Hei­ke Geiß­ler: Die Wo­che

Heike Geißler: Die Woche

Hei­ke Geiß­ler: Die Wo­che

Der Ro­man »Die Wo­che« von Hei­ke Geiß­ler ist die Lang­form ei­nes im Som­mer 2021 beim In­ge­borg-Bach­mann-Preis ge­le­se­nen Tex­tes mit dem glei­chen Na­men. Die Ich-Er­zäh­le­rin (ein­mal nur »H.« ge­nannt) und ih­re Freun­din, Con­stan­ze, han­geln sich durch ein Leip­zig, wel­ches sie be­stimmt se­hen durch die mon­täg­li­chen »Pegida«-Demonstrationen. Ir­gend­wann scheint im­mer Mon­tag zu sein; die an­de­ren Wo­chen­ta­ge ver­schwin­den. Die bei­den, um die 40 und noch in der DDR so­zia­li­siert, sind bei den Ge­gen­de­mon­stran­ten und be­zeich­nen sich im Über­schwang auch schon ein­mal als »pro­le­ta­ri­sche Prin­zes­sin­nen«. Wäh­rend Con­stan­ze dem Be­ruf der »Pro­duk­ti­ons­as­si­sten­tin« nach­zu­ge­hen scheint (oder schien), ist H. Mut­ter von zwei Kin­dern. Ne­ben den De­mos be­sucht man Fit­ness­stu­di­os (da­bei wird ge­ach­tet, dass man bei ei­ner Übung nicht den rech­ten Arm he­ben muss – es könn­te ja ein Hit­ler­gruß sein) und un­ter­nimmt Rei­sen – nach Frei­berg, Pa­ris, Rom oder Zü­rich.

Ge­fühlt be­ginnt je­der zwei­te Satz in dem Buch mit ei­nem agi­ta­to­ri­schen »wir«, was na­tür­lich Dy­na­mik, Kampf­geist und die rich­ti­ge Hal­tung aus­drücken soll. Tat­säch­lich wird ei­nem die­ser zwi­schen Po­lit­sprech der 1980er Jah­re und Pseu­doi­ro­nie chan­gie­ren­de Duk­tus schnell ran­zig. Man­ches ist noch sorg­sam ge­drech­selt wie »Wir wol­len kei­ne Waf­fen ha­ben, aber Waf­fen sein.« Oder »Wir ste­hen am Rand ei­nes Krie­ges« (was in An­be­tracht der ak­tu­el­len La­ge deut­lich macht, welch’ ein Un­sinn das ist). Und ir­gend­wann, wenn man längst auf­ge­ge­ben hat, je­den Schmar­ren in die­sem Buch an­zu­strei­chen, soll man auch noch das ka­putt ma­chen, was ei­nem ka­putt macht und ja, das ist lu­stig ge­meint, aber vor lau­ter Gäh­nen blieb mir das La­chen im Hals stecken. Si­cher, es geht auch ori­gi­nell (»Wir ha­ben die Welt auf­ge­ge­ben, aber das wis­sen wir noch nicht.«) und bis­wei­len auch selbst­kri­tisch zu (»Wir neh­men uns selbst zur Brust«). Da ist Pa­thos (»Wir hal­ten der Welt­po­li­tik und der Lo­kal­po­li­tik un­se­re Träu­me ent­ge­gen.«), Trotz (»Wir hö­ren der Welt nicht mehr zu.«), Ver­zweif­lung (»Wir sind re­kon­va­les­zent.«), Wut (»Wir zie­hen wei­ter. Wir räu­men jetzt auf.«) und deut­sche Frie­dens­be­we­gungs­tra­di­ti­on (»Wir schrei­ben jetzt auf Bett­la­ken«).

Ne­ben den »Mei­ste­rin­nen der ver­geb­li­chen Hand­lun­gen« (in die­sem Text wird na­tür­lich durch­gän­gig die Gen­der-Dop­pel­form ver­wen­det) be­völ­kern vo­gel­wild durch­ein­an­der di­ver­se an­de­re Fi­gu­ren den Ro­man. Ei­ne trägt den Na­men »der Tod«, ei­ne an­de­re das »Un­sicht­ba­res Kind«. Di­ver­se Spat­zen, die an Dis­kus­sio­nen teil­neh­men, tre­ten auf; Rie­sen und ein Ka­rus­sell (Li­ste un­voll­stän­dig). Zwi­schen­durch Zi­ta­te von Brecht, Pe­ter Hacks, den Ge­brü­dern Grimm, La­can, dem »Un­sicht­ba­ren Ko­mi­tee« und vie­len an­de­ren (am En­de des Bu­ches fein säu­ber­lich auf­ge­li­stet). Im­mer wie­der wird der zä­he Brei mit ei­nem gro­ßen Phra­sen­löf­fel um­ge­rührt. Ein biss­chen Ka­pi­ta­lis­mus­kri­tik hier, ei­ne Pri­se Gen­tri­fi­zie­rung da, ei­ne Mes­ser­spit­ze DDR-Nost­al­gie zur Ab­run­dung. Fer­tig ist das sich ge­heim­nis­voll ge­ben­de »Ma­ni­fest in Men­schen­form«. So si­mu­liert man Be­deu­tung und Tie­fe. In Wahr­heit je­doch blickt man auf ei­ne As­so­zia­ti­ons­müll­kip­pe.

»Die Wo­che« ist ei­ne Mi­schung aus Agit­prop-Thea­ter, El­frie­de Je­lin­eks Erst­lin­gen und So­zi­al­kitsch à la An­ke Stel­ling. Wo­bei: Nichts ge­gen Je­li­nek, die bei­spiels­wei­se in ih­rem »wir sind lock­vö­gel baby!«-Buch sprach­sou­ve­rän so­wohl den Pop-Ro­man mit sei­ner Pseu­do-Cool­ness als auch die In­ner­lich­keits­phra­sen der 1970er Jah­re de­kon­stru­ier­te und per­si­flier­te. Nichts da­von bei Geiß­ler. Ihr Text war schon in Kla­gen­furt zu lang. Als Ro­man ist er ei­ne Qual.

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. el­fen­bein­turm­rui­ne. zu­ge­wach­sen. jam­mern, be­rech­tigt. nir­gends 1 ein­horn, das Sie ret­ten könn­te, die welt ist JETZT... wie scha­de: bis­her wa­ren Sie zu­flucht