Klick

A.d.L.e.R: Aus dem Le­ben ei­ner Rik­scha­fah­re­rin – Nr. 15

Hän­de­we­deln: Wir wol­len nicht fah­ren, Ka­me­ra­zei­gen: Wir wol­len nur ein Fo­to von uns ma­chen. Schritt zur Sei­te, ausm Bild: Bit­te schön. Klick, Klick, und jetzt noch von hier, so, Klick, dan­ke. Bit­te. Tschüss. Tschüss. – Wir lau­fen, wir müs­sen lau­fen, wir kön­nen noch lau­fen. Klick. Wir schaf­fens noch, ist das nicht an­stren­gend, kön­nen Sie da­von le­ben. Klick. – Von Links: Ka­me­ra-An­schlag, Fa­den­kreuz, Klick­klick. Es wä­re schön, wenn Sie erst fra­gen wür­den, be­vor Sie mich fo­to­gra­fie­ren. Klick, Klick, ver­schäm­tes Tri­umph­grin­sen: Die hab ich, Ab­wen­den: Ich wars nicht.

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Die Auf­ga­be der Re­gie­rung

A.d.L.e.R: Aus dem Le­ben ei­ner Rik­scha­fah­re­rin – Nr. 14

Neu­lich, am Nep­tun­brun­nen, un­ter schwe­ren Wol­ken, steigt ein jun­ger Mann bei mir ein. Er trägt frisch ge­wich­ste Schu­he, dun­kel­blaue Jeans und der blü­ten­wei­ße Hemd­kra­gen steht so läs­sig of­fen, wie ihm das Jacket von den schma­len Schul­tern fällt. Sei­ne Haut ist wie fri­scher Rahm, die Au­gen was­ser­blau. Er möch­te in die Staats­bi­blio­thek Un­ter den Lin­den, wir fah­ren los. So­gleich tut er kund, dass er sich ganz be­wusst für das umwelt­verträgliche Fahr­rad­ta­xi ent­schie­den ha­be. Ich lo­be ihn da­für. Er sagt, die En­er­gie­po­li­tik sei das Schwer­punkt­the­ma sei­nes En­ga­ge­ments in der Jun­gen Uni­on. Dann wirft er mit ei­ner ruck­ar­ti­gen Kopf­be­we­gung den Schopf aus der Stirn, holt Luft und setzt an zu ei­nem Vor­trag über sein Schwer­punkt­the­ma, den ich be­quem auf mei­nem Fahrrad­sattel aus­sit­ze. Ich fah­re fast kraft­los, der Jung­unio­nist ist ein Flie­gen­ge­wicht. Er hat ei­nen Arm auf die Leh­ne und ein Bein halb auf die Sitz­bank hoch­ge­legt. Am Schiffs­an­le­ger schaue ich hin­über zur Kup­pel der Neu­en Syn­ago­ge. Ein paar Son­nen­strah­len las­sen vor dem ver­dun­kel­ten Him­mel durch Wol­ken­lö­cher hin­durch ihr Gold ins ge­ra­de­zu Un­wirk­li­che er­glän­zen. Wäh­rend ich über­le­ge, wie ich das The­ma wech­seln könn­te, hö­re ich den Jung­unio­ni­sten fra­gen: »Oder wol­len Sie et­wa so ein Wind­rad in Ih­rem Vor­gar­ten ste­hen ha­ben?« – »Gott be­wah­re, nein, ein Atom­müll­end­la­ger wä­re mir viel lie­ber.« – »Das ist ver­nünf­tig. Ato­ma­re Strah­lung kön­nen wir si­cher ab­schir­men, aber wel­che ge­sund­heit­li­chen Ge­fah­ren von Wind­rä­dern aus­ge­hen, ist noch nicht ein­mal rich­tig er­forscht.«

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Dass mor­gen die Son­ne

A.d.L.e.R: Aus dem Le­ben ei­ner Rik­scha­fah­re­rin – Nr. 13

Der Wecker klin­gelt. Ich stel­le ihn aus. Ich wa­che auf. Ich dre­he mich um. Gleich wer­de ich auf­ste­hen und Früh­stück ma­chen. Soll ich heu­te raus­fah­ren, oder soll ich nicht? Mal se­hen. Die­se Ent­schei­dung wer­de ich nach dem Früh­stück tref­fen. Ein Him­mel­reich für ein An­ge­stell­ten­ver­hält­nis. Das Wet­ter ist un­zu­ver­läs­sig, von der Kund­schaft nicht zu re­den. Fah­re ich raus, ste­he dann bloß wie­der rum, wer­de miss­mu­tig da­von und ver­lie­re mei­ne Zeit, oder blei­be ich zu Hau­se, schrei­be den näch­sten Ad­LeR und küm­me­re mich um den Haus­halt? (Bei mir siehts aus wie bei Hem­pels un­term So­fa.)

Ich früh­stücke reich­hal­tig und in Ru­he. Da­bei fra­ge ich mich, ob ich heu­te raus­fah­ren soll oder nicht. Ich fin­de kei­ne Ant­wort und ver­schie­be die Fra­ge zum zwei­ten Mal auf nach dem Früh­stück, das ich ge­nie­ssen möch­te. Das Ge­nie­ssen ist frei­lich nicht so ein­fach mit die­ser Fra­ge im Hin­ter­kopf. Wie mans macht, macht mans ver­kehrt. Auf je­den Fall wer­de ich, wenn ich nicht raus­fah­re, ein schlech­tes Ge­wis­sen ha­ben we­gen mei­ner Faul­heit. Denn wenn ich mir schon frei neh­me, will ich na­tür­lich nicht auch noch zu Hau­se ar­bei­ten, der Haus­halt kann war­ten. Ich wer­de von mei­nem So­fa aus mit hoch­ge­leg­ten Fü­ßen an je­ne Kol­le­gin den­ken, die über den Dau­men ge­rech­net sie­ben­mal in der Wo­che Tag und Nacht drau­ßen ist.

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Das Fal­sche, das Schlech­te und das Häss­li­che

A.d.L.e.R: Aus dem Le­ben ei­ner Rik­scha­fah­re­rin – Nr. 12

Mein Kol­le­ge ist auf eins, und ich bin auf zwei, als von hin­ten ein un­auf­fäl­lig ge­klei­de­ter Mann her­an­kommt und mei­nen Kol­le­gen erst nach dem Weg fragt und dann, wie das so mit der Rik­scha ge­he. Mein Kol­le­ge er­teilt Aus­kunft, legt ihm un­se­re Dien­ste zu Fü­ßen, macht ein sehr gu­tes An­ge­bot, ro­ter Tep­pich, Sil­ber­ta­blett, al­le Re­gi­ster. Aber ir­gend­wie hat der Mann im­mer noch ei­ne wei­te­re Fra­ge pa­rat: »Was für ei­ne Ge­schwin­dig­keit fah­ren Sie ei­gent­lich so im Durch­schnitt?« Dann in­ter­es­siert er sich da­für, ob die Rik­scha ei­ne Gang­schal­tung ha­be und mit wie vie­len Gän­gen? Mein Kol­le­ge muss sich dau­ernd wie­der­ho­len, der Mann will das mei­ste dop­pelt, man­ches drei­fach er­klärt ha­ben. Die Ant­wor­ten mei­nes Kol­le­gen wer­den im­mer kür­zer. Ich den­ke: Die­sen Dia­log muss ich mir wort­wört­lich aus­wen­dig mer­ken, den setz ich mal in ei­ner Ge­schich­te ein, und dann wer­den al­le glau­ben, ich hät­te ei­ne blü­hen­de Fan­ta­sie. Da zeigt der Mann mit dem nack­ten Fin­ger auf mich, sieht mei­nen Kol­le­gen her­aus­for­dernd an und ruft: »Aber das ist ja ei­ne Frau!« Der Kol­le­ge nickt. »Ja aber kann die das denn?« Der Kol­le­ge schüt­telt den Kopf: »Um Him­mels Wil­len, wo den­ken Sie hin! Wenn die Kol­le­gin jetzt ei­ne Tour kriegt, dann fährt na­tür­lich ei­ner von uns und sie läuft ne­ben­her.« –

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Fri­su­ren für un­ter­wegs

A.d.L.e.R: Aus dem Le­ben ei­ner Rik­scha­fah­re­rin – Nr. 11

Es war auf ei­nem CSD, als der CSD noch nicht vom ehe­ma­li­gen Love­pa­ra­de­pu­bli­kum über­rannt wur­de. Es war so: Wir ste­hen am Gro­ßen Stern, es ist spä­ter Nach­mit­tag, Sekt wird aus Fla­schen ge­trun­ken, und bei uns ist gra­de leich­te Flau­te. Nun sol­len, heißt es, vier Fahr­gä­ste mit zwei Rik­schas ir­gend­wo­hin in die Nä­he der Ei­sen­acher Stra­ße ge­bracht wer­den. Na­tür­lich wis­sen al­le au­ßer mir, auch un­be­tei­lig­te Um­ste­hen­de wis­sen es, dass ei­ner die­ser Vier kein Ge­rin­ge­rer ist, als Udo Walz. Be­vor wir los­fah­ren, kann mein Kol­le­ge es mir im Vor­bei­ge­hen noch zu­rau­nen: »Udo Walz, der Fri­sör der Kanz­le­rin.« (Gibt be­stimmt Trink­geld). Strecke und Preis sind ver­ein­bart, der Kol­le­ge geht an sein Fahr­zeug, die Gä­ste stei­gen ein. Kann ei­ner, fra­ge ich mich, der die Kanz­le­rin fri­siert, noch bei Trost sein?

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Un­vor­stell­bar

A.d.L.e.R: Aus dem Le­ben ei­ner Rik­scha­fah­re­rin – Nr. 10

Es ist un­vor­stell­bar, wie an­stren­gend es ist! Al­lein das Ge­wicht, und das ist noch lan­ge nicht al­les: die Rik­scha (je nach Mo­dell: 60 bis 140 Ki­lo), Werk­zeug, Stand­luft­pum­pe, Pro­vi­ant (durch­schnitt­li­che Ta­ges­ra­ti­on: zwei Ki­lo Nu­deln mit So­ße, ein Ki­lo Nüs­se, ein hal­bes Ki­lo Scho­ko­la­de, fünf Li­ter Was­ser oder an­de­re Ge­trän­ke), Decken, Kund­schaft (sta­ti­stisch: zwei Er­wach­se­ne = 160 Ki­lo), Tü­ten und Kar­tons (vom Ein­kau­fen), Kin­der zwi­schen 0 und 18 Jah­ren (aufm Schoß), klei­ne­re, mitt­le­re, gro­ße prall­voll­ge­pack­te Rei­se­kof­fer, Hun­de, Kin­der­wa­gen, Roll­stüh­le, Lap­tops, Ak­ten­ta­schen, Sta­ti­ve, Film­ka­me­ras. Da ist man schnell bei drei bis vier­hun­dert Ki­lo, wo man nicht auf ei­ne hal­be Ton­ne kommt. Da­zu der schlech­te Zu­stand der Ber­li­ner Stra­ßen.

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Feind und Jä­ger

A.d.L.e.R: Aus dem Le­ben ei­ner Rik­scha­fah­re­rin – Nr. 9

Oh­ne Über­trei­bung kann man sa­gen, dass die Münch­ner Po­li­zei auf dem Ok­to­ber­fest 2005 nichts we­ni­ger war, als un­ser Feind und Jä­ger. Skru­pel­los und heim­tückisch tauch­ten sie im­mer da auf, wo wir sie gar nicht brau­chen konn­ten. Zum Bei­spiel hat­ten sie Hal­te­ver­bots­schil­der am Haupt­ein­gang in der für Au­tos oh­ne­hin ge­sperr­ten Stra­ße auf­ge­stellt. Die­se Hal­te­ver­bots­zo­ne war an die­sem Aus­gang der ein­zi­ge Be­reich und ganz ge­nau da, wo wir nach­ge­fragt wur­den. Am An­fang gab es noch Ver­war­nun­gen und wi­der­sprüch­li­che Aus­sa­gen. Nein, wir dürf­ten nicht, ja­wohl, es sei er­laubt, da wir als Fahr­rä­der zu­ge­las­sen sei­en, hier gel­te die StVO, nein, kei­nes­falls, die Schil­der gäl­ten ge­ra­de uns. Über­haupt hat­ten die Ein­satz­be­am­ten in die­sem Jahr so et­was Ge­hetz­tes an sich. Dann wur­den Straf­zet­tel ver­teilt, und wenn man die an Ort und Stel­le in bar be­zahl­te, wars bil­li­ger.

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Freund und Hel­fer

A.d.L.e.R: Aus dem Le­ben ei­ner Rik­scha­fah­re­rin – Nr. 8

Oh­ne Über­trei­bung kann man sa­gen, dass die Münch­ner Po­li­zei auf dem Ok­to­ber­fest 2004 nichts we­ni­ger war, als un­ser treu­er Freund und Hel­fer in der Not. Sou­ve­rän und hilfs­be­reit wa­ren die Ein­satz­be­am­ten wie zu­fäl­lig im­mer in der Nä­he wenn man sie brauch­te, und so auch an je­nem Frei­tag­abend des Ita­lie­ner­wo­chen­en­des, als das Ge­brüll ei­nes Kol­le­gen das all­ge­mei­ne Höl­len­to­hu­wa­bo­hu mü­he­los über­tön­te. Es war et­wa ge­gen halb acht am Haupt­ein­gang. Der Kol­le­ge rann­te um sein Fahr­zeug her­um, schrie wie am Spieß un­ver­ständ­li­che Wort­fet­zen her­aus, ramm­te die Fäu­ste ab­wech­selnd in die Luft und ge­gen sei­ne Schen­kel und stampf­te mit den Fü­ßen auf, als wol­le er sich die Kno­chen bre­chen. Wäh­rend Kol­le­gen ihn be­ru­hig­ten, amü­sier­ten sich in sei­nem Fahr­zeug zwei ganz nor­ma­le Wiesn­be­su­cher, in die­sem Fal­le zwei Fran­zo­sen um die drei­ßig. An­de­re Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen ka­men an­ge­fah­ren, mach­ten sich ein Bild von der La­ge und fuh­ren wei­ter, Zeit war Geld und Kra­wall war nor­mal, so dass vie­le Wiesn­be­su­cher sich höch­stens kurz nach uns um­dreh­ten. Im Kampf ge­gen sei­ne Ver­zweif­lung ge­wann der Kol­le­ge all­mäh­lich die Ober­hand, hör­te auf, ums Fahr­zeug zu ren­nen, sag­te stoß­wei­se an, was ge­sche­hen war, at­me­te schwer, fluch­te.

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