Ste­phan Lam­by: Ernst­fall – Re­gie­ren in Zei­ten des Krie­ges

Stephan Lamby: Ernstfall - Regieren in Zeiten des Krieges
Ste­phan Lam­by: Ernst­fall – Re­gie­ren in Zei­ten des Krie­ges

Ste­phan Lam­by ist seit ei­ner ge­fühl­ten Ewig­keit der Chro­nist bun­des­deut­scher In­nen­po­li­tik. Man er­in­nert sich noch an sein fast le­gen­dä­res In­ter­view mit Hel­mut Kohl und die zahl­rei­chen, zeit­ge­schicht­lich be­deu­ten­den und mehr­fach prä­mier­ten Do­ku­men­ta­tio­nen ins­be­son­de­re in der end­los er­schei­nen­den Mer­kel-Ära, die in schö­ner Re­gel­mä­ssig­keit und zeit­nah in der ARD zu se­hen wa­ren. Im­mer wie­der zeigt er Men­schen, die po­li­ti­sche Macht auf Zeit ha­ben, bei ih­ren Ver­su­chen, im Wi­der­streit zwi­schen Freund und Geg­ner, Me­di­en und Öf­fent­lich­keit für ih­re Idea­le zu agie­ren und da­bei nicht sel­ten ge­hetzt und ge­trie­ben er­schei­nen (manch­mal kom­men­tie­ren zu­sätz­lich Jour­na­li­sten). Zum fast ge­flü­gel­ten Wort wur­de der Ti­tel sei­nes Films über die »ner­vö­se Re­pu­blik«. Die po­li­ti­schen Prot­ago­ni­sten er­laub­ten ihm Ein­blicke, die an­de­ren ver­bor­gen blei­ben. Im Ge­gen­satz zu an­de­ren Fil­me­ma­chern, die sich wuch­tig in­sze­nie­ren, ist Lam­by ein Po­li­tik­flü­ste­rer; in sei­ner zu­rück­hal­ten­den, manch­mal fast an­ti­cham­brie­ren­den, da­bei je­doch nie un­ter­wür­fi­gen Art ge­lin­gen bis­wei­len be­mer­kens­wer­te Ein­sich­ten.

Da­bei for­mu­liert Lam­by mit sei­ner sanft-ein­neh­men­den Stim­me durch­aus Hy­po­the­sen. Noch häu­fi­ger als in ei­nem Film sind sol­che un­ter­schwel­li­gen Be­wer­tun­gen in Bü­chern spür­bar. Und da­mit kommt man auf Ste­phan Lam­bys neue­stes Buch Ernst­fall – Re­gie­ren in Zei­ten des Krie­ges. Der Un­ter­ti­tel lau­tet ein biss­chen ame­ri­ka­nesk »Ein Re­port aus dem In­ne­ren der Macht«. Da­mit wird ei­ne ge­wis­se Er­war­tung ge­schürt. Und Lam­by lässt sich nicht lum­pen.

Auf fast 400 Sei­ten wird das Wir­ken und Han­deln der neu­en Bun­des­re­gie­rung vom De­zem­ber 2021 bis zum 13. Ju­li 2023 (NA­TO-Gip­fel in Vil­ni­us) be­schrie­ben. Da­bei ste­hen zwei The­men im Vor­der­grund, die sich teil­wei­se ge­zwun­ge­ner­ma­ßen über­la­gern. Zum ei­nen die In­va­si­on Russ­lands in die Ukrai­ne vom 24.2.22, die sich ra­sant ver­än­dern­den Pa­ra­me­ter der Au­ßen- und Si­cher­heits­po­li­tik Deutsch­lands und die Aus­wir­kun­gen auf die En­er­gie­ver­sor­gung ei­nes der größ­ten In­du­strie­na­tio­nen der Welt. Und zum an­de­ren die Be­mü­hun­gen um ei­ne öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­ti­on des Lan­des im An­ge­sicht des be­droh­li­chen Kli­ma­wan­dels.

Al­le an­de­ren The­men, wie et­wa der frü­he Rück­tritt von An­ne Spie­gel, die sehr um­strit­te­ne Wahl­recht­re­form oder, noch ein­schnei­den­der für die Be­völ­ke­rung, die »Ab­wick­lung« der Co­vid-Pan­de­mie nebst dem De­ba­kel, ei­ne Impf­pflicht zu im­ple­men­tie­ren, wer­den aus­ge­blen­det. Fast ein biss­chen pflicht­schul­dig wirkt ei­ne Er­wäh­nung mit und über Karl Lau­ter­bach, der in An­be­tracht des Kriegs in der Ukrai­ne plötz­lich kaum noch in den Schlag­zei­len steht. Da­bei war ge­ra­de das The­ma Impf­pflicht ei­ne höchst kon­tro­ver­se An­ge­le­gen­heit; quer durch al­le Frak­tio­nen.

Na­tür­lich muss Lam­by Prio­ri­tä­ten set­zen. »Zei­ten­wen­de« und öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­ti­on sind die The­men, die Deutsch­land noch lan­ge be­schäf­ti­gen wer­den. Wer im Fe­bru­ar 2022 auf ei­ne ein­sa­me In­sel oh­ne Me­di­en­zu­gän­ge ver­schla­gen wur­de und heu­te, an­dert­halb Jah­re spä­ter zu­rück­ge­kom­men ist, kann mit die­sem Buch sei­ne In­for­ma­ti­ons­de­fi­zi­te rasch und, was die­se The­men an­geht, um­fas­send auf­fül­len. Weit­ge­hend wird chro­no­lo­gisch, zeit­wei­se ta­ge­buch­ar­tig er­zählt. Nur ab und zu gibt es Zu­sam­men­fas­sun­gen. Da­bei ver­mei­det Ste­phan Lam­by dan­kens­wer­ter­wei­se weit­ge­hend die mitt­ler­wei­le gras­sie­ren­de Re­por­ter­un­sit­te, sei­ne Be­ob­ach­tun­gen als Li­te­ra­tur zu ver­klei­den.

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