Hin­rich von Haa­ren: Die Über­leb­ten

Hinrich von Haaren: Die Überlebten

Hin­rich von Haa­ren: Die Über­leb­ten

Drei län­ge­re Er­zäh­lun­gen legt der 1964 ge­bo­re­ne Hin­rich von Haa­ren in sei­nem Pro­sa­de­but vor. Die Er­zäh­lun­gen sind ent­ge­gen dem gän­gi­gen Zeit­ge­schmack nicht mit­ein­an­der ver­knüpft und von­ein­an­der un­ab­hän­gig. Und den­noch ent­steht am En­de nicht zu­letzt durch den Ti­tel »Die Über­leb­ten« ei­ne Klam­mer, die die so schein­bar dis­pa­ra­ten Ge­schich­ten un­ter ei­nem ge­mein­sa­men Leit­mo­tiv stellt.

»Auf ei­nem dunk­len See« spielt un­ter ei­ner Tou­ri­sten­grup­pe in Ägyp­ten. Die Prot­ago­ni­sten, mehr­heit­lich aus an­gel­säch­si­schen Län­dern stam­mend, wer­den frag­men­ta­risch skiz­ziert. Zu­nächst er­scheint al­les harm­los: Da stür­zen sich ei­ni­ge West­ler in den ganz nor­ma­len Ägyp­ten-Rund­rei­se-Wahn­sinn in­klu­si­ve Fahrt auf halblu­xu­riö­sem Schiff auf dem Nil. Plötz­lich stirbt ei­ne Rei­sen­de und die Grup­pe wird nun ge­zeigt, wie sie zwi­schen »busi­ness as usu­al«, Ex­al­tiert­heit und Trau­er­be­wäl­ti­gung (Hil­fe für den Ehe­mann) la­viert. Am En­de der Ge­schich­te kon­tra­stiert das Bild des aus­gie­big fo­to­gra­fier­ten Son­nen­auf­gangs über Abu Sim­bel mit dem des Hub­schrau­bers, der kurz da­nach über das Schiff kreist und den Sarg der ver­stor­be­nen Ja­net ab­trans­por­tiert. Auch oh­ne die­ses Er­eig­nis fällt das Fa­zit er­nüch­ternd aus: Wie Wü­ste und See hier eng zu­sam­men und gleich­zei­tig scharf ge­trennt ne­ben­ein­an­der her exi­stie­ren, so ha­ben wir nie ge­wagt, die­ses Land wirk­lich zu be­tre­ten. Und der sehr zu­rück­hal­ten­de Ich-Er­zäh­ler, der eher ei­ne Be­richt­erstat­ter­funk­ti­on über­nom­men hat, will zur To­des­ge­schich­te un­be­dingt noch Ge­naue­res er­fah­ren, im Bus oder im Flug­zeug, auf je­den Fall be­vor wir nach Hau­se kom­men und…mit dem wach­sen­den Ab­stand von Ägyp­ten be­gin­nen, die Ge­schich­te aus­zu­schmücken.

Kau­ris­mä­ki-At­mo­sphä­re und Wort­klau­ber

Die an­de­ren bei­den Er­zäh­lun­gen spie­len in Lon­don bzw. Um­ge­bung. In »Die Luft in dei­nen Kno­chen« wird das Lie­bes­ver­hält­nis der glück­lo­sen Buch­händ­le­rin Astrid mit dem Zahn­arzt Law­rence er­zählt. Law­rence ist ein Ni­schen­mensch, ein Hü­ne mit ex­trem wei­ßer Haut­far­be und er­staun­li­cher Maul­faul­heit. Wenn die bei­den zu­sam­men­sit­zen, ent­steht zu­wei­len ein Wett­kampf des Schwei­gens, von Fer­ne er­in­nernd an die Schwei­gela­ko­nik von Kau­ris­mä­ki-Fi­gu­ren. Auch ihr Sex ist still und di­rekt, aber im­mer­hin vol­ler ge­gen­sei­ti­ger Über­zeu­gungs­kraft, eben star­ke und ech­te Schau­spie­le­rei. Beim er­sten Mal sind sie nach we­ni­ger als 20 Mi­nu­ten fer­tig. Da­nach stand Astrid nicht vom Fuß­bo­den auf, um ihn an die Tür zu brin­gen. Ei­ne selt­sa­me Mü­dig­keit, die nicht mit Ver­traut­heit oder fal­scher Cool­ness ver­wech­selt wer­den darf.

Wenn Law­rence im Schwimm­bad sei­ne Bah­nen zieht tritt ei­ne Ver­wand­lung ein. Er wird zum Men­schen mit Luft in den Kno­chen und er­reicht ei­ne Ge­schmei­dig­keit und Gra­zie, die er an­son­sten ver­mis­sen lässt. Hier ent­flammt Astrid für den Mann, wenn auch im­mer nur kurz. An­son­sten wirkt die­se Be­zie­hung äu­ßerst prag­ma­tisch und man hat man das Ge­fühl, die bei­den ge­stal­ten ihr Le­ben nicht, son­dern es ge­stal­tet sie. Le­dig­lich die ge­le­gent­li­chen Ein­misch­ver­su­che von Astrids Mut­ter, die Law­rence als idea­le Ver­sor­gung für ih­re Toch­ter sieht, kon­ter­ka­riert die­se fast dumpf-gleich­gül­ti­ge Stim­mung. Zum Le­bens­wen­de­punkt für Astrid wird der Tod ih­res Hun­des, den Law­rence mit­ver­ur­sacht, in dem er ihn lei­nen­los und un­be­auf­sich­tigt über die Stra­ße lau­fen lässt. Ih­re zu­nächst noch stär­ke­re Flucht in die Teil­nahms­lo­sig­keit lässt sich nicht mehr lan­ge auf­recht er­hal­ten: Sie ist ge­zwun­gen ih­ren Buch­la­den auf­zu­ge­ben, der schon lan­ge nur noch Ver­lu­ste pro­du­ziert und die vor­wit­zi­ge und längst über­flüs­sig ge­wor­de­ne An­ge­stell­te Ines zu ent­las­sen, mit der sie vor­her noch in ei­ner ur­ko­mi­schen Sze­ne den Hund in ei­nem Park be­gräbt. Di­rekt nach der Auk­ti­on, mit der ihr La­den li­qui­diert wur­de, geht Astrid schwim­men und ver­sucht das Ge­fühl, dass sie bei Law­rence’ An­schau­ung her­bei­phan­ta­siert, für sich selbst zu er­zeu­gen. »Dies könn­te der Be­ginn ei­ner un­ge­heu­er wich­ti­gen Schwimm­pha­se in mei­nem Le­ben sein«, dach­te sie an die un­ter­schied­li­chen »Le­bens­pha­sen« ih­res ver­stor­be­nen Va­ters er­in­nernd und nun der­art ver­su­chend, ihr Le­ben zu struk­tu­rie­ren. Ei­ne Pha­se, mit der sie die Buch­la­den-Mut­ter-Ines-Hund-und-Be­er­di­gungs­pha­se er­set­zen wür­de. Beim Abend­essen dann zeigt sich Law­rence er­staunt ob der In­itia­ti­ve Astrids, wird voll­kom­men über­ra­schend zum Wort­klau­ber und bricht in vor­her nicht für mög­lich ge­hal­te­ne Wut aus, als sie da­von be­rich­tet, wie sie durch das Was­ser ge­sto­ßen sei: Man stößt nicht durchs Wasser….man ar­bei­tet im­mer mit dem Was­ser. Die­ses ei­ne fal­sche Wort macht ihn ra­send. Des­sen un­ge­ach­tet bie­tet er Astrid am näch­sten Tag an, dass sie bei ihm ein­zie­hen soll, denn sie ge­hör­ten doch zu­sam­men und könn­ten et­was wirk­lich Wert­vol­les auf­bau­en. Die Um­zugs­ki­sten wer­den ge­packt und sie sitzt mit ihm im Au­to. Die Er­zäh­lung en­det mit ei­nem halb kryp­tisch, halb des­il­lu­sio­nie­ren­den Satz, der zur Pro­gram­ma­tik des Rest-Le­bens wird: Und in dem Mo­ment, als ih­re Ge­dan­ken sich von ihm ab- und der Stra­ße zu­wand­ten, wo ein ro­tes Post­au­to aus ei­ner Park­lücke ge­schos­sen kam und sich di­rekt vor sie po­si­tio­nier­te, be­gann die Pha­se, die Law­rence ir­gend­wann in je­ne Ab­len­kung ver­wan­deln wür­den, die er im­mer für sie ge­we­sen war.

Klee­berg und Ber­to­luc­ci

In der drit­ten Ge­schich­te, »Die Mög­lich­kei­ten der Lie­be«, wird der Le­ser in ei­ne Welt ent­führt, die von Fer­ne an ei­ne Mi­schung aus Mi­cha­el Klee­bergs No­vel­le »Bar­fuß« und Ber­to­luc­cis Film »Der letz­te Tan­go von Pa­ris« er­in­nert. Ein Ich-Er­zäh­ler be­geg­net auf der Toi­let­te der Na­tio­nal­ga­le­rie dem Mitt­fünf­zi­ger Ja­cob Trip und sei­ner jün­ge­ren Part­ne­rin Ja­ne Whee­ler. Man trifft sich je­den Mitt­woch­nach­mit­tag um sich für ein paar Stun­den Sex, post­ko­ita­lem Ge­schich­ten­er­zäh­len, Al­ko­hol und ei­nem Light Sup­per hin­zu­ge­ben. Die bei­den ver­fal­len die­sem Mann bis hin zur se­xu­el­len Hö­rig­keit. Und wie Jean­ne (Ma­ria Schnei­der) im be­rühm­ten Film be­gnü­gen sie sich ir­gend­wann nicht mehr nur mit die­sem ei­nen Ter­min in der Wo­che, der längst den ge­sam­ten Le­bens­rhyth­mus struk­tu­riert, es stellt sich auch Ei­fer­sucht ein und man be­ginnt, das »Pri­vat­le­ben« Trips sy­ste­ma­tisch aus­zu­for­schen.

»Die Mög­lich­kei­ten der Lie­be« ist die stärk­ste und dich­te­ste Er­zäh­lung des Ban­des. Im­mer tie­fer taucht in Le­ser in die­se Re­cher­chen um die Fi­gur Trip ein, wo­bei des­sen Fas­zi­na­ti­on un­klar bleibt – und da­mit ver­blüf­fen­der­wei­se fast noch ge­heim­nis­vol­ler wird. Auf ei­ne aus­gie­bi­ge Schil­de­rung der se­xu­el­len Er­leb­nis­se ver­zich­tet von Haa­ren; mehr als sehr de­zen­te An­deu­tun­gen gibt es nicht. Dies ist durch­aus wohl­tu­end, weil der Le­ser nicht zum bil­li­gen Voy­eur de­gra­diert wird. Gleich­zei­tig wird er auch ein we­nig aus der Ge­schich­te ge­hal­ten und ei­ne kla­re­re Sicht auf das Ver­hal­ten der Prot­ago­ni­sten er­mög­licht.

Ir­gend­wann ent­decken die bei­den Trips be­ein­drucken­de Ga­le­rie von Lieb­ha­bern und Lieb­ha­be­rin­nen, die sich in Jahr­zehn­ten an­ge­sam­melt hat – al­les hübsch do­ku­men­tiert auf Fo­tos (man er­in­nert sich, dass Trip auch den Er­zäh­ler am An­fang auf der Toi­let­te fo­to­gra­fiert hat­te). Und als die bei­den an ei­nem Frei­tag in die Woh­nung kom­men, lebt dort der 14jährige Dan­ny mit sei­nem gleich­alt­ri­gen Freund Vic­tor. Merk­wür­dig, wie sie sich von den Teen­agern so­gar er­pres­sen las­sen, da­mit die­se nicht Trip Be­scheid über ih­re Nach­for­schun­gen ge­ben. In ei­ner skur­ri­len Ak­ti­on ge­lingt es schließ­lich, die Jun­gen zu ver­trei­ben (wenn auch nur für kur­ze Zeit und mit be­trächt­li­chen Spät­fol­gen, als die­se wie­der­kom­men).

Die si­che­ren Um­ge­bungs­an­ker der All­täg­lich­keit (Ar­beits­platz, fi­nan­zi­el­le Si­cher­hei­ten) ero­die­ren. Des Er­zäh­lers an­de­res Le­ben (er ist Ab­tei­lungs­lei­ter in ei­nem Ver­lag und lek­to­riert Rei­se­füh­rer), die Ter­mi­ne mit den Ge­wohn­heits­freun­den – al­les wird ver­nach­läs­sigt. Un­heil­vol­le Vor­bo­ten wer­den zu­sätz­lich noch auf zwei Ne­ben­schau­plät­zen plat­ziert: Ein In­vest­ment droht zu schei­tern; am En­de saß man ei­nem Be­trü­ger auf (der ein Freund Trips war). Und wie wei­land in Hitch­cocks »Psy­cho« be­dro­hen plötz­lich Mö­wen die Vo­gel- und Zoo­welt Lon­dons. Den ent­schei­den­den Mo­ment der sich schlei­chend an­bah­nen­den Zer­streu­ung der mé­na­ge-à-trois schil­dert Hin­rich von Haa­ren knapp, aber den­noch mit gro­ßer In­ten­si­tät und Kön­ner­schaft und schließ­lich kon­sta­tiert der Ich-Er­zäh­ler: wäh­rend ich ihn wei­ter an­blick­te, konn­te ich nichts mehr von dem se­hen, wo­für ich ge­stern noch ver­rückt ge­spielt hät­te, nichts von sei­ner un­schlag­ba­ren Selbst­si­cher­heit, nichts von Ja­ne und mir. Wir hat­ten ein­an­der mit­ge­ris­sen und hin­un­ter­ge­zo­gen…[…] wir brauch­ten kei­ne Ge­heim­nis­se mehr, kei­ne Geschichten…Wir wa­ren ver­braucht.

Die Un­mög­lich­keit des Wei­ter­le­bens

Spä­te­stens hier wird die In­ten­ti­on des Ti­tels »Die Über­leb­ten« deut­lich: Es han­delt sich ja nicht, wie man viel­leicht im er­sten, ober­fläch­li­chen Le­sen mei­nen könn­te, um »Überle­ben­de«, son­dern tat­säch­lich um »Überleb­te« – Men­schen, die durch ein (Liebes-)Ereignis »über­lebt« wer­den. Men­schen, de­ren Welt nie mehr so sein wird wie sie war und die an der Un­mög­lich­keit der Ka­thar­sis durch die Be­schwö­rung des Ver­gan­ge­nen wenn nicht zer­bre­chen, so doch lei­den. »Über­lebt« sind sie, weil sie un­wi­der­ruf­lich aus ei­ner Zeit der Si­cher­heit, Ge­bor­gen­heit, Auf­ge­ho­ben­heit ge­fal­len sind, oh­ne dass sie ei­nen Ein­fluss dar­auf ge­habt hät­ten. »Über­leb­te« sind sie, weil sie wie grie­chi­sche Fi­gu­ren ih­re Vor­be­stimmt­heit nicht ab­zu­schüt­teln ver­mö­gen, ob­wohl sie ih­nen je­der­zeit prä­sent ist.

Wie der Ehe­mann von Ja­net wei­ter­macht und wie Astrid bei ih­rem weiß­häu­ti­gen Zahn­arzt bleibt, weil sie dort blei­ben muss, so über­gibt sich auch der Er­zäh­ler in der Lie­bes­ge­schich­te sei­nem Schick­sal, wohl wis­send, dass die ei­ni­ge der Ver­schwun­de­nen schon morgen…zufällig an der Bus­hal­te­stel­le wie­der auf­tau­chen könn­ten. Und wie ein Ver­mächt­nis er­trägt die­se Fi­gur die Mög­lich­kei­ten der Lie­be, wie wir sie von Trip ge­lernt ha­ben, näm­lich nichts und nie­man­dem nach­zu­trau­en, son­dern so schnell wie mög­lich und mit der al­ler­größ­ten Über­zeu­gung wei­ter­zu­le­ben.

Ein Wei­ter­le­ben frei­lich, das ent­kernt ist. »Die Über­leb­ten« voll­zie­hen die un­ab­än­der­li­che Ver­wand­lung vom Da­sein zum nur noch Sei­en­den, weil sie ih­re Lie­bes­fä­hig­keit ein­ge­büßt ha­ben. Von Haa­rens Kunst liegt dar­in, die­se Me­ta­mor­pho­se so sub­til zu er­zäh­len, dass der Schrecken nicht so­fort of­fen­bar wird. Und dies trotz zahl­rei­cher An­spie­lun­gen, die je­doch we­der auf­dring­lich wer­den, noch den Er­zähl­fluss über Ge­bühr hem­men. Erst im Nach­hall ent­wickeln sich beim Le­ser die wah­ren Di­men­sio­nen; am nach­hal­tig­sten hier auch die drit­te Ge­schich­te.

Es gibt in die­sen No­vel­len auch Ver­bin­den­des über das Leit­mo­tiv hin­aus. Bei­spiels­wei­se sind fast al­le Prot­ago­ni­sten zum Zeit­punkt des sie auf im­mer ver­än­dern­den Er­eig­nis­ses nicht mehr in »nor­ma­le« Ar­beits­pro­zes­se ein­ge­bun­den (au­ßer Law­rence, der Zahn­arzt). Selbst wenn sie ar­bei­ten, ha­ben sie ent­we­der kaum noch zu tun oder ge­stal­ten ih­re Ar­beit weit­ge­hend au­to­nom, was dann zu Schwie­rig­kei­ten führt (Ent­las­sun­gen, In­tri­gen in­ner­halb ei­nes Un­ter­neh­mens oder schlicht­weg die Auf­ga­be der Selb­stän­dig­keit). Ar­beit er­scheint als eher lä­sti­ge Not­wen­dig­keit, die den Men­schen nur noch als Mit­tel zum Zweck dient. Die Er­fül­lung, das Le­ben, wird im an­de­ren ge­sucht – und dann nicht ge­fun­den.

Das al­les wird oh­ne Kla­ge­ton, Lar­moy­anz oder auch »Mes­sa­ge« er­zählt. Ab und zu würzt Hin­rich von Haa­ren sei­ne zu­wei­len la­ko­ni­sche Pro­sa mit klei­nen, un­auf­dring­li­chen Wort­spie­len. Die Er­zäh­lun­gen sind auf ei­ne be­rücken­de Art kom­po­niert und das oh­ne sicht- und les­bar ir­gend­wel­chen Schreib­schu­len nach­zu­ei­fern. Ein be­acht­li­ches Ta­lent zeigt sich hier. Man wünscht sich mehr.


Die kur­siv ge­setz­ten Pas­sa­gen sind Zi­ta­te aus dem be­spro­che­nen Buch.

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Mä­ke­lei­en
    In der neu­en edit (Heft 53) ist ei­ne Ge­schich­te von H.v.H, »Kriem­hilds Helm«, die mir ei­gent­lich gut ge­fällt. Doch brauch­te ich ei­ne Zeit, mir das zu­ge­ben zu kön­nen, und könn­te – au­ßer, dass sie auf ei­ge­ne Wei­se dicht ge­schrie­ben ist, was ei­nen ge­wis­sen Sog an sich er­zeugt – nicht sa­gen, war­um. Man un­ter­hält sich gut – aber ein biss­chen ist es auch, als wür­de man ins Lee­re lau­fen. Und wenn man die Stil­mit­tel dann et­was ge­nau­er un­ter­sucht, sind sie ei­gent­lich nicht neu, auch nicht »ei­gen«, son­dern nur in ei­ner (ver­mut­lich da­hin ent­wickel­ten) In­gre­di­en­zen­mi­schung gut ge­setzt.

    Ich sel­ber brau­che auch kei­ne Auf­dring­lich­kei­ten, kei­ne »mes­sa­ge«, aber emp­fin­de sol­che In­ten­ti­ons­lo­sig­keit, die vor­neh­me Ab­we­sen­heit jeg­li­chen spür­ba­ren In­ter­es­ses, die­se letzt­li­che Drang­lo­sig­keit (oder mir eben als sol­che er­schei­nen­de) dann als ei­ne l’art pour l’art... die dann doch kei­nen Mehr­wert er­zeugt. Ins­ge­samt et­was blut­leer.

    Wo­mög­lich passt die­se Hal­tung zu dem be­spro­che­nen Er­zähl­band – aber ich fra­ge mich, ob mich sol­ches »Über­leb­te«, das tat­säch­lich fast et­was Alt­mo­di­sche sei­ner Pro­sa­qua­li­tä­ten, auf ei­ne län­ge­re Strecke in­ter­es­sie­ren wür­de?

    UND ich fra­ge mich, ob die­se gleich­falls et­was alt­mo­di­schen, in man­chen Zü­gen so­gar viel­leicht nabokov’schen Qua­li­tä­ten (et­wa in den Per­so­nen­zeich­nun­gen: Ge­nau­ig­keit ei­ner­seits, Un­be­stimmt­heit an­de­rer­seits) nicht längst wie­der ei­ne an­ge­peil­te, so­gar durch die an­ge­spro­che­nen Schreib­schu­len re-ani­mier­te sind. (Die »Tech­nik« ei­nes Tex­tes wie­der bis zur Un­kennt­lich­keit auf­zu­lö­sen – und man lan­det bei arg klas­si­scher Li­te­ra­tur à la Flau­bert.) Und man ge­nießt das, weil man zu­min­dest die Text­tie­fe bei den an­de­ren eher ver­misst?

    Aber viel­leicht sind das auch nur Mä­ke­lei­en, wenn’s schön zu le­sen ist. Ich den­ke, ich se­he mir das Buch mal an.

     

  2. Tja, viel­leicht rüh­ren sie in ei­ner klei­nen Wun­de. Es ist viel­leicht wirk­lich et­was »Alt­mo­di­sches«, aber so, dass es mir ei­gent­lich ganz gut zu tun scheint, wil es nicht ganz ge­heim­nis­los und nicht ganz so vor­der­grün­dig ist wie bspw. die Pop­li­te­ra­ten agi(ti)eren. Das emp­fän­de ich als viel blut­lee­rer, vor al­lem in der Nach­wir­kung: Man ist noch be­rauscht wäh­rend des Le­sens, amü­siert sich köst­lich – aber nach zwei Ta­gen weiss man nicht mehr, was man ge­le­sen hat.

    Mein Schreib­schul­pas­sus ist da ver­mut­lich tat­säch­lich ein Un­fall – ich weiss in Wirk­lich­keit ja gar nicht, was da so ge­lehrt wird.