Mar­tin van Cre­veld: Ge­sich­ter des Krie­ges

Martin van Creveld: Gesichter des Krieges
Mar­tin van Cre­veld: Ge­sich­ter des Krie­ges

Die Fra­ge, die zur Zeit nicht nur Mi­li­tärs be­schäf­tigt, wird zum Kri­stal­li­sa­ti­ons­punkt im Buch des is­rae­li­schen Mi­li­tär­hi­sto­ri­kers Mar­tin van Cre­veld »Die Ge­sich­ter des Krie­ges«: Gibt es ei­nen Aus­weg, oder sind re­gu­lä­re, staat­li­che Ar­meen zu­künf­tig zur Ohn­macht ge­gen­über klei­nen, häu­fig schlecht or­ga­ni­sier­ten Grup­pen von Ter­ro­ri­sten ver­dammt? In Be­zug auf die der­zeit ein­zig ver­blie­be­ne Su­per­macht USA und de­ren ak­tu­el­ler Kriegs­füh­rung im Irak stellt sich die Fra­ge poin­tier­ter: Was, wenn nicht ein­mal ei­ne der­art hoch­ge­rü­ste­te Mi­li­tär­macht ge­gen Ter­ro­ri­sten und Gue­ril­las re­üs­sie­ren kann?

Will man die Ge­gen­wart ver­ste­hen, so stu­die­re man die Ver­gan­gen­heit sagt sich van Cre­veld und ana­ly­siert die Krie­ge des 20. Jahr­hun­derts und da­mit den »Wan­del be­waff­ne­ter Kon­flik­te von 1900 bis heu­te« (so der Un­ter­ti­tel). Das Un­ge­wohn­te da­bei ist, dass nicht nur, wie im Vor­wort er­läu­tert, die mi­li­tä­ri­schen Ope­ra­tio­nen selbst…der zen­tra­le Strang der Fra­ge­stel­lung blei­ben, son­dern (ins­be­son­de­re was die Be­hand­lung des Zwei­ten Welt­kriegs an­geht) die po­li­ti­schen und so­zia­len Im­pli­ka­tio­nen fast im­mer aus­ge­blen­det wer­den. Die­ses spe­zi­ell für den deut­schen Le­ser un­ge­wohn­te Ver­fah­ren wur­de wohl ei­ner­seits ge­wählt, weil an­son­sten der Rah­men der Un­ter­su­chung ge­sprengt wor­den wä­re, an­de­rer­seits setzt van Cre­veld schlicht­weg ein ge­wis­ses hi­sto­ri­sches Ba­sis­wis­sen vor­aus.

So wird der Le­ser zu­nächst in die Welt des be­gin­nen­den 20. Jahr­hun­derts mit sei­nen acht Groß­mäch­ten (in­klu­si­ve Ita­li­en), da­von fünf in Eu­ro­pa (wenn man Russ­land nicht hin­zu­rech­net; nur zwei Groß­mäch­te wa­ren au­ßer­halb des »al­ten« Kon­ti­nents: die USA und Ja­pan) ver­setzt. Da­bei wird deut­lich, dass der Ein­fluss der Po­li­tik auf das Mi­li­tär da­mals nur sehr ein­ge­schränkt war. Van Cre­veld spricht wohl oh­ne Über­trei­bung von Par­al­lel­wel­ten, die in der Pra­xis kaum Be­rüh­rungs­punk­te mit­ein­an­der hat­ten. Ober­kom­man­die­ren­de und Ge­ne­ral­stä­be wa­ren hin­sicht­lich ih­rer Ent­schei­dun­gen voll­kom­men aut­ark; die Mit­tel­ge­wäh­rung ge­schah oh­ne Auf­la­gen oder Kon­trol­le. Über die Aus­stat­tung ih­rer Ar­mee ent­schie­den sie weit­ge­hend al­lei­ne. Im Ver­lauf der Er­sten Welt­krie­ges (aber auch in den letz­ten Jah­ren Na­zi­deutsch­lands) soll­te sich die­se »Ar­beits­tei­lung« als schwer­wie­gen­der Feh­ler er­wei­sen, denn erst ein­mal »aus­ge­bro­chen« wa­ren die po­li­ti­schen Ak­teu­re na­he­zu voll­stän­dig an den Rand ge­drängt (was sich un­ter an­de­rem in Deutsch­land 1914 zeig­te; Wil­helm II. war da­nach so­wohl mi­li­tä­risch als auch po­li­tisch prak­tisch »macht­los«).

Van Cre­veld spricht das Wort der »Mi­li­tär­dik­ta­tur« nicht aus, es wird je­doch na­he­ge­legt min­de­stens was die Jah­re ab 1916 in ei­ni­gen kriegs­füh­ren­den Staa­ten an­geht. Hin­zu kam, dass die Ge­sell­schaf­ten durch­aus mi­li­ta­ri­siert wa­ren; die Ar­mee galt als »Schu­le der Na­ti­on«, Krieg als le­gi­ti­mes Mit­tel der in­ter­na­tio­na­len Po­li­tik. In der Be­völ­ke­rung wie un­ter In­tel­lek­tu­el­len gab es ei­ne ge­wis­se kind­li­che Fas­zi­na­ti­on dem be­waff­ne­ten Kampf ge­gen­über.

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