Re­zen­sie­ren nach Ge­ruch

Selbst un­ter Re­zen­sen­ten der Zei­tun­gen ist es üb­lich, dass ein Buch an­ge­le­sen, dann durch­ge­blät­tert wird und dann nach Ge­ruch re­zen­siert wird. Ba­zon Brock in ei­nem Vor­trag1. (Klei­ne Er­gän­zung hier­zu.) tran­skri­biert; Link zum Vor­trag lei­der de­ak­ti­viert ↩

Igno­ranz als Prin­zip

Am Don­ners­tag be­gin­nen die Bach­mann­preis­le­sun­gen – zwi­schen Fuß­ball-EM und Olym­pi­schen Spie­len. Nicht, dass die Ver­an­stal­tun­gen ir­gend­wie zu ver­glei­chen wä­ren, aber ich möch­te dann doch für je­de me­dia­le Ver­wen­dung der Flos­kel »Wett­le­sen« – des blöd­sin­nig­sten Be­grif­fes, den es für die­se Ver­an­stal­tung gibt – nur 10 Cent be­kom­men. Da­nach könn­te ich wohl ein oppu­len­tes Abend­essen mit Freun­den ab­hal­ten.

Man ist ja ge­neigt, je­de Prä­senz in den Me­di­en zu ei­ner sol­chen Ver­an­stal­tung (be­son­ders im Vor­feld) zu be­grü­ßen. Aber da man sich lei­der ein biss­chen aus­kennt, ist die Freu­de eher ge­ring. Da wird am 1. Ju­li in ei­ner Li­te­ra­tur­grup­pe auf Face­book lau­nig ge­fragt, wer denn den Preis ge­win­nen »soll«. Die Ant­wor­ten sind na­tur­ge­mäß eher fra­gend. Auf den Hin­weis, man ken­ne die Tex­te nicht, wer­den die Links zu den Vi­deo­por­traits der Le­sen­den ge­setzt. Als wür­de dies al­lei­ne schon et­was über die Qua­li­tät der Tex­te aus­sa­gen. Ei­nen Hin­weis dar­auf kon­tert man pat­zig, die Re­gu­la­ri­en wür­den nun nicht un­se­ret­we­gen ge­ändert – und nun be­ginnt man, die­se Re­gu­la­ri­en zu zi­tie­ren. Da­bei hät­te man bei vor­heriger Lek­tü­re ge­merkt, wie dumm die­se Fra­ge nach dem »ver­dien­ten« Preis ist, es sei denn, man fällt ein Ur­teil auf­grund der (zu­meist nichts­sa­gen­den) Por­trait­film­chen. (Nur als Hin­weis: Die Bei­trags­tex­te sind für die Öf­fent­lich­keit bis zum Zeit­punkt der Le­sung nicht zu­gäng­lich.) Wo­bei die Ver­wun­de­rung über die­se Form des Um­gangs mit Li­te­ra­tur auch nicht mehr so ganz neu­ar­tig ist. Igno­ranz als Prin­zip. Oder: Wer ist denn heu­te noch so klein­lich und ur­teilt auf­grund ei­nes vor­lie­gen­den Tex­tes?

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Chri­sti­an Kracht: Im­pe­ri­um

Christian Kracht: Imperium
Chri­sti­an Kracht: Im­pe­ri­um

Als die Ge­schich­te be­ginnt, ist Au­gust En­gel­hardt auf ei­nem Schiff die dün­nen Bei­ne über­ein­an­der­schla­gend und ei­ni­ge ima­gi­nä­re Krü­mel mit dem Hand­rücken von sei­nem Ge­wand wi­schend grim­mig über die Re­ling auf das öli­ge, glat­te Meer schau­end. Man ist am An­fang des 20. Jahr­hun­derts und der Ort, der an­ge­peilt wird, heißt Her­berts­hö­he. Deutsch­land hat Ko­lo­nien.

Au­gust En­gel­hardt hat es tat­säch­lich ge­ge­ben. Ei­ni­gen gilt er als »er­ster Aus­stei­ger«. Die Ein­schät­zun­gen differier(t)en zwi­schen Vi­sio­när und Spin­ner; Ten­denz zum letz­te­ren. En­gel­hardt war nach »Deutsch-Neu­­gui­nea« auf­ge­bro­chen, er­stand dort ei­ne Kokosnuss­plantage (mit die­bi­schem Ver­gnü­gen wird er­zählt, wie er be­reits beim Kauf übers Ohr ge­hau­en wird), grün­de­te ei­nen »Son­nen­or­den« und pfleg­te sei­nen »Ko­ko­vo­ris­mus«, d. h. ei­ne Art Kult um die aus­schließ­li­che Er­näh­rung durch die Ko­kos­nuss. Er tat dies meist split­ter­nackt, wo­bei die In­sel­be­woh­ner die­se Zivilisations­losigkeit des Mi­gran­ten zwar schockier­te, von ih­nen aber groß­zü­gig to­le­riert wur­de. Lei­der hat­te En­gel­hardt über­haupt kein mer­kan­ti­les Ta­lent (was forsch als Ka­pi­ta­lis­mus­kri­tik um­ge­ar­bei­tet wer­den konn­te), plag­te sich zu­se­hends mit leprö­sen Schwä­ren, wur­de am En­de wahn­sin­nig und starb dann kurz nach dem Er­sten Welt­krieg. So weit, so gut. Aber es geht – wie fast im­mer – nicht nur um Fak­ten, es geht um Li­te­ra­tur. So dich­tet Kracht sei­nem Ro­man-Per­so­nal ei­ni­ges an, ver­quirlt es mit tat­säch­lich Ge­sche­he­nem und et­li­chen An­ek­döt­chen und das in ei­ner ma­nie­riert-ba­rocken Spra­che, ei­ner Mi­schung aus El­frie­de-Je­li­nek-Duk­tus und »Prospero’s Books« von Pe­ter Greena­way mit ei­ner Pri­se Ro­bin­son-Crusoe-Aben­teu­rer­tum (man be­ach­te die Per­so­na­lie Ma­ke­li, En­gel­hardts »Frei­tag«, der am Schluss dann Faust II und Ib­sens »Ge­spen­ster« in deut­scher Spra­che vor­ge­tra­gen zu wür­di­gen weiß). Ab­ge­run­det wird dies mit ei­nem schö­nen Um­schlag im Tim-und-Strup­pi-Look (und ir­gend­wie an Mi­cha­el On­da­at­jes neu­em Buch er­in­nernd).

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Lasst doch mal die Klei­nen nach vor­ne *

Ein Schmie­ren­thea­ter

Va­ter und Toch­ter in der Kü­che. Er hat ge­ra­de die Ja­va-Ma­schi­ne pro­gram­miert und in we­ni­gen Se­kun­den spru­delt ein Lat­te-Mac­chia­to in ein Ro­sen­thal-Glas. Die Toch­ter dreht ih­re Haar­spit­zen.

  • Ver­fick­te Schei­ße!
  • Bit­te?
  • Schei­ße.
  • Was ist, Klein­chen?
  • Ey, ich hab kei­nen Schul­ab­schluss, bin zwar ein Wun­der­kind, kann mir aber nix mer­ken, al­so mit dem Gott­schalk bei Wet­ten, dass, das geht auch nicht, au­sser ich könnt’ da mo­geln oder so.
  • Hm.
  • Was soll ich bloss ma­chen? Ich hab’ kei­nen Bock auf die­ses be­schis­se­ne Volks­büh­nen-Le­ben hier. Nur so als Grou­pie rum­tur­nen.

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Ei­ni­ges zu »Die mo­ra­wi­sche Nacht« von Pe­ter Hand­ke

Über das Ver­schwin­den der Vor­ur­tei­le zu er­zäh­len, das sei Epik – so heisst es an ei­ner Stel­le in der »Mo­ra­wi­schen Nacht« von Pe­ter Hand­ke. So ganz sind die­se Vor­ur­tei­le (oder Ur­tei­le) bei den Da­men und Her­ren Kri­ti­ker noch nicht ver­schwun­den – es wird reich­lich Bu­ße fest­ge­stellt und manch­mal kann es schlim­mer sein, so hin­ter­rücks, so ...

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