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Unsichtbares Komitee: Der kommende Aufstand
Un­sicht­ba­res Ko­mi­tee: Der kom­men­de Auf­stand

»Der kom­men­de Auf­stand« im Spie­gel des mo­der­nen An­ar­chis­mus

Nach dem Zu­sam­men­bruch der bi­po­la­ren Welt 1989/90 kam es in vie­len Re­gio­nen zu po­li­ti­schen, eth­ni­schen, so­zia­len oder öko­no­mi­schen Kon­flik­ten. Aus den Re­si­du­en der Stell­ver­tre­ter­krie­ge ent­wickel­ten sich mit­un­ter Bür­ger­krie­ge, die mit äu­ßer­ster Bru­ta­li­tät ge­führt wur­den und oft­mals jeg­li­cher Kon­trol­le ent­zo­gen wa­ren. Dies zum An­lass neh­mend, for­mu­lier­te Hans Ma­gnus En­zens­ber­ger 1994 sei­ne »Aus­sich­ten auf den Bür­ger­krieg« als ein glo­ba­les Phä­no­men, wel­ches ent­we­der weit ent­fernt in Afri­ka oder Asi­en ver­or­tet wur­de oder in Eu­ro­pa lo­kal be­grenzt blieb (bspw. Bas­ken­land oder Nord­ir­land) be­vor es mit den ju­go­sla­wi­schen Se­zes­si­ons­krie­gen mit vol­ler Ve­he­menz in das eu­ro­päi­sche Wohn­zim­mer ein­brach. En­zens­ber­ger mach­te auch in den west­eu­ro­päi­schen Na­tio­nen Ne­ster die­ses »mo­le­ku­la­ren Bür­ger­kriegs« aus, kon­sta­tier­te aber eher vor­sich­tig: »Man kann sich fra­gen, wie ernst der Ge­walt­kult der eu­ro­päi­schen Avant­gar­den zu neh­men ist. Ih­re Pro­vo­ka­tio­nen zeu­gen nicht nur von ei­nem tie­fen Haß auf das Be­stehen­de, son­dern auch von ei­nem eben­so tie­fen Selbst­haß. Wahr­schein­lich dien­ten sie auch der Kom­pen­sa­ti­on ei­ge­ner Ohn­machts­ge­füh­le und der Ab­wehr ei­nes Mo­der­ni­sie­rungs­zwan­ges, der ih­re Gel­tungs­an­sprü­che be­droh­te.« Süf­fi­sant er­gänz­te er noch: »Au­ßer­dem wird man die Nei­gung zur Po­se in Rech­nung stel­len müs­sen…«

En­zens­ber­ger hat­te da­mals hell­sich­tig die glo­ba­len Be­dro­hun­gen durch den is­la­mi­sti­schen Ter­ro­ris­mus vor­weg­ge­nom­men. Die wach­sen­den Un­zu­frie­den­hei­ten an und in den re­prä­sen­ta­ti­ven De­mo­kra­tien Eu­ro­pas, die sich bei­spiels­wei­se in den Un­ru­hen in den Pa­ri­ser Ban­lieues von 2005 zum er­sten Mal in grö­ße­rem Aus­maß zeig­ten, konn­te er je­doch un­mög­lich vor­her­se­hen. Die­se Un­ru­hen ha­ben 2007 ei­ni­ge Au­toren zu ei­ner grund­le­gen­den Schrift in­spi­riert, die den »kom­men­den Auf­stand« nicht nur be­schreibt, son­dern in ei­nem ei­gen­ar­ti­gen Stil zwi­schen Zy­nis­mus, Hoch­mut und Käl­te lo­gi­sti­sche und bel­li­zi­sti­sche An­wei­sun­gen ver­brei­tet. 2009 wur­de das Buch um die Kom­men­tie­rung der Er­eig­nis­se in Grie­chen­land 2008 er­gänzt. Die­se Neu­auf­la­ge liegt nun in der deut­schen Über­set­zung von El­mar Schme­da bei »Nau­ti­lus« vor.

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An­dre­as El­ter: Pro­pa­gan­da der Tat

Andreas Elter: Propaganda der Tat
An­dre­as El­ter: Pro­pa­gan­da der Tat

An­dre­as El­ter, seit Ok­to­ber 2007 Pro­fes­sor für Jour­na­li­stik an der Uni­ver­si­tät zu Köln, ent­wirft in sei­nem Buch »Pro­pa­gan­da der Tat – Die RAF und die Me­di­en« zu­nächst ei­ne Art Psy­cho­gramm ter­ro­ri­sti­scher Grup­pen, wo­bei er es merk­wür­di­ger­wei­se ver­mei­det, ei­ne De­fi­ni­ti­on des Ter­ro­ris­mus an sich vor­zu­neh­men und die grup­pen­dy­na­mi­schen Pro­zes­se in­ner­halb der Gruppe(n) mit auf­führt. Das zeigt sich im Lau­fe des Bu­ches manch­mal als klei­ne Schwä­che und wenn er am En­de meint, der Ter­ro­ris­mus ha­be sich in den letz­ten drei­ssig Jah­ren ver­än­dert, weil jetzt nicht nur un­be­tei­lig­te Per­so­nen so­zu­sa­gen »zu­fäl­lig« Op­fer von An­schlä­gen wer­den, son­dern die­se Zi­vi­li­sten in­zwi­schen mit Vor­satz um­ge­bracht wer­den, so spricht El­ter ei­nen we­sent­li­chen Punkt an, der – das zeigt er auch im Buch – der RAF im Lau­fe ih­rer »Ak­ti­vi­tä­ten« enor­me Sym­pa­thien ge­ko­stet hat. Das stellt er zwar durch­aus an­hand der ein­zel­nen An­schlä­ge auch fest, den­noch ver­mei­det er ei­ne di­rek­te De­kon­struk­ti­on der Selbst­ein­schät­zung der RAF als Gue­ril­la. Dies ver­mut­lich des­halb, weil er zu­min­dest den An­fän­gen der RAF, die­sem Zer­falls­pro­dukt der Stu­den­ten­be­we­gung, ei­ne ge­wis­se mo­ra­li­sche Le­gi­ti­ma­ti­on (und Au­to­ri­tät) nicht per se ab­spricht.

Ver­gleicht man El­ters Punk­te mit den Merk­ma­len des Ter­ro­ris­mus, wie sie Loui­se Ri­chard­son in »Was Ter­ro­ri­sten wol­len« for­mu­liert hat, er­ge­ben sich im für die­ses Buch ent­schei­den­den Punkt – der me­dia­len »Ver­mark­tung« des Ter­rors – deut­li­che Par­al­le­len. Über­ra­schend hier­bei ist dann, dass Ri­chard­sons Cha­rak­te­ri­sti­kum der me­dia­len Kom­po­nen­te deut­li­cher for­mu­liert ist als bei El­ter. Sie schreibt: »Zweck von Ter­ro­ris­mus ist nicht, den Feind zu be­sie­gen, son­dern ei­ne Bot­schaft zu ver­kün­den.« Bei El­ter klingt das ein biss­chen ne­bu­lö­ser: Ter­ro­ri­sti­sche Grup­pen set­zen pri­mär auf phy­si­sche Ge­walt (die aber gleich­zei­tig psy­chi­sche Wir­kun­gen in­ten­diert) und spek­ta­ku­lä­re Ak­tio­nen, wel­che die mas­sen­me­dia­le Ver­brei­tung si­cher­stel­len, die Öf­fent­lich­keit er­rei­chen und ei­nen lang­fri­sti­gen Schock­ef­fekt her­bei­füh­ren sol­len.

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