Haus Eu­ro­pa

Das einst hym­nisch be­schwo­re­ne »Haus Eu­ro­pa« hat seit ge­stern ei­ne neue, gro­ße Be­schä­di­gung er­fah­ren. Russ­lands Prä­si­dent Pu­tin hat die »Volks­re­pu­bli­ken« Do­nezk und Lu­hansk, die er sel­ber mit Hil­fe will­fäh­ri­ger Se­pa­ra­ti­sten als Pfahl im Ter­ri­to­ri­um der Ukrai­ne 2014 eta­bliert hat­te, jetzt so­zu­sa­gen di­plo­ma­tisch an­er­kannt. Das wi­der­spricht dem seit Jah­ren brach­lie­gen­den so­ge­nann­ten »Min­s­ker-Ab­­kom­­men« zwar, aber egal. So ...

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Russ­land, die Ukrai­ne und Zbi­gniew Brze­zin­ski

Ge­le­gent­lich hilft es ja, sich dem Me­di­en­stream aus­zu­set­zen. So wur­de ich auf ei­ne Dis­kus­si­on auf­merk­sam, in der es wie­der ein­mal um die Ukrai­ne, Russ­land und den We­sten ging. Der Zu­schnitt der Sen­dung war auf Kra­wall ge­bür­stet, der auch schon früh ein­trat. Der bis­her nicht durch po­li­ti­sche Ana­ly­sen be­son­ders her­vor­ge­tre­te­ne Börsen­händler Dirk Mül­ler wur­de als »Putin­ver­ste­her« an­ge­kün­digt und auch flugs von Eric Frey vom öster­rei­chi­schen »Stan­dard« als sol­cher de­kla­riert. Die­ses Eti­kett ist nicht neu; es dient al­len Denk­fau­len da­zu, lä­sti­ge An­sich­ten mit ei­nem Fe­der­strich zu dis­kre­di­tie­ren. Die Ge­schwin­dig­keit, mit der die­ses At­tri­but aus dem rhe­to­ri­schen Waf­fen­ar­se­nal ge­zo­gen wird, ist enorm. Es er­in­nert von Fer­ne an die Ein­wän­de der Rechts­kon­ser­va­ti­ven und Ver­trie­be­nen in den 1970er Jah­ren, die mit ähn­li­chen Pa­ro­len die Po­li­tik des Aus­gleichs der so­zi­al­li­be­ra­len Re­gie­rung mit den Län­dern Ost­eu­ro­pas dif­fa­mier­ten. »Vaterlands­verräter« war noch das mil­de­ste At­tri­but. Le­dig­lich auf die For­mu­lie­rung »Bre­sch­new-Ver­ste­her« ist da­mals nie­mals ge­kom­men, was ge­wis­se Rück­schlüs­se auf das heu­ti­ge Er­re­gungs­pre­ka­ri­at der so­zia­len Me­di­en zu­lässt.

In der o. e. Dis­kus­si­on spiel­te ein Buch ei­ne Rol­le, des­sen Kennt­nis of­fen­sicht­lich al­len Teil­neh­mern nicht glei­cher­ma­ßen ge­läu­fig war. Es heißt im deut­schen Ti­tel »Die ein­zi­ge Welt­macht – Ame­ri­kas Stra­te­gie der Vor­herr­schaft« und ist von Zbi­gniew Brze­zin­ski ver­fasst, dem Si­cher­heits­be­ra­ter ei­ni­ger (de­mo­kra­tisch do­mi­nier­ter) US-Re­gie­run­gen (ob of­fi­zi­ell oder in­of­fi­zi­ell). Das Buch ist von 1997 und gilt of­fen­bar als Ge­heim­tipp. Bei Ama­zon ist das gün­stig­ste An­ge­bot ak­tu­ell bei rund 190 Eu­ro; für ein Ta­schen­buch ein stol­zer Preis. Die Links auf die ko­sten­lo­se Zur­ver­fü­gung­stel­lung set­ze ich jetzt nicht um mich nicht straf­bar zu ma­chen – aber mit ein biss­chen Su­chen kann sich je­der ei­ne wenn auch schlecht for­ma­tier­te Ver­si­on als pdf her­un­ter­la­den (ein fin­di­ger Kopf ver­kauf­te für kur­ze Zeit den pdf-Aus­druck bei Ama­zon für 30 Eu­ro).

Um es vor­weg zu sa­gen: Die­se Lek­tü­re lohnt trotz des Zeit­ab­stands. Man muss Zbi­gniew Brze­zinskis The­sen in die­sem Buch nicht tei­len. Für Brze­zin­ski ist Po­li­tik ein Schach­spiel (der eng­li­sche Ti­tel ist ent­spre­chend: »The Grand Ch­ess­board«), in dem es vor al­lem dar­um geht, stra­te­gi­sche Vor­tei­le für die USA zu er­rin­gen um Macht­an­sprü­che zu er­hal­ten oder aus­zu­bau­en. Ins Zen­trum sei­ner Be­trach­tun­gen steht »Eu­ra­si­en« – der Raum von Lis­sa­bon bis Wla­di­wo­stok.

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Die Kri­se in der Ukrai­ne, die Rol­le der EU und das Po­si­ti­ons­pa­pier der Ne­os

Der Aus­gangs­punkt: Das Un­be­ha­gen mit Po­li­tik und Be­richt­erstat­tung

Es wä­re falsch zu be­haup­ten, dass die Me­di­en oder die Po­li­tik, die als ei­ne sol­che En­ti­tät gar nicht exi­stie­ren, in ih­rer Ge­samt­heit ein schwarz-wei­ßes Bild ge­zeich­net hät­ten und es noch im­mer tun, aber in der Brei­te der Be­richt­erstat­tung, in dem was man so hört, dem das auch der po­li­tisch we­nig In­ter­es­sier­te mit­be­kommt, tritt es deut­lich zu Ta­ge: Das Schwar­ze, das ist Russ­land oder per­so­na­li­siert: Pu­tin.

Die­ses Bild, das vie­le Bür­ger zu­min­dest ih­rem Ge­fühl nach für falsch hal­ten, be­darf der Kor­rek­tur, aber nicht im Sin­ne ei­ner Um­fär­bung, der Far­be Weiß, son­dern in der Wahl an­de­ren Dar­stel­lung, ei­ner in Grau­stu­fen: Aus­ge­wo­gen­heit statt zwei­er­lei Maß.

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Wä­re der Kapp-Putsch mit der Prä­senz heu­ti­ger Me­di­en viel­leicht ge­lun­gen?

Am 13. März 1920 be­setz­te der Reichs­wehr­ge­ne­ral Walt­her von Lütt­witz, Kom­man­dant der Ma­ri­ne­bri­ga­de Ehr­hardt, die laut Re­gie­rungs­be­schluss vom 29. Fe­bru­ar 1920 auf­gelöst wer­den soll­te, das Ber­li­ner Re­gie­rungs­vier­tel und er­nann­te den deutsch­na­tio­nal ge­son­ne­nen Be­am­ten Wolf­gang Kapp zum Reichs­kanz­ler. Die Re­gie­rung (ei­ne Ko­ali­ti­on aus SPD, den kon­ser­va­ti­ven Zen­trum und der li­be­ra­len DDP) floh zu­nächst aus Ber­lin nach Süd­deutsch­land. Die Un­ter­stüt­zung war trotz der zum Teil fru­strier­ten Reichs­wehr nicht breit ge­nug. So schreibt Go­lo Mann bei­spiels­wei­se über die »iro­nisch-neu­tra­le« Stel­lung Ge­ne­ral von Se­eckts: »…man wür­de se­hen, wie weit Kapp kä­me«. Der Putsch schei­ter­te nach fünf Ta­gen. Zum ei­nen ver­wei­ger­te die Ber­li­ner Mi­ni­ste­ri­al­bü­ro­kra­tie den Put­schisten ih­re Un­ter­stüt­zung. Noch hielt al­so ei­ne ge­wis­se Loya­li­tät der fra­gi­len Wei­ma­rer Re­pu­blik ge­gen­über. Zum an­de­ren rief der SPD-Vor­sit­zen­de Ot­to Wels zu ei­nem Ge­ne­ral­streik aus, des­sen Fol­gen et­wa­ige Sym­pa­thi­san­ten der Put­schi­sten zu­tiefst ver­un­si­cher­te.

Der Kapp-Putsch ist we­ni­ger im Ge­dächt­nis der Deut­schen ge­blie­ben als der 1923 in­iti­ier­te Hit­ler-Putsch, der am 8. No­vem­ber 1923 die baye­ri­sche Re­gie­rung für ab­ge­setzt er­klär­te. Auch die­ser Putsch­ver­such schei­ter­te nach we­ni­gen Ta­gen, die Po­li­zei kämpf­te ihn blu­tig nie­der. Auch hier al­so ei­ne Loya­li­tät den In­sti­tu­tio­nen des Staa­tes ge­gen­über. Dies war er­staun­lich ge­nug, denn Deutsch­land droh­te be­reits da­mals im Bür­ger­krieg zu ver­sin­ken.

Live-Ticker statt Ex­tra­blatt

Es ist nicht Zweck die­ses Tex­tes die hi­sto­ri­schen Im­pli­ka­tio­nen noch­mals zu be­leuch­ten; das ha­ben klü­ge­re Köp­fe schon aus­gie­big ge­tan und wer­den es wei­ter tun. Und na­tür­lich sind Par­al­le­len oder gar Ver­glei­che im­mer mit Vor­sicht zu ge­nie­ßen. In An­be­tracht der Bil­der aus der Ukrai­ne und der Es­ka­la­ti­on im Osten des Lan­des lässt mich aber ei­ne Fra­ge nicht mehr los: Was wä­re ei­gent­lich ge­we­sen, wenn es zu Zei­ten des Kapp-Put­sches (oder auch des Hit­ler-Put­sches) schon die heu­ti­ge me­dia­le Be­glei­tung ge­ge­ben hät­te? Wä­ren die­se Staats­strei­che dann viel­leicht an­ders ver­lau­fen? Gar er­folg­reich?

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