Hen­ry Kis­sin­ger: Welt­ord­nung / Staats­kunst

Be­reits in Hen­ry Kis­sin­gers 2014 auf deutsch er­schie­ne­nem Buch »Welt­ord­nung« tauch­te der Be­griff der »Staats­kunst« als ein At­tri­but für po­li­tisch ver­ant­wor­tungs­vol­les und weit­sich­ti­ges Agie­ren auf. Die er­sten Prot­ago­ni­sten, die sich laut Kis­sin­ger die­sen Ti­tel ver­die­nen, wa­ren die Me­dia­to­ren des West­fä­li­schen Frie­dens, mit dem 1648 der mör­de­ri­sche und blu­ti­ge Drei­ßig­jäh­ri­ge Krieg in Eu­ro­pa be­en­det wur­de. In ...

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Ma­rit Heuß: Pe­ter Hand­kes Bild­poe­tik

Zu­nächst ein­mal über­rascht das Vo­lu­men der Ar­beit von Ma­rit Heuß’ Werk über die Bild­poe­tik Pe­ter Hand­kes. Es sind – ex­klu­si­ve Li­te­ra­tur- und Ab­bil­dungs­ver­zeich­nung 460 Sei­ten. Von den 61 durch­gän­gig schwarz-wei­­ßen Ab­bil­dun­gen sind 50 aus den No­tiz­bü­chern Hand­kes. Zehn zei­gen für Hand­ke es­sen­ti­el­le Kunst­wer­ke, un­ter an­de­rem von Paul Cé­zan­ne, Ni­co­las Pous­sin und Fran­cis­co de Zur­barán. Heuß ...

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An­dré Dhô­tel: Ber­nard der Faul­pelz

»Ber­nard ar­bei­te­te in ei­nem Bü­ro im er­sten Stock der Fir­ma Bar­rau­dat. Ber­nard Cas­min war der Sohn ei­nes Volks­schul­leh­rers, der im Dé­part­ment Som­me ge­ar­bei­tet hat­te und dort nun im Ru­he­stand leb­te. Er hat­te sie­ben Brü­der, die al­le­samt recht gut da­stan­den.« So be­ginnt An­dré Dhô­tels 1952 erst­ma­lig in Frank­reich er­schie­ne­ner Ro­man »Ber­nard der Faul­pelz«. Ber­nard galt als ...

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Szc­ze­pan Twar­doch: De­mut

Alo­is Po­ko­ra, 1891 in Ober­schle­si­en ge­bo­ren, Leut­nant des Schle­si­schen Pio­­nier-Ba­tail­­­lons Nr. 6, kämpft am 23. Ok­to­ber 1918 um drei Uhr sie­ben­und­zwan­zig ir­gend­wo in Flan­dern für den Deut­schen Kai­ser. Er ist längst des­il­lu­sio­niert, was den Krieg an­geht und schwärmt bis­wei­len von der letz­ten Be­geg­nung mit sei­ner Lie­be Agnes, sechs Mo­na­te zu­vor. Jetzt ist er im Schüt­zen­gra­ben ...

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Pe­ter Hand­ke: In­ne­re Dia­lo­ge an den Rän­dern

Seit 1977 ver­öf­fent­licht Pe­ter Hand­ke Jour­na­le. Es han­delt sich um ei­ne Aus­wahl aus sei­nen sehr viel um­fang­rei­che­ren No­tiz­bü­chern Die ver­wen­de­ten Ein­trä­ge wer­den für die Pu­bli­ka­ti­on bis­wei­len leicht be­ar­bei­tet. 2016 er­schien mit »Vor der Baum­schat­ten­wand nachts« ei­ne Aus­wahl der No­ti­zen von 2007 bis En­de 2015, die mit Zeich­nun­gen des Au­tors er­gänzt wur­den. Und nun, wie­der­um zeit­nah, ...

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»Be­dürf­nis nach Ver­ständ­nis«

Be­mer­kun­gen über zwei Ro­ma­ne des No­bel­preis­trä­gers Ab­dul­razak Gur­nah Es war schon ei­ne klei­ne Über­ra­schung, als die Schwe­di­sche Aka­de­mie Ab­dul­razak Gur­nah den Li­te­ra­tur­no­bel­preis 2021 zu­sprach. Bin­nen we­ni­ger Mi­nu­ten wa­ren die On­­li­ne-An­ti­­qua­ria­te mit ih­ren Rest­be­stän­den aus­ver­kauft oder ver­lang­ten Mond­prei­se. Der Preis­trä­ger war kei­ner der üb­li­chen »Ver­däch­ti­gen« und in Deutsch­land weit­ge­hend un­be­kannt. Ge­bo­ren wur­de Gur­nah 1948 in San­si­bar, ...

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Pe­ter Hand­ke: Zwie­ge­spräch

Da ist die­se Wid­mung zu Be­ginn von »Zwie­ge­spräch«, dem neue­sten Buch von Pe­ter Hand­ke: »für Ot­to San­der und Bru­no Ganz«. So­fort er­in­nert man sich an Cas­siel und Da­miel, die bei­den »En­gel« aus dem »Him­mel über Ber­lin«, dar­ge­stellt und ver­kör­pert von eben­je­nen Schau­spie­lern. Stellt man sich nun die bei­den bei der Lek­tü­re vor? Ima­gi­niert de­ren Duk­tus ...

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An­na Baar: Di­vân mit Schon­be­zug

Anna Baar: Divân mit Schonbezug
An­na Baar: Di­vân mit Schon­be­zug

Knapp ein Jahr nach ih­rem spie­le­risch-ex­pres­sio­ni­sti­schen Ro­man »Nil«, der ins­be­son­de­re in den deut­schen Feuil­le­tons ver­mut­lich auf­grund sei­ner Kom­ple­xi­tät eher ge­mie­den wur­de, legt An­na Baar mit »Di­vân mit Schon­be­zug« nun (vor­der­grün­dig) ei­nen Er­zähl­band vor. Dass das In­halts­ver­zeich­nis am En­de des Bu­ches steht, ist kein Lap­sus. Denn tat­säch­lich sind die 30 Er­zäh­lun­gen (mit sehr un­ter­schied­li­chen Län­gen – von ei­ner bis drei­zehn Sei­ten) mit­ein­an­der ver­wo­ben und selbst die schein­bar ab­sei­ti­gen, meist kur­zen, an­ek­do­tisch ge­hal­te­nen Split­ter fü­gen sich in den Kor­pus ein.

Da­bei ist er­staun­lich, mit wel­cher Bril­lanz An­na Baar zwi­schen Em­pö­rung und Fu­ror über die po­li­ti­schen Ver­hält­nis­se (vor al­lem in Kärn­ten und im De­tail an der »Land­rand­haupt­stadt K.«) und Fa­mi­li­en­ge­schich­ten, Kind­heits­er­in­ne­run­gen und Rei­se­er­leb­nis­sen pen­delt und zu ei­nem ein­drucks­vol­len Er­zähl­kunst­werk ver­knüpft.

Im­mer wie­der wird zwi­schen Per­sön­li­chem und Öf­fent­li­chem chan­giert. Da wird ei­ne rhe­to­ri­sche Glut ent­facht, die bei der Ge­schich­te Kärn­tens und dem Ver­hal­ten der Deutsch-Öster­rei­cher den Kärt­ner Slo­we­nen ge­gen­über in ein ve­ri­ta­bles Feu­er über­geht. »End­lich wa­ren die Bö­sen be­nannt«, so re­ka­pi­tu­liert die Er­zäh­le­rin: »Es wa­ren die Kärnt­ner Slo­we­nen, und, schlim­mer noch: Ju­go­sla­wen, denn die wa­ren drauf aus, sich Kärn­ten an­zu­eig­nen. Die Gu­ten aber wa­ren die Män­ner vom Hei­mat­dienst, Lan­des­ver­tei­di­gungs­mei­ster in statt­li­chen Uni­for­men, die man auf den Fo­tos aus­gie­big be­wun­dern konn­te.« Und sie er­in­nert sich als Kind auf dem Stifts­gym­na­si­um zu­sam­men mit vier an­de­ren nicht auf­ge­zeigt zu ha­ben, als es dar­um ging, sich zur Zwei­spra­chig­keit zu be­ken­nen.

Die Flam­men die­ses rhe­to­ri­schen Feu­ers schla­gen kas­ka­den­haft bei der Ge­gen­wart in die Hö­he, ei­ne Ge­gen­wart, die sich auf die Ver­gan­gen­heit be­zieht, ein Kon­ti­nu­um bil­det, ein un­heil­vol­les. Wer kennt ihn nicht, den ehe­ma­li­gen Lan­des­haupt­mann, der mit 142 km/h töd­lich ver­un­glück­te aber im­mer­hin ei­ne Gas­se im Zen­trum von Kla­gen­furt er­hal­ten hat, ge­nau wie je­ner Arzt, der wäh­rend des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus Men­schen ka­strier­te. Wäh­rend man Gerd Jon­ke und Chri­sti­ne La­vant als Stra­ßen­pa­ten an die Rän­der schiebt. Denn »Stra­ßen sind ge­dul­dig. Sie kön­nen nichts für die Na­men, die sie un­ge­ach­tet der red­li­chen Ein­woh­ner tra­gen.«

Es wech­selt zwi­schen Auf­ruhr und Re­si­gna­ti­on. Mit »Die Wahr­heit bleibt un­zu­mut­bar« wird die be­rühm­te In­ge­borg Bach­mann kon­tra­stiert, um we­nig spä­ter das Un­zu­mut­ba­re aus­zu­spre­chen. Die Er­zäh­le­rin, der man auf­grund von ei­ni­gen In­di­zi­en ei­ne gro­ße Nä­he zur Au­torin at­te­stie­ren darf, kam ir­gend­wann aus ei­nem in­zwi­schen nicht mehr exi­stie­ren­den Land mit ei­ni­gen an­de­ren Fa­mi­li­en­mit­glie­dern nach Öster­reich, nach Kärn­ten. Im Ge­burts­land wie im neu­en Land die ähn­li­che Er­fah­rung: Die Her­kunft wird be­stim­mend, gar ent­schei­dend. Sie tarnt sich mit »Hel­den­ge­schich­ten«, »war die ruhm­rei­che Toch­ter mei­ner rö­mi­schen Mut­ter«. Wunsch ei­nes an­de­res An­ders­sein als das ih­rer Her­kunft. Schließ­lich schloss sie sich de­nen an, »die eben­so fremd wa­ren« wie sie sel­ber, »je­den­falls ähn­lich be­frem­det.« In die­sem Kos­mos »gab es nur eng­li­sche Lie­der«.

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