­ga­tiv be­leu­mun­det. Die­se Form des ze­re­mo­ni­el­len und gleich­zei­tig akri­bi­schen Tö­tens ist ver­pönt und stößt ab. Wer den Be­griff des Jä­gers im Zu­sam­men­hang mit Pla­gi­at­su­chern oder ‑for­schern ver­wen­det, spielt mit die­sen Bil­dern des ri­tua­li­ser­ten Er­le­gens. Er stellt die Pla­gia­to­ren als hilf­lo­se Op­fer dar. Da­mit wird der er­ste Schritt zur Um­keh­rung von Ur­sa­che und Wir­kung vor­ge­nom­men.

Als wür­den die Pla­gi­at­su­cher ih­re Fund­stücke in Hin­ter­zim­mern zu­sam­men­ba­steln, und dann als pau­scha­le An­schul­di­gung den Me­di­en zum Fraß vor­wer­fen. Das Ge­gen­teil ist der Fall. Spreng blen­det aus, dass in die­sem Pro­zess al­lei­ne die Fak­ten zäh­len – und die­se sind trans­pa­rent auf der Web­sei­te hin­ter­legt. Je­der kann sie se­hen, er­gän­zen und Feh­ler kor­ri­gie­ren. Der Na­me der Su­chen­den (und Fin­der) be­ein­flusst die Qua­li­tät der Re­sul­ta­te in kei­nem Fall.

Spreng spricht von der »Seu­che der An­ony­mi­tät«, die im In­ter­net gras­sie­re. Re­gel­mä­ssig wer­den da­bei die Pö­bel­kom­men­ta­re in On­line-Fo­ren zi­tiert. Auch Spreng re­kur­riert hier­auf. Aber die­se Ver­mi­schung von Ka­te­go­rien ist im Fall der Pla­gi­at­su­cher un­zu­läs­sig. We­der han­delt es sich um »Mei­nun­gen«, noch wird da­mit je­mand »be­lei­digt«. Statt­des­sen sind es Vor­schlä­ge, die nur ein Ziel ha­ben: das Fak­tum. Die In­stanz, die die­se her­bei­ge­tra­ge­nen Vor­schlä­ge be­wer­tet, sind die je­wei­li­gen Uni­ver­si­tä­ten, die die Dok­tor­ar­bei­ten neu zu be­wer­ten ha­ben. Schlimm ge­nug, dass hoch be­zahl­te Pro­fes­so­ren ih­ren Job nicht so aus­füh­ren, wie sie es soll­ten. Hier­über ver­liert Spreng kein Wort.

Wel­chen Sinn hät­te im Fall der Pla­gi­at­su­cher ei­ne De-An­ony­mi­sie­rung? »Bild« und an­de­re Or­ga­ne hät­ten ih­re Sün­den­böcke, die sie gei­ßeln könn­ten. Ein Kom­men­ta­tor auf Sprengs Blog malt sich aus, wie der In­itia­tor von Gut­ten­Plag von »Bild« »be­han­delt« wor­den wä­re. Die er­sten Stel­lung­nah­men der Me­di­en (auch der so­ge­nann­ten Qua­li­täts­me­di­en) zeigt dies. Als An­dre­as Fi­scher-Le­sca­no den Stein ins Rol­len brach­te, wur­de er zum »Bre­mer Ju­ra­pro­fes­sor«, den »nie­mand kennt«. Schließ­lich versucht(e) man, ihn sel­ber un­or­tho­do­xer Zi­tier­re­geln zu be­schul­di­gen.

Spreng ist nicht der ein­zi­ge, der ver­sucht, die Pseud­ony­mi­sie­rung und An­ony­mi­sie­rung, die sich im Dis­kurs­raum des In­ter­nets eta­bliert hat, an­zu­grei­fen. Das An­sin­nen ist zu­meist durch­schau­bar: Die Gate­kee­per-Funk­ti­on von Jour­na­li­sten wird durch die »Ak­ti­vi­sten« nicht nur be­fragt, son­dern zu­neh­mend über­flüs­sig ge­macht. Statt ih­re ei­ge­nen jour­na­li­sti­schen Stan­dards zu be­fra­gen, dif­fa­mie­ren sie nun pau­schal die An­ony­mi­tät, oh­ne die Grün­de hier­für auch nur an­satz­wei­se ver­ste­hen zu wol­len. Hier­für die­nen dann die lä­cher­li­chen und dif­fa­mie­ren­den Kom­men­ta­re di­ver­ser Fo­ren und Blogs als »Be­weis«. Das ist in et­wa so, als wol­le man für die Ein­füh­rung ei­ner Pres­se­zen­sur in Deutsch­land die »Bild«-Zeitung als Be­leg auf­füh­ren.

Der Göt­ze Au­then­ti­zi­tät und die Re­cher­che-Hier­ar­chie

Die Ver­göt­zung der »Au­then­ti­zi­tät« in den Me­di­en führt zu im­mer skur­ri­le­ren Zü­gen. Bei Be­fra­gun­gen in Fuß­gän­ger­zo­nen wird der Na­me ein­ge­blen­det, als sei da­mit der Aus­sa­ge (meist nur ein Satz) ei­ne be­son­de­re Kraft ver­lie­hen wor­den. Tat­säch­lich dient der Na­men­fe­ti­schis­mus im­mer auch ei­ner Hier­ar­chie. Es ist da­bei we­ni­ger ent­schei­dend, was ge­sagt wird, son­dern wer es sagt. Den Jour­na­li­sten hilft dies bei der Be­wer­tung der un­auf­hö­rig auf sie ein­strö­men­den Er­eig­nis­se und Nach­rich­ten. Es ent­la­stet sie von der oft als lä­stig emp­fun­de­nen Selbst-Re­cher­che. Dies führt zum Lob­by-Jour­na­lis­mus, der ein­fach nur noch die Stel­lung­nah­men der ein­zel­nen In­ter­es­sen­grup­pen wie­der­gibt. Je klang­vol­ler der Na­me, je grö­sser die Wahr­schein­lich­keit der Stim­mig­keit – so die Hoff­nung.

Wenn man die­sem Rang­ord­nungs­den­ken ent­zieht, ver­lie­ren die Jour­na­li­sten den Bo­den un­ter den Fü­ßen und zei­gen ei­ne Skep­sis, die ih­nen an an­de­rer Stel­le gut zu Ge­sicht ste­hen wür­de. So schreibt der Lei­ter von ARD-ak­tu­ell, Dr. Kai Gniff­ke, am 12.04.2011 zu den »VroniPlag«-Recherchen über die Dok­tor­ar­beit von Sil­va­na Koch-Mehrin im »ta­ges­chau-Blog«: »Frau Koch-Mehrin soll bei ih­rer Dok­tor­ar­beit ab­ge­kup­fert ha­ben. Ent­spre­chen­de Hin­wei­se fin­den sich auf Vro­ni­Plag Wi­ki. Al­les was ich dort le­se, klingt sehr plau­si­bel, lässt sich aber auf die Schnel­le nicht fun­diert ge­gen­checken.« Gniff­ke ver­zich­tet da­her auf ei­ne Mel­dung in der Ta­ges­schau am 12.04. Aber auch als sich die Vor­wür­fe er­här­ten und an­de­re Me­di­en hier­von be­rich­ten, bleibt die »Ta­ges­schau« stumm (die Web­sei­te »tagesschau.de« be­rich­tet ge­le­gent­lich). Die Selbst-Re­cher­che nimmt Gniff­ke nicht vor – wie soll­te er auch: bei an­de­ren Mel­dun­gen re­cher­chiert er auch nicht sel­ber, son­dern ver­traut auf das Ma­te­ri­al, was ihm vor­liegt. An­dern­falls hät­te er – streng ge­nom­men – den Tod Bin La­dens nicht mel­den dür­fen. Denn er konn­te auch Oba­mas Aus­sa­gen nicht »auf die Schnel­le fun­diert ge­gen­checken«.

Wer mit »of­fe­nem Vi­sier« agiert, lie­fert un­ter Um­stän­den Schwach­stel­len – im per­sön­li­chen Be­reich oder be­ruf­lich. Der Bou­le­vard wür­de sich mit Won­ne auf sie stür­zen. Wenn es den Jour­na­li­sten dient, sind sie merk­wür­di­ger­wei­se we­ni­ger se­lek­tiv, wenn es um an­ony­me Hin­wei­se geht. Und in TV-Ma­ga­zi­nen wer­den dem Zu­schau­er re­gel­mä­ßig »Kron­zeu­gen« vor­ge­stellt, die un­kennt­lich ge­macht wer­den, um sie vor Re­pres­sa­li­en zu schüt­zen. Auf die Idee, dass auch ei­ni­ge Pla­gi­at­su­cher mit sol­chen Schwie­rig­kei­ten zu rech­nen ha­ben, kom­men Spreng et. al. nicht. Wie auch, denn sie haben/hatten im­mer Rechts­ab­tei­lun­gen im Hin­ter­grund, die sie vor Kla­gen schüt­zen konn­ten.

Ich bin kein gro­ßer An­hän­ger der Ha­ber­masschen Dis­kurs­theo­rie. Aber man be­kommt durch die­se Form der »Pla­gi­at-Wi­kis« dem Ide­al­zu­stand des mit­ein­an­der Rin­gens um Pro­blem­lö­sun­gen in ei­nem »herr­schafts­frei­en Dis­kurs« manch­mal sehr na­he. Plötz­lich zählt nicht mehr, wer et­was ge­sagt hat. Son­dern nur noch was. Jeg­li­cher Dün­kel ist ab­ge­legt.

Es gibt in den Kom­men­ta­ren zu Sprengs Bei­trä­gen noch vie­le an­de­re, sehr gu­te Ar­gu­men­te (und ei­ni­ge we­ni­ge Le­ser, die Spreng zu­stim­men). Und was er über Pö­bel­kom­men­ta­re und Trol­le in den In­ter­net­fo­ren sagt, ist rich­tig. Je­der Blog­be­trei­ber kann sol­che »Mei­nungs­äu­ße­run­gen« ent­fer­nen (ab­ge­se­hen da­von soll­te man sich ein­mal fra­gen, wel­ches – bös­ar­ti­ge! – Po­ten­ti­al da ei­gent­lich »schlum­mert«). Aber man kann und darf – wie im »rich­ti­gen Le­ben« nicht al­le über ei­nen Kamm sche­ren. Mei­nungs­frei­heit hat Gren­zen – aber die wer­den nicht dar­in de­fi­niert, ob man sei­nen Na­men ge­nannt hat.

8 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Ich stim­me Ih­nen zu. Sprengs Tex­te ha­ben mich et­was rat­los zu­rück­ge­las­sen. Sie schaf­fen es, die Be­grif­fe sau­be­rer zu tren­nen.
    Ich kann al­ler­dings der Ent-An­ony­mi­sie­rung, z. B. bei der Sei­te der Ba­di­schen Zei­tung, et­was ab­ge­win­nen. Da ja die Dis­kus­si­ons­fo­ren von Zei­tungs­web­sites mit der Zei­tung selbst ver­knüpft wer­den, kann ich das Be­düf­nis nach Klar­na­men ver­ste­hen. An­geb­lich hat das auch über­ra­schend »zäh­men­de« Wir­kung. Le­ser­brie­fe wer­den ja auch nicht an­onym ab­ge­druckt und ein Fo­rum ist auf ei­ner Zei­tungs­web­site ei­ne Art Le­ser­brief.
    Dies al­les hat aber mit den Dok­tor­ar­beits­über­prü­fern nichts zu tun, da ge­be ich Ih­nen recht.
    Weil ich es erst heu­te mor­gen an­ge­hört ha­be und weil es schön zu Ih­rem Text paßt, hier noch ein Link:
    http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/1459261/

  2. Jetzt ha­be ich doch mei­nen Haupt­ge­dan­ken glatt ver­ges­sen nie­der­zu­schrei­ben:
    Ob an­onym oder nicht (ich selbst kom­men­tie­re hier ja auch nicht mit Klar­na­men), hängt in gro­ßem Ma­ße da­von ab, wo kom­men­tiert und dis­ku­tiert wird. Ge­ra­de bei gro­ßen Fo­ren, die schwer zu mo­de­rie­ren sind, könn­ten Klar­na­men zu sach­li­che­rem Stil füh­ren. (Ich den­ke hier­bei zum Bei­spiel an die Fo­ren auf Spie­gel-on­line, die zu min­de­stens der Hälf­te Un­sinn ent­hal­ten – ganz be­son­ders dicke wird es er­fah­rungs­ge­mäß stets, wenn die Au­ßen­po­li­tik der USA – jüng­stes Bei­spiel: Bin La­den – oder Is­ra­el zum The­ma ge­macht wer­den. Hier könn­te ein Klar­na­men­zwang, wie in obi­gem ver­link­ten Be­richt ge­schil­dert, Gu­tes tun.)
    Al­so: So­wohl An­ony­mi­tät als auch Klar­na­men­zwang ha­ben ih­re Vor­zü­ge. We­der das ei­ne noch das an­de­re ist von vor­ne­her­ein ab­zu­leh­nen.

  3. Klar­na­men­zwang
    An­fang der 00er Jah­re gab es ein deut­sches, auf Ni­veau be­dach­tes On­line-Fo­rum mit dem Na­men »Nensch«. Dort galt Klar­na­men­pflicht; ge­le­gent­lich wur­de das auch über­prüft. Nach der An­mel­dung konn­te man Bei­trä­ge zu un­ter­schied­li­chen The­men ver­fas­sen, über die dann in der »Com­mu­ni­ty« ab­ge­stimmt wur­de. Es gab auch ei­nen »Tagebuch«-Bereich, in dem man da­von un­ab­hän­gig al­les po­sten konn­te. Mo­de­ra­ti­on gab es so gut wie kei­ne; mit ei­nem Kom­men­tar­be­wer­tungs­sy­stem woll­te man Pö­bel­kom­men­ta­re aus­son­dern – das mach­ten aber die Teil­neh­mer. Das Fo­rum war sehr in­ter­es­sant. Wie dem aber im­mer so ist, gab es auch ei­ni­ge Leu­te mit exo­ti­schen An­sich­ten. Oder ein­fach nur un­be­hol­fe­ne­ren For­mu­lie­run­gen. Auf der an­de­ren Sei­te gab es Cli­quen und Seil­schaf­ten, die sich über die­se Leu­te auf an­de­ren Fo­ren, so­ge­nann­ten Schat­ten­fo­ren, lu­stig mach­ten. Na­tür­lich auch un­ter Aus­nut­zung und/oder Ver­ball­hor­nung des rea­len Na­mens.

    Vie­le Leu­te schreck­te das ab. Mehr als rd. 50 län­ge­re Zeit ak­ti­ve User hat­te das Fo­rum so gut wie nie. In den Schat­ten­fo­ren ver­al­bert zu wer­den war nicht un­be­dingt ein Plus, um mit­zu­ma­chen. Das Fo­rum brach dann aus­ein­an­der; die Grün­de wa­ren viel­fäl­tig.

    Zu Le­ser­brief­pro­ble­ma­tik: An­läß­lich der Un­ru­hen in So­we­to im da­ma­li­gen Apart­heid-Staat Süd­afri­ka hat­te ich ei­nen flam­men­den Le­ser­brief an die »Rhei­ni­sche Post« ge­schrie­ben. Man rief mich an, um die Iden­ti­tät zu über­prü­fen. Dann wur­de er Le­ser­brief ab­ge­druckt – mit Na­men und voll­stän­di­ger Adres­se. Die Re­so­nanz war enorm – teil­wei­se der­art, dass ich das län­ge­re Zeit nicht mehr ge­macht ha­be.

  4. Da­zu gä­be es viel zu sa­gen...
    Wir tei­len ja die Er­fah­rung, dass Klar­na­men kei­nes­wegs vor Be­lei­di­gun­gen, Pö­be­lei­en und Miss­ver­ständ­nis­sen schüt­zen; und dass ein Pseud­onym hin­ter dem ei­ne Per­son sicht­bar wird, ge­nau das­sel­be lei­stet, es muss le­dig­lich im­mer be­nutzt wer­den.

    Zu­erst soll­te man viel­leicht fol­gen­de Dif­fe­ren­zie­rung vor­neh­men: Je­mand der von Be­rufs­we­gen schreibt oder zu­min­dest ge­le­gent­lich Au­tor ist, pro­fi­tiert da­von, dass sein Na­me un­ter sei­nen Ar­ti­keln steht. Ein Le­ser der bloß kom­men­tiert, zu­min­dest in kei­nem be­ruf­li­chen Sinn. Im Ge­gen­teil, wenn sei­ne po­li­ti­schen An­sich­ten, Mei­nun­gen, usw., im Netz ver­blei­ben, kann man ihn re­la­tiv ein­fach »aus­for­schen« (nicht nur was, son­dern auch wann er schreibt), ein Pseud­onym hat al­so pri­mär Schutz­funk­ti­on (und das ist nun wirk­lich nichts Neu­es).

    Lei­der ist An­ony­mi­tät ei­ne In­ter­net-Seu­che, die ich auch bei den Kom­men­ta­ren mei­nes Blogs er­le­ben muss.

    Da­für kann ich kaum Ver­ständ­nis auf­brin­gen, zu­mal ei­ne Aus­ein­an­der­set­zung beim Ein­kau­fen oder auf der Stra­ße, auch an­onym bleibt; au­ßer­dem kann je­der sei­ne Platt­form ent­spre­chend ge­stal­ten, das ist tech­nisch kein Pro­blem.

    Denn ich ich se­he mei­nen Blog le­dig­lich als ver­län­ger­te Werk­bank mei­ner jour­na­li­sti­schen Lust am Schrei­ben, Ana­ly­sie­ren und Kom­men­tie­ren.

    Das sind ganz an­de­re In­ten­tio­nen, als sie ein Leser/Kommentator hat – Höf­lich­keit und Ar­gu­ment, das sind m.E. die bei­den Grund­be­din­gun­gen. Mei­nungs­frei­heit be­deu­tet auch, et­was sa­gen zu kön­nen, ob­wohl es ne­ga­ti­ve Kon­se­quen­zen für ei­nen ha­ben kann; das ist Schutz vor Macht, die an­de­re ha­ben, Schutz des Schwä­che­ren, der sein Recht ein­for­dern darf.

  5. Ja, Spreng be­treibt lau­fend Ka­te­go­rien­ver­wechs­lun­gen. Ich glau­be, dass das ei­ne Form der Be­triebs­blind­heit ist. Die The­se vie­ler Kom­men­ta­to­ren, er ver­stün­de das Netz nicht, ist nur halb falsch: Er ver­steht es ver­mut­lich da­hin­ge­hend nicht, weil er die Re­pres­si­ons­mög­lich­kei­ten, die Au­ßen­ste­hen­den im All­tag aus­ge­setzt sind, nicht wahr­nimmt. Das ist in et­wa so wie ein Che­mie­la­bo­rant, der vor ät­zen­den Che­mi­ka­li­en na­tür­lich kei­ne Angst mehr hat, weil er für den Um­gang mit ih­nen ent­spre­chend aus­ge­stat­tet ist. Er be­klagt ei­ner­seits, dass ei­ne Kas­sie­rin, die Leer­gut­bons in Hö­he von EUR 1,30 »ver­un­treut«, ent­las­sen wer­den kann (das wur­de dann spä­ter kor­ri­giert) – und ver­langt dann, für das Fin­den von Tat­sa­chen (Pla­gia­te ei­ner Dok­tor­ar­beit) den »Kopf« hin­zu­hal­ten.

    Da­bei glau­be ich, dass Spreng das ein­fach ehr­lich meint – vie­le an­de­re je­doch nicht. Sie be­nut­zen es als Dif­fa­mie­rungs­phra­se.

  6. Ich woll­te nicht sa­gen oder an­deu­ten, dass er es nicht ehr­lich meint. Es ist al­ler­dings über­deut­lich, dass er irrt. Viel­leicht ist es Be­triebs­blind­heit, viel­leicht die Prä­gung durch sei­ne Bio­gra­phie (wie er ja selbst »an­deu­tet«). Aber nur weil es star­ke Men­schen gibt, die et­was aus­hal­ten, heißt das nicht, dass es al­le an­de­ren auch sein kön­nen oder müs­sen.

  7. Ja, ich hab’ das schon ver­stan­den. Na­tür­lich ist er ge­wis­ser­ma­ßen »be­triebs­blind« – zu­mal in sei­ner frü­he­ren Tä­tig­keit als Sprin­ger-Jour­na­list stand er oft ge­nug auf der an­de­ren Sei­te...

  8. »Da­bei glau­be ich, dass Spreng das ein­fach ehr­lich meint -«

    Das glau­be ich eben­falls, und das trotz (oder we­gen) sei­ner Ver­gan­gen­heit. Viel­leicht möch­te (muss) er was gut­ma­chen?

    [EDIT: Aus Grün­den der Über­sicht­lich­keit wur­de die Kom­men­tar­zeit um 5 Std. nach hin­ten ver­legt.]