Esther Kinsky/Martin Chal­mers: Ka­ra­dag Ok­to­ber 13

Esther Kinsky/Martin Chalmers: Karadag Oktober 13
Esther Kinsky/Martin Chal­mers:
Ka­ra­dag Ok­to­ber 13
»Ka­ra­dag Ok­to­ber 13« lau­tet der Ti­tel ei­nes Reise­erzählungsbands von Esther Kin­sky und Mar­tin Chal­mers, und ob­wohl die Rei­se, die zu die­sen »Auf­zeich­nun­gen von der kal­ten Krim« führ­ten, erst zwei Jah­re zu­rück­liegt, wirkt das Buch fast schon hi­sto­risch. Zum ei­nen ge­hört die Krim seit Früh­jahr 2014 nicht mehr zum Ho­heits­ge­biet der Ukrai­ne. Und zum an­de­ren ist mit Mar­tin Chal­mers ei­ner der Mit­rei­sen­den und Mit­au­toren des Bu­ches im Ok­to­ber 2014, ein Jahr nach der Rei­se mit Esther Kin­sky, ver­stor­ben. Da Chal­mers sei­ne No­ti­zen für das Buch nicht mehr ausformu­lieren konn­te, hat Esther Kin­sky, wie sie in ei­nem kur­zen Nach­wort er­klärt, die skiz­zen­haf­ten Auf­zeich­nun­gen ent­spre­chend be­las­sen.

Da­bei hat­te Esther Kin­sky ih­re Rei­se­im­pres­sio­nen – un­be­rührt der po­li­ti­schen Ak­tua­li­tä­ten – schon im Au­gust 2014 in Nor­bert Wehrs »Schreib­heft« (Aus­ga­be Nr. 83) un­ter dem Ti­tel »Kur­ort­ne Ok­to­ber 13« pu­bli­ziert. Für das vor­lie­gen­de Buch hat sie ih­re Tex­te ent­spre­chend um­ge­ar­bei­tet und er­gänzt. Aus dem »ich« wur­de ein »wir«. Und sie kom­men­tiert ge­le­gent­lich das Zu­sam­men­sein mit Chal­mers (»M.«) und des­sen Re­ak­tio­nen. Ty­po­gra­phisch in ei­ner an­de­ren Schrift ab­ge­setzt er­zählt Chal­mers das Ge­sche­hen eben­falls, so dass der Le­ser von den glei­chen Er­leb­nis­sen manch­mal leicht di­ver­gie­ren­de Ein­drücke er­hält. Kin­sky ist die prä­zi­se­re Be­ob­ach­te­rin, wäh­rend Chal­mers et­was häu­fi­ger hi­sto­ri­sche Al­le­go­rien wie den Krim­krieg in sei­ne Be­ob­ach­tun­gen ein­flie­ßen lässt. Zum Ab­schluss ei­nes je­den Ka­pi­tels (bis auf Ka­pi­tel 11) fol­gen dann noch in kur­si­ver Schrift Aus­schnit­te aus »The Rus­si­an Shores of the Black Sea«, den Rei­se­er­zäh­lun­gen von Lau­rence Oli­phant (1829–1888), der im Herbst 1852 die Krim be­sucht hat­te. Kin­sky hat die­se Stel­len ins Deut­sche über­setzt.

Bei­de, Kin­sky und Chal­mers, neh­men zu­wei­len di­rekt Be­zug auf Oli­phants Buch. Kin­skys Be­wer­tun­gen sind durch­aus am­bi­va­lent. So at­te­stiert sie Oli­phant, das Buch mit »sar­ka­sti­scher Ver­ach­tung« und »her­ab­las­send« ge­schrie­ben zu ha­ben. Der Bri­te ver­ach­te­te die be­reits da­mals auf der Krim do­mi­nie­ren­den Rus­sen, wäh­rend er die Ta­ta­ren als den Rus­sen weit über­le­gen dar­stell­te. Tat­säch­lich wirkt Oli­phants Text heut­zu­ta­ge an ei­ni­gen Stel­len jour­na­li­stisch-über­heb­lich.

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Die Kri­se in der Ukrai­ne, die Rol­le der EU und das Po­si­ti­ons­pa­pier der Ne­os

Der Aus­gangs­punkt: Das Un­be­ha­gen mit Po­li­tik und Be­richt­erstat­tung

Es wä­re falsch zu be­haup­ten, dass die Me­di­en oder die Po­li­tik, die als ei­ne sol­che En­ti­tät gar nicht exi­stie­ren, in ih­rer Ge­samt­heit ein schwarz-wei­ßes Bild ge­zeich­net hät­ten und es noch im­mer tun, aber in der Brei­te der Be­richt­erstat­tung, in dem was man so hört, dem das auch der po­li­tisch we­nig In­ter­es­sier­te mit­be­kommt, tritt es deut­lich zu Ta­ge: Das Schwar­ze, das ist Russ­land oder per­so­na­li­siert: Pu­tin.

Die­ses Bild, das vie­le Bür­ger zu­min­dest ih­rem Ge­fühl nach für falsch hal­ten, be­darf der Kor­rek­tur, aber nicht im Sin­ne ei­ner Um­fär­bung, der Far­be Weiß, son­dern in der Wahl an­de­ren Dar­stel­lung, ei­ner in Grau­stu­fen: Aus­ge­wo­gen­heit statt zwei­er­lei Maß.

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