[Ein nie stattgefundener Podcast mit Till Reiners und Moritz Neumeier]
– Du, Moritz, ich muss mit dir über Feminismus reden.
- Och ne, da hab’ grad echt keinen Bock mehr drauf.
- Ja wie jetzt? Haste dich nicht für arte als feministischen Mann ablichten lassen?
- Da steh’ ich auch zu. Zieh’ weiter meine Röcke an und sollen die weiter ihre Jauche in die Kommentarspalten ergießen über den Prinzen aus Wokistan.
- Das ist nur Bestätigung. Versteh’ ich. Auch, dass man das Thema dann zwischendurch über hat. Aber bei mir haben die 80er angeklingelt.
- Wie in der heute Show noch in so eine gelbe Telefonbox?
- Ach noch altbackener als Poetikvorlesung von Christa Wolf. Und auch wenn die 1982 in meinem Geburtsjahr war, also noch viel zu früh als, dass ich das schon mitbekommen haben könnte.
- Ja, was denn nu?
- Na, da liefen auf einmal so Stränge zusammen, das ich dachte, aha! Da kommen gewisse Prägungen her. Auch unerklärliche emotionale Voreingenommenheiten. Gegen die Eroberer von Troia zum Beispiel (»Achill, das Vieh«). Das ist aus diesem Buch. Und ich hab dann später oder war das doch davor, so Darstellungen von der Siegerseite mit ihren strahlenden Helden gelesen und sie instinktiv für Abschaum gehalten.
- Dabei kanntest du die ja nun nicht persönlich.
- Ne, völlig irrational. Die poetische Darstellung in »Kassandra« ist mir dann zur historischen Wahrheit geworden. Wobei Christa Wolf, das in der Vorlesung auch so sagt: dass man den Troia-Mythos immer nur für eine Legende gehalten habe, bis dann einer hartnäckig immer weiter gegraben habe, bis er die Stadt an der bezeichneten Stelle auch tatsächlich fand.
- Gut, und was ist jetzt mit dem Feminismus?
- Ruhig, Brauner! Kommen wir noch zu, Gemach Gemach!
- Je eher, desto schneller sind wir endlich durch mit dem Thema.
- Du, so schnell sind wir damit nicht durch, das wird sich schon noch ein paar Jahrhunderte ziehen. Selbst mit Quoten.
- Unser Gespräch hier auch, befürcht’ ich.
- Was soll’n denn die negativen Vibes hier? So können wir wohl kaum diese magic moments kreieren, auf die unsre Zuhörer hoffen.
- Du meinst, wenn wir spontan, so aus dem Moment heraus, was erschaffen? Eine schlagfertige Entgegnung, ein gelungenes, witziges Bild.
- Ja genau, so etwas, das über sich selbst hinausweist. Irgendwie sind wir doch immer auf der Jagd danach; in der Kunst, in der Disco.
- Mit Drogen.
- Oder Bungee-Jumping. Hauptsache es kickt.
- So wie der Feminismus.
- Oder das Gendern.
- Da ist der Kick doch aber nur, dass sie mit Mistgabeln auf einen losrennen, wenn man das Thema auch nur aufbringt.
- Es ist einfach nur noch nervig, wie kaputt unser Diskurs ist. Da könnten wir besser zwei ChatGPTs, die unterschiedlichen Positionen vertreten lassen und die das ausdiskutieren lassen.
- Ohja, so ein «battle of the bots» und wir sind dann nur noch Jury, die Haltungsnoten vergibt, wie bei den Fernsehdebatten, wo die Leute sich mehr über die Frisuren oder Redeanteilstatistiken ergehen, ohne auch nur eine inhaltliche Frage anzuschneiden.
- Können wir das nicht auf alle social media ausweiten? Es heißt ja, dass sowieso schon viele Likes und zustimmende Stimmen von bots stammen. Dann überlassen wir dieses kaputte Internetdings doch einfach unsren neuen Overlords. So höflich wie ChatGPT getrimmt ist, würde es dann vielleicht sogar ein friedlicher Ort und wir könnten uns wieder wichtigeren Dingen zuwenden.
- Nur hab’ ich diesen nirvana-haften Zustand schon erreicht, indem ich die Apps einfach nicht installier’.
- Das is’ aber auch schon ein bisschen boomermäßig.
- Ja, aber hast du dich nicht schon mal gefragt, was unsre Generationen so hinterlassen? Außer nem kaputten Planeten. Wo wird dann unsere Individualität, die Essenz unsres Daseins aufgezeichnet sein, in digitalen Spuren auf den Servern von Google und Meta? Und irgendwann, wenn die diesen ganzen Datenwust, von links nach rechts gekämmt haben und uns nach links und rechts manipuliert haben, kann das ganze in den Orkus gehen.
- Ins Ohr? Aber ja, all der Müll, die ganze Entropie muss irgendwann auch mal gelöscht werden, ja. Dann ist nichts mehr da von uns. Keine Pyramiden nur irgendwelche Schrottdevices, die man nicht mehr starten kann, weil Akku und Ladebuchse hin sind und das System auch nicht mehr kompatibel ist mit dem, was man in 10 oder 20 Jahren haben wird.
- Irgendwie verdient. Aber wahrscheinlich wird das, was die Leute weiterhin gucken, auch weiter konserviert. Ist dann so die Frage, ob unsere Zeit noch Klassiker schafft. Vor einiger Zeit hatte ich den nochmal im Kino gesehen [fritzgeprüft: wahrscheinlich den Director’s Cut 2003 Anm. d. Red.] Immer noch Hammer. Da werden die meisten Marvel-Erzeugnisse nicht so gut altern.
- Muss ja auch nicht. Is’ ja vielleicht auch ein fieser Anspruch. Warum soll es gleich für die Ewigkeit sein, kann doch auch eine nette Geschichte am Lagerfeuer sein, die uns für diesen Moment, das Herz erwärmt und uns ne gute Zeit haben lässt.
- Damit könnte ich dann sogar zum Feminismus zurückkehren. Mit der Vermutung, dass dieses Ewigkeitsstreben vor allem ein Männerding ist.
- Ja, aber meinste nicht, das ist ganz platt die Angst vorm Tod und einfach weg sein? Die haben wir doch alle.
- Schon, aber dieses wettkampfmäßige zur Spitze streben, die Hierarchisierungen und Rankings, das ist doch typisch Mann. Damit wir dann am Ende einem den Siegerkranz ins Haar flechten dürfen und der darf dann wandeln in den ewigen Hallen von Walhalla.
- Och ne. Jetzt hab’ ich gleich wieder so Marmorsockel vor mir. Und diesen Statuen, will ich immer schon sofort ans Bein pissen.
- Wieso denn das?
- Ist einfach so ein Instinkt. War schon im Literaturkurs so. Sollten wir was zu Goethe machen. Hab’ nur den Namen gehört. Sofort was Kritisches, Beinpinklerisches geschrieben.
- Kam nicht so gut an?
- Nicht so. War aber auch einfach schlecht.
- Auf den Marmorsockeln findet man auch keine Frauen.
- Werden die da nicht drauf gelassen oder haben die’s einfach nicht nötig? Was meinst du?
- Pass auf, dazu habe ich meine eigene biologistische Theorie. Also in Form des Genmaterials lebt ja ein Teil von uns weiter. Nicht so wie die Bakterien, die exakte Kopien von sich herstellen und so quasi unsterblich sind, wobei die ja auch Mechanismen haben, um Gene zu transferieren oder so, müssen sich ja auch anpassen können. Und da es ja die Frau ist, die das Kind zur Welt bringt, ist sie einfach schon näher dran an diesem Stück Unsterblichkeit. Der Mann ist da schon in prekärer Lage, musste schon Monogamie erfinden, um sicher zu sein, dass es seine Gene sind, die da weitergegeben werden.
- Freud erdichtet sich da was vom Penisneid, aber du meinst, eigentlich sind die Männer… unvollendeter, prekärer.
- Genau, und weil sie dieses Ungleichgewicht in sich tragen, treibt es sie in die Welt hinaus, sie zu erobern. Die Männer sind das Mangelwesen. Die Frauen nicht, die haben das gar nicht nötig.
- OK, steile These.
- Aber schau dich doch um: all diese größenwahnsinnigen Projekte. Einen kilometerhohen Wolkenkratzer. Das kann doch nur von einem Pimmelträger kommen. Hast du mal Bilder von Geb gesehen? Das ist so ein altägyptischer Gott der Erde, und der versucht sich mit der Himmelsgöttin zu vereinigen. In einigen Darstellungen reckt sich dann sein erigiertes Glied gen Himmel. Das ist doch eins zu eins dieses Wolkenkratzerwettrennen: Wer hat den längsten? Einfach erbärmlich. Glaubst du eine weibliche Architektin würde so etwas entwerfen?
- Hmm.. Hast du noch steilere, geilere Thesen?
- Ne, ich glaub’ das war jetzt so das Limit.
- Dann lassen wir’s hier mal gut sein. Bis dann. Ciao.
- Ciao.