Rai­nald Goetz: wrong

Mit den drei Stücken Reich des To­des, Ba­racke und La­pi­da­ri­um, die im so­eben er­schie­ne­nen Band La­pi­da­ri­um ver­sam­melt sind und der par­al­lel da­zu pu­bli­zier­ten Text­samm­lung wrong be­en­det der Schrift­stel­ler Rai­nald Goetz sei­ne sechs­tei­li­ge Schlucht-Rei­he, je­nen 2007 be­gon­ne­nen »Ver­such der Er­kun­dung der Dun­kel­zeit der Nuller­jah­re«, be­stehend aus »Kla­ge, Ta­ge­buch­es­say; los­la­bern, Be­richt; Jo­hann Hol­trop, Ab­riß der Ge­sell­schaft, Ro­man; ...

Wei­ter­le­sen ...

Wie Ge­bets­fah­nen

Am 6. Sep­tem­ber 2009 schrieb Iris Ra­disch in der Zeit zum Buch »Atem­schau­kel« von Her­ta Mül­ler: »Es ist wie ver­hext: Je­der Ver­such ei­ner poe­ti­schen Über­hö­hung und In­ten­si­vie­rung – so be­tö­rend er in den frü­he­ren Mül­­ler-Ro­­ma­­nen aus­ge­fal­len sein mag – wirkt hier ab­ge­schmackt und for­mel­haft.« Ra­disch nann­te Mül­lers Buch »par­fü­miert und ku­lis­sen­haft«. Als we­nig spä­ter Mül­ler ...

Wei­ter­le­sen ...

Rai­nald Goetz: Jo­hann Hol­trop

Rainald Goetz: Johann Holtrop
Rai­nald Goetz: Jo­hann Hol­trop

»Auf al­len Ka­nä­len volks­psy­cho­lo­gi­sches Ge­fa­sel über die Gier« – so lau­tet ein No­tat von Pe­ter Slo­ter­di­jk am 18. Ok­to­ber 2008, ver­öf­fent­licht in »Zei­len und Ta­ge«. Wei­ter heißt es: »Kein Mensch will be­grei­fen, daß nicht die Gier an der Macht ist, son­dern der Feh­ler…« Auch Rai­nald Goetz’ Er­zäh­ler in »Jo­hann Hol­trop« schreibt über die Gier, die die Welt steue­re, ei­ne Gier, sich dau­ernd ir­gend­ei­nen Vor­teil für sich zu ver­schaf­fen, am lieb­sten na­tür­lich in Form von Geld, ge­nau dar­in aber, in ih­rem Kal­kül auf Ei­gen­nutz, um­ge­kehrt sel­ber kal­ku­lier­bar, aus­re­chen­bar und aus­beut­bar zu­letzt, das war die Ba­sis der ab­strak­ten Geld­ma­schi­ne, die hier re­si­dier­te. »Hier« ist der fik­ti­ve Ort Kr­öl­pa, Sitz der »As­s­perg AG«, ei­nes welt­weit agie­ren­den Me­di­en­kon­zer­nes de­ren Vorstands­vorsitzender Dr. Jo­hann Hol­trop ist. Welch ein Wort­spiel zu Be­ginn (ei­nes von vie­len): »As­s­perg« er­in­nert an das Asper­ger-Syn­drom, wo­mit das Mi­lieu wohl durch­gän­gig cha­rak­te­ri­siert wer­den soll (ich kom­me spä­ter noch hier­auf zu­rück). Und dann zucken die Par­al­le­len (auch dort, wo es sie ab­sichts­voll nicht gibt): »As­s­perg« hat ei­ni­ges von Ber­tels­mann und ei­ni­ges nicht; Hol­trop er­in­nert an Mid­del­hoff und auch wie­der nicht, Ka­te As­s­perg und der »Al­te« an Liz und Rein­hard Mohn. Ei­ni­ges stimmt, an­de­res nicht; ir­gend­wann be­ginnt man die Par­al­le­len nicht mehr zu su­chen, weil es egal ist, ob Ga­brie­le Heint­zen nun Made­lei­ne Schicke­danz ist, Hol­trops Ver­mö­gens­be­ra­ter Mack an Jo­sef Esch er­in­nert, die Fi­gur Binz an Leo Kirch und mit dem Gosch-Im­pe­ri­um der Sprin­ger Ver­lag ge­meint ist. Die Fi­gu­ren und Or­ga­ni­sa­tio­nen wer­den ge­konnt bis zur Un­kennt­lich­keit ste­reo­ty­pi­siert. Mit dem Spiel mit der Rea­li­tät, dem Ge­we­se­nen, schafft man im­mer­hin se­mi-ehr­gei­zi­gen Germanist(inn)en ei­ne Spiel­wie­se und da passt es ganz gut, dass es zwei Li­sten gibt, die hier be­hilf­lich sind: ei­ne Fi­gu­ren­li­ste und ei­ne Über­sicht »Schau­platz und Ge­sche­hen»1 (»hol­tropp­lag« zur Be­gut­ach­tung der Dok­tor­ar­beit Hol­trops fehlt viel­leicht noch.)

Die Ge­schich­te der Nuller­jah­re will Rai­nald Goetz hier (fort)schreiben; das Über­buch heißt »Schlucht«; der Werk­kon­text ist ganz vor­ne im Buch ab­ge­druckt. »Ab­riss ei­ner Gesell­schaft« lau­tet der mehr­deu­ti­ge Un­ter­ti­tel zum Hol­trop-Buch, ziem­lich frei und doch auch er­in­nernd an »Ver­fall ei­ner Fa­mi­lie«. Am­bi­tio­niert al­so.

Wei­ter­le­sen ...


  1. Beide Links zu den Listen sind per 06.08.2015 nicht mehr abrufbar. 

Rai­nald Goetz: los­la­bern

Rainald Goetz: loslabern
Rai­nald Goetz: los­la­bern

LOSLABERN: Trak­tat, Trak­tat über den Tod, über Wahn, Sex und Text, und, er­hei­tert von die­sem so­eben durch ihn hindurch­gefahrenen Ex­pres­si­vi­täts­er­eig­nis: Be­richt!, der Herbst 2008!... Ei­ne gro­sse (groß­spu­ri­ge?) Er­öff­nung. Dann: »los­la­bern« als ethi­scher Akt. Als neue Dis­kurs­form im Ha­ber­ma­si­en der Nuller­jah­re? Und na­tür­lich auch gleich die »pas­sen­de« li­te­ra­tur­hi­sto­ri­sche Selbst­ein­stu­fung: Ein rich­tig los­ge­la­ber­ter Text wür­de sei­ne, dass man aber dann, oh­ne sich da­bei zu un­ter; Fin­ster­nis: Steu­er, Er­wach­se­nen­le­ben, Ver­ant­wor­tung, Ein­sicht, Ver­nunft; ENDHÖLLE. Ver­stan­den? Nein? Macht nichts. »los­la­bern« ist eben auch zwang­lo­ses bzw. ‑haf­tes Ab­son­dern. (Das aber glück­li­cher­wei­se eher sel­ten.)

Vom Grö­ßen­wahn wech­selt Rai­nald Goetz dann bis­wei­len ins thea­tra­li­sche und ge­riert sich auch schon mal als der Ge­fan­ge­ne. Aber trö­stend für den Le­ser: Er meint we­nig in die­sem Buch wirk­lich Ernst. Hin­ter die­sen Text­kas­ka­den steckt (zu) oft (zu) we­nig. Nur ab und an ist das an­ders, et­wa wenn er Schirr­ma­cher vor­hält, die Se­rio­si­tät des (FAZ-)Feuilletons dro­he nach­zu­las­sen. Dann blitzt die Angst des Kin­des her­vor, sei­ne Spiel­wie­se zu ver­lie­ren. Denn Goetz weiß sehr wohl, was er an sei­ner Spiel­wie­se hat.

Wei­ter­le­sen ...

Rai­nald Goetz: Ab­fall für Al­le

Rainald Goetz: Abfall für Alle
Rai­nald Goetz: Ab­fall für Al­le

Ein Schrift­stel­ler, einst als Pro­vo­ka­teur auf­tre­tend und sich heu­te als Que­ru­lant se­hend (min­de­stens als Schrei­ber, nicht so sehr als All­tags­mensch), ent­deckt das Me­di­um In­ter­net und er­mög­licht es uns, je­den sei­ner Ta­ge schrift­lich dort zu ver­fol­gen. So Rai­nald Goetz 1998 mit ei­nem über ein Jahr an­ge­setz­ten Pro­jekt. So ganz neu ist das na­tür­lich nicht; Ta­ge­bü­cher gibt es seit eh und je, mei­stens sind sie auf­ge­bla­sen – dies meist dann, wenn es sich um mehr oder we­ni­ger er­zwun­ge­ne No­ta­te han­delt, die je­mand ge­macht hat, weil er eben glaub­te je­den Tag et­was schrei­ben zu müs­sen.

Wei­ter­le­sen ...