Die Frage nach der Wahrheit kennzeichnet die Wissenschaft, die nach der Richtigkeit die Politik. Eine neue Steuergesetzgebung ist ebenso wenig wahr, wie Maßnahmen zum Erhalt der Gesundheit. Sie sind Vorhaben oder Ergebnis bestimmter Organisationsformen menschlicher Gemeinschaft und durch diese begründet. Ohne diese, wären sie nicht und sie könnten in diesen auch anders sein. Sie erfüllen ihren Sinn und Zweck, sind einem Ziel oder einer Sache angemessen, zutreffend, richtig eben. Und natürlich auch moralisch wie rechtlich zu bewerten und in praktischer Hinsicht folgenreich. Naturgesetzlichkeit ist der Politik fremd und wer diese in sie hineinträgt, beginnt ein autoritäres Spiel. Das bedeutet nicht, dass die Politik sich nicht um die Ergebnisse der Wissenschaft zu kümmern hätte, aber sehr wohl, dass erstere die Verantwortung trägt, Abwägungen und Entscheidungen trifft, nicht letztere. Die mediale Überpräsenz von Wissenschaftlern in einer Krise ist ein Zeichen für die Entscheidungsschwäche der Politik. Die Aufgabe der Politik aber ist es, zu führen, zu formulieren wie wir ein Problem lösen wollen und ihre diesbezüglichen Versprechen auf die nahe oder ferne Zukunft hin, werden gewiss plausibler, wenn Erkanntes in deren Bedingungen und damit: die ihres Handelns, eingeht.
Kritik
Der grüne »Geist«. Zur vergangenen Nationalratswahl und der Kritik einer Partei.
Auf dem Weg zur Arbeit erhält ein Bekannter auf eine flapsige Bemerkung hin von einem Kollegen die Antwort, dass er in ein Genderseminar gehöre; die Bemerkung ist ernst gemeint und kommt von einem intelligenten Menschen. Einige Zeit später spricht der Bundespräsident der Republik Österreich, Alexander van der Bellen, vor Schülern zum Thema »Kopftuch«: Der Bundespräsident legt das Problem nicht etwa analytisch vor den Schülern dar, er moralisiert und vermeidet gerade diejenigen, die Urteil, Gründe und Begründung vielfach suchen, darin zu unterstützen und betrügt sie damit um die Komplexität und die mit dieser Thematik zusammenhängenden Fragen. Beide Haltungen haben mit den Grünen zu tun, einmal gehört sie zu einem ihrer Wähler, einmal zu einem ihrer bekanntesten Exponenten1.
Der als eine Art abhängig-unabhängiger Kandidat antrat und viele Jahre Bundessprecher der Grünen war ↩
Kritik aus »dem Inneren«: Walter van Rossum
Kritik an Medien und am Journalismus kommt zur Zeit mehrheitlich, wenn auch nicht ausschließlich von außen, den Sehern, den Lesern, den Rezipienten. Um so schwerwiegender ist es, wenn ein Journalist dem Betrieb eine geradezu vernichtende Kritik ausstellt und damit die Kritiker von außerhalb bestätigt und bestärkt: Der freie Autor und Medienkritiker Walter van Rossum ist manchmal etwas grob, was wohl seinem Ärger geschuldet ist, er klagt, ist gleichzeitig aber desillusioniert, bisweilen schimpft er fast; umso erstaunlicher ist sein Fazit: »Aber ich glaube alles in allem nicht, dass das System der alten Öffentlichkeit rehabilitierbar ist, ich halte es nicht einmal für wünschenswert. Irgendwie durchlebt die Gesellschaft gerade einen medienkritischen Crashkurs – was nach Jahren der medienkritischen Öde auch dringend nötig war. Dabei haben wir schon eines gelernt, was ich für großartig halte, nämlich das mediale Improvisieren. Wir basteln uns gerade – jeder auf seine Art – die Informationen zusammen, die wir brauchen. Und darin steckt in meinen Augen schon so etwas wie eine Skizze der medialen Zukunft. Ich finde die Chancen aufregender als die Klage über die Verluste.«
Tag der offenen Tür?
Udo Stiehl schlägt vor den »Lügenpresserufern« den Alltag in den Redaktionen zu zeigen um auf diesem Weg ihrer Kritik zu begegnen; das klingt ein wenig nach Verzweiflung, könnte aber ein Ansatz sein, wenn man ihn unter den richtigen Vorzeichen begeht. Einmal unterstellt, dass es nicht nur »Lügenpresserufer« gibt, und Herr Stiehl das auch so sieht, ...