
Karadag Oktober 13
Dabei hatte Esther Kinsky ihre Reiseimpressionen – unberührt der politischen Aktualitäten – schon im August 2014 in Norbert Wehrs »Schreibheft« (Ausgabe Nr. 83) unter dem Titel »Kurortne Oktober 13« publiziert. Für das vorliegende Buch hat sie ihre Texte entsprechend umgearbeitet und ergänzt. Aus dem »ich« wurde ein »wir«. Und sie kommentiert gelegentlich das Zusammensein mit Chalmers (»M.«) und dessen Reaktionen. Typographisch in einer anderen Schrift abgesetzt erzählt Chalmers das Geschehen ebenfalls, so dass der Leser von den gleichen Erlebnissen manchmal leicht divergierende Eindrücke erhält. Kinsky ist die präzisere Beobachterin, während Chalmers etwas häufiger historische Allegorien wie den Krimkrieg in seine Beobachtungen einfließen lässt. Zum Abschluss eines jeden Kapitels (bis auf Kapitel 11) folgen dann noch in kursiver Schrift Ausschnitte aus »The Russian Shores of the Black Sea«, den Reiseerzählungen von Laurence Oliphant (1829–1888), der im Herbst 1852 die Krim besucht hatte. Kinsky hat diese Stellen ins Deutsche übersetzt.
Beide, Kinsky und Chalmers, nehmen zuweilen direkt Bezug auf Oliphants Buch. Kinskys Bewertungen sind durchaus ambivalent. So attestiert sie Oliphant, das Buch mit »sarkastischer Verachtung« und »herablassend« geschrieben zu haben. Der Brite verachtete die bereits damals auf der Krim dominierenden Russen, während er die Tataren als den Russen weit überlegen darstellte. Tatsächlich wirkt Oliphants Text heutzutage an einigen Stellen journalistisch-überheblich.