
Eine Philippika. Eine Anklage. Eine Selbstbezichtigung. Eine kalkulierte Provokation? Götz Alys »Unser Kampf 1968« (im Schmutztitel: »Unser Kampf 1968 – ein irritierter Blick zurück«) kommt vor allem auf den ersten Seiten mit schier atemlosen Furor daher.
Da ist von luxorierenden Jugendexistenzen die Rede, die bis ins hohe Alter ihre Mythen pflegen. Oder vom Parasitenstolz einer Generation, die ihre revolutionsselige Sturm- und Drangzeit als Geschichte einer besseren Heilsarmee verklärt und sich noch heute rühmt, seinerzeit Sozialhilfe erschlichen zu haben. Che und Meinhof als Maskottchen eines Sentimentalstalinismus.
Am Anfang zerpflückt Aly mit polemisch-scharfen Wortkaskaden das mythische Geraune jener Altachtundsechziger, zu denen er sich selber zählt (und woran er keinen Zweifel lässt), die sich heute ein Ferienhaus in der Toskana gönnen, mit der ihnen eigenen, selbstgerechten Hochnäsigkeit (allerdings grundlos) auf die DDR-Intelligenz hinunterschauen, die sie selber 1990 »abgewickelt« haben, um – endlich! – in den Genuss der seit langem ersehnten Pöstchen zu kommen: Die verspielten Wohlstandsrevoluzzer hatten ihre Umsturzphantasien nie zur Tat werden lassen. Jetzt profitierten sie vom Umsturz der Anderen.Die untergegangene DDR konfrontierte die Achtundsechziger – nicht zuletzt mit ihren marxologischen Formulierungen – an vergangene Zeiten, die sie für sich schon längst überwunden hatten. Die Westlinken waren angeekelt von diesem déjà-vu ihrer eigenen Unzulänglichkeiten. Die Ostdeutschen hielten den Spiegel parat, in dem sie [die Westlinken], falls sie nicht einfach wegsahen, vor allem eines erkennen mussten: den totalitären Charakter ihrer früheren Weltanschauung.