Im Rahmen der Diskussion um die sogenannte »Causa Tellkamp« und die hastige Distanzierung von Tellkamps Verlag Suhrkamp von dessen Gesagtem in der Podiumsdiskussion gibt es einen interessanten Text des Deutschlandfunk-Redakteurs Jan Drees. Überschrieben ist er mit »Wer sich distanziert, drückt sich vor dem Dialog«. Im Text selber findet sich diese Aussage in leicht abgeschwächter Form: »Die Distanzierung ist eine Abwehrhaltung, die in den meisten Fällen keinen Respekt mehr kennt. Die Distanzierung will sich mit dem Anderen als Anderen nicht mehr auseinandersetzen, sondern lediglich markieren: ‘Ich bin anders, reden will ich aber nicht.’ «
Die These dieses Textes ist schlüssig. Wer in die medialen Erregungsströme hineinhorcht findet plötzlich die »Distanzierungen« zu Hauf. Drees selber verwässert die Differenz zum Widerspruch etwas. Wenn er etwa Olaf Scholz’ Gegenrede zu den Hartz-IV-Thesen von Jens Spahn als »Distanzierung« sieht statt als Widerspruch.
Tatsächlich ist sauber zu trennen zwischen Widerspruch und Distanzierung. Der Widerspruch ist ein diskursives Mittel. Mit ihm wird (im Idealfall, also wenn er argumentativ stattfindet) eine Debatte weitergeführt. Wichtig wäre, dass Journalisten, also die Gatekeeper eines solchen meist über Bande (vulgo: Medien) stattfindenden Diskurses ihre eigenen Meinung(en) nicht in die Beschreibung der Debatte einfließen lassen.
Distanzierung ist – da trifft Drees ins Schwarze – das Gegenteil des Diskurses. Wer sich distanziert, verstösst den/diejenige(n) aus dem Diskursraum als persona-non-grata. Eine kuschelige Gemeinschaft übt sich mit der Distanzierung in eine (virtuelle) Verbannung. Die Distanzierung gibt zu verstehen: Hier ist jemand nicht (mehr) satisfaktionsfähig. Die Diskurs-»Differenz«, von der Drees schreibt, ist unüberbrückbar geworden.