Vi­deo­wän­de und Spa­ghet­tie­ssen

Da­ni­el Kehl­manns Re­de bei der Er­öff­nung der Salz­bur­ger Fest­spie­le. Das Pu­bli­kum ver­mag den Eklat ge­ra­de noch weg­zu­la­chen. Kehl­mann spricht von sei­nem Va­ter Mi­cha­el Kehl­mann, ei­nem Thea­ter­re­gis­seur, der sich dem in den 70er Jah­ren auf­kom­men­den Trend des »Re­gie­thea­ters« wi­der­set­ze und sich aus­drück­lich als Die­ner der Au­toren ver­stand, et­was was da­mals als per se re­ak­tio­nä­res Un­ter­fan­gen galt. Er ging un­ter in ei­nem Kli­ma der Re­pres­si­on, in der Ab­wei­chung ge­äch­tet ist.

Das Re­gie­thea­ter heu­te sei zum Pri­vat­ver­gnü­gen folg­sa­mer Pil­ger de­ge­ne­riert und ha­be sich weit­ge­hend von Stück und Au­tor ent­fernt. Die Fol­ge sei: Die Au­toren hiel­ten sich zu­rück.

Statt­des­sen im­mer das Glei­che, so Kehl­mann, aus­län­di­sche Freun­de zi­tie­rend: Vi­deo­wän­de und Spa­ghet­tie­ssen, ver­schmier­te Schau­spie­ler, die dau­ernd her­um­schrei­en. Ob dies, so süf­fi­sant ein­ge­streut, staat­lich vor­ge­schrie­ben sei, frag­ten die Freun­de. Kehl­mann dia­gno­sti­ziert ein fa­ta­les Bünd­nis zwi­schen Kitsch und Avant­gar­de, wo­bei er hier lei­der ein biss­chen un­ge­nau wird in sei­ner an­son­sten fei­nen Re­de, denn Avant­gar­de ist das nicht mehr, son­dern nur noch Si­mu­la­ti­on von dem, was die­se be­mit­lei­dens­wer­ten Pseu­do-Re­gis­seu­re für Avant­gar­de hal­ten.

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Til Schwei­ger: Kein­ohr­ha­sen

Til Schweiger: Keinohrhasen
Til Schwei­ger: Kein­ohr­ha­sen

Wie Ba­by Schim­mer­los für Ar­me irr­lich­tert Til Schwei­ger als Lu­do Decker (no­men est omen – auch hier) in »Kein­ohr­ha­sen« durch die Ce­le­bri­ty-Welt. Man lacht ein biss­chen über sich selbst und ver­wech­selt das mit Selbst­iro­nie; Klit­sch­ko heißt da Klit­sch­ko, Cat­ter­feld Cat­ter­feld und Jür­gen Vo­gel spielt ge­gen En­de Jür­gen Vo­gel (bzw. er spielt als Jür­gen Vo­gel den Jür­gen Vo­gel wie er den Jür­gen Vo­gel ge­spielt ha­ben möch­te). Der Mi­ni­ster, der sei­ne Ge­lieb­te ge­schwän­gert hat, ist al­ler­dings nicht See­ho­fer. So­viel »Rea­li­ty« ist dann doch nicht.

Schwei­ger spielt den Klatsch­re­por­ter als skru­pel­lo­sen In­si­der (mit ma­fiö­sen At­ti­tü­den) und ma­cho­haf­ten Frau­en­hel­den mit sei­ner ei­ge­nen Phi­lo­so­phie des one-night-stands nebst ent­spre­chen­dem Ver­brauch. So ver­knüpft man das Nütz­li­che mit dem An­ge­neh­men – und gibt dem Zu­schau­er ne­ben­bei das Ge­fühl, es im­mer schon ge­wusst zu ha­ben. Es wird ge­vö­gelt, ge­stöhnt, ge­schrien und die Wör­ter »bla­sen«, »bum­sen« und »ficken« wer­den in al­len Kon­ju­ga­tio­nen de­kli­niert.

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Dror Za­ha­vi / Mi­cha­el Gut­mann: Mein Le­ben (arte/ARD)

Die Fra­ge ob bzw. wie der Film das Buch nun kor­rekt wie­der­ge­be oder nicht, er­weist sich meist als mü­ßig: Zu un­ter­schied­lich sind die Me­di­en, zu grob die Struk­tur des Films, die in den mei­sten Fäl­len die fei­nen Un­ter­tö­ne des li­te­ra­ri­schen Wer­kes nicht im Ent­fern­te­sten zu ent­fal­ten ver­mag. Es gibt die ein oder an­de­re Aus­nah­me, die sich zwar eng am li­te­ra­ri­schen Werk hält, aber dann doch ein ei­gen­stän­di­ges Film-Kunst­werk wird oh­ne die Vor­la­ge zu de­nun­zie­ren, son­dern sie er­gänzt, ja, kla­rer zu macht; lei­der »too few to men­ti­on« (und nicht re­le­vant für die­se Be­trach­tung hier).

Fast selbst­ver­ständ­lich muss­te die Ver­fil­mung von Mar­cel Reich-Ra­nickis Buchs »Mein Le­ben« (es wer­den letzt­lich au­sser der mehr als ober­fläch­lich ein­ge­streu­ten un­mit­tel­ba­ren Nach­kriegs­zeit Reich-Ra­nickis als pol­ni­scher Ge­ne­ral­kon­sul nur die er­sten bei­den Tei­le des Bu­ches bis 1944 ge­zeigt) hin­ter dem doch stark be­ein­drucken­den Ge­schrie­be­nen zu­rück­ste­hen. In neun­zig Mi­nu­ten presst man die Ge­schich­te von 1929 bis 1944 und ha­stet von Stich­wort zu Stich­wort. Man spürt das Be­mü­hen, Schlüs­sel­sze­nen des Bu­ches un­ter­zu­brin­gen (was teil­wei­se auch ge­schieht), aber Reich-Ra­nickis an­ek­do­ti­sches Er­zäh­len, was die­ses Buch nicht un­we­sent­lich cha­rak­te­ri­siert und auf ver­blüf­fen­de Wei­se stark macht, fällt die­ser Er­eig­nis-Ral­lye als er­stes zum Op­fer.

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Sön­ke Wort­mann: Deutsch­land – Ein Som­mer­mär­chen (ARD)

Nein, Sön­ke Wort­manns »Deutsch­land – Ein Som­mer­mär­chen« ist kein Do­ku­men­tar­film. Er ist ein Schlüs­sel­loch­film, der Ein­blicke gibt, die sonst ver­bor­gen blei­ben. Wort­mann war wo­chen­lang mit Ka­me­ra und Ton Be­glei­ter der deut­schen Fuss­ball­na­tio­nal­mann­schaft. Er hat al­les brav ge­filmt und ei­nen Cock­tail zu­sam­men­ge­stellt, der die Neu­gier der Fans und Zu­schau­er be­frie­digt.

Nie­mals gibt es ei­ne ru­hi­ge, ein­zel­ne Ein­stel­lung. Stän­dig ist die Ka­me­ra in Be­we­gung. Man will im­mer gleich­zei­tig al­les zei­gen. Die Hö­he­punk­te des Films sind die »Ka­bi­nen­an­spra­chen« von Jür­gen Klins­mann vor, wäh­rend und auch nach dem Spiel. Klins­mann wird als Mo­ti­va­tor ge­zeigt – Löw der ru­hi­ge Tak­ti­ker – Bier­hoff ir­gend­et­was an­de­res. Mehr nicht.

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»Werk­treue, nicht Wer­kni­be­lun­gen­treue«

In der ak­tu­el­len Aus­ga­be der ZEIT wird die seit ei­ni­gen Wo­chen dort an­ge­sto­sse­ne De­bat­te über den Stel­len­wert der Re­gie / des Re­gis­seurs im mo­der­nen Mu­sik­thea­ter durch ei­nen Bei­trag des Di­ri­gen­ten Chri­sti­an Thie­le­mann mit dem Ti­tel »Schoe­nes-Bett-der-Par­ti­tur« fort­ge­schrie­ben: Werk­treue, nicht Wer­kni­be­lun­gen­treue

Auch wenn die Dis­kus­si­on (üb­ri­gens vor der Ab­set­zung der Neu­en­fels-In­sze­nie­rung der Oper »Ido­me­neo« be­gon­nen) schwer­punkt­mä­ssig auf das Mu­sik­thea­ter fo­kus­siert ist, so kann doch auch für das Sprech­thea­ter et­li­ches über­nom­men wer­den.

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Tho­mas Mül­ler: Be­stie Mensch

Thomas Müller: Bestie Mensch
Tho­mas Mül­ler: Be­stie Mensch

Grim­mig schaut der Au­tor mit ver­knif­fe­nen Au­gen am Le­ser vor­bei. In ro­ter Schrift er­fah­ren wir: Be­stie Mensch. So sieht das Co­ver von Tho­mas Mül­lers Buch aus, und man hät­te es wis­sen kön­nen. Aber das In­ter­view mit De­nis Scheck mach­te mich neu­gie­rig; die Stim­me die­ses Man­nes, der in un­zäh­li­gen Ge­sprä­chen Mas­sen­mör­dern und Schwer­ver­bre­chern ge­gen­über sass; die wei­chen, mo­du­lier­ten Tö­ne – ein Mär­chen­on­kel, der fast flü­sternd, weich sprach, aber schnell und elo­quent.

Dr. Tho­mas Mül­ler ist Kri­mi­nal­psy­cho­lo­ge. Wie man am En­de des Bu­ches er­fährt, ist er es in her­aus­ge­ho­be­ner Po­si­ti­on wohl nicht mehr; sei­ne Hin­aus­kom­pro­mit­tie­rung er­zählt er in der drit­ten Per­son – üb­ri­gens ein le­sens­wer­tes Do­ku­ment, wie Men­schen von ih­ren Po­si­tio­nen weg­ge­mobbt wer­den. Aber das ist ein an­de­res The­ma.

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