Mi­cha­el An­ge­le: Schirr­ma­cher

Michael Angele: Schirrmacher - Ein Portrait
Mi­cha­el An­ge­le:
Schirr­ma­cher – Ein Por­trait

Zu Be­ginn sei­nes als »Por­trait« aus­ge­wie­se­nen Bu­ches be­rich­tet Mi­cha­el An­ge­le, dass er nur zwei E‑Mails von Frank Schirr­ma­cher er­hal­ten hat­te. Bei­de ha­be er ge­löscht. Den Vor­wurf der Nä­he zu sei­nem por­trai­tier­ten Sub­jekt kann man ihm al­so schwer­lich ma­chen. Im wei­te­ren Ver­lauf des Bu­ches wird die­se An­nah­me be­stä­tigt. Ich hin­ge­gen ha­be nur zwei Tweets von Schirr­ma­cher er­halten. Ei­ner als Re­ak­ti­on auf die­sen Text des­sen Link ich ihm ge­schickt hat­te. Er zeigt an, dass Thi­lo Sar­ra­zin in sei­nem eu­ro­kri­ti­schen Buch zu ei­nem gro­ßen Teil aus FAS und FAZ zi­tiert. Er fand das »sehr in­ter­es­sant« (mehr nicht). Von »Nä­he« al­so auch bei mir kei­ne Spur.

Es dro­hen zwei Sze­na­ri­en mit ei­nem Buch, dass sich »Schirr­ma­cher« nennt: Zum ei­nen könn­te es ei­ne Ha­gio­gra­phie wer­den. Oder je­mand möch­te Schirr­ma­cher de­mon­tie­ren, dem arg­lo­sen Le­ser dunk­le Sei­ten des Me­di­en­men­schen und Feuil­le­to­ni­sten ent­hül­len. Nach der Re­zen­si­on in der SZ schien es sich um Letz­te­res zu han­deln. Wo­bei An­dri­an Kreye wohl ein an­de­res Buch ge­le­sen ha­ben muss, denn um ei­ne »Bio­gra­fie« han­delt es sich bei An­ge­le nun wirk­lich nicht. Und ob Schirr­ma­cher wirk­lich ein »bril­lan­ter Den­ker« war? Zwei­fel sind da er­laubt.

Aber was macht An­ge­le? Er be­fragt Weg­ge­fähr­ten, Kol­le­gen, Mit­lei­den­de, Ge­schass­te, Freun­de, Kum­pel. Am En­de, in ei­nem sehr le­sens­wer­ten Epi­log, auch noch Schirr­ma­chers Mut­ter. Vie­le der Zeu­gen woll­ten an­onym blei­ben, was An­ge­le ak­zep­tiert aber nicht da­von ab­hält, sie zu zi­tie­ren. Die End­no­ten, die er setzt, ge­ben das Da­tum des Ge­sprächs oder der Nach­richt an, nicht de­ren Ur­he­ber. An­ge­le lässt zu­wei­len auch di­ver­gie­ren­de Aus­sa­gen zu, was nur ober­fläch­lich be­trach­tet be­lie­big ge­nannt wer­den kann. Er weiss na­tür­lich wie un­zu­ver­läs­sig Zeu­gen sind. Aber er zeigt da­mit, wie Schirr­ma­cher längst in der Bran­che zum My­thos ge­wor­den ist. Da wird dann so­gar der Vo­gel­schiss »auf die Schul­ter des Her­aus­ge­bers« bei ei­nem Aus­flug zum Nie­der­wald­denk­mal zum be­rich­tens- und deu­tungs­wür­di­gen De­tail.

Wei­ter­le­sen ...

Die Kra­wall­schach­teln

Wenn man erst ein­mal weiß, dass ei­ni­ge (Polit-)Talkshows im (deut­schen) Fern­se­hen nach ge­wis­sen dra­ma­tur­gi­schen In­sze­nie­run­gen be­setzt wer­den – bei­spiels­wei­se um wäh­rend der Sen­dung or­dent­lich Kra­wall zu er­zeu­gen – kann man die­se per­ver­tier­te Form des Dis­kur­ses nur noch als lä­cher­li­ches Schmie­ren­thea­ter er­tra­gen. Sein ei­ge­nes Ur­teil wird man hier kaum schär­fen kön­nen, zu be­schei­den sind die in­tel­lek­tu­el­len Herausfor­derungen. Es spricht lei­der ei­ni­ges da­für, dass das Feuil­le­ton in ähn­li­ches Fahr­was­ser ab­drif­tet. Und nein: Da­mit sind nicht die (teil­wei­se zu Recht dis­kre­di­tier­ten) Twitter­lümmel und Blog­da­men und ‑her­ren ge­meint, die ih­re ge­sin­nungs­trie­fen­de Mei­nungs-Halb­bil­dung in die Welt hin­aus­po­sau­nen und je­des noch so klei­ne Phä­no­men skanda­lisieren. Längst hat das or­ga­ni­sier­te De­nun­zie­ren auch die sich selbst im­mer noch als Qua­li­täts­me­di­en be­zeich­nen­den In­sti­tu­tio­nen er­grif­fen.

Wei­ter­le­sen ...