Tho­mas Bern­hard – Sieg­fried Un­seld: Der Brief­wech­sel (Hrsg.: Rai­mund Fellin­ger, Mar­tin Hu­ber und Ju­lia Ket­te­rer)

Am 22. Ok­to­ber 1961 wen­det sich Tho­mas Bern­hard in ei­nem höf­lich-di­stan­zier­ten Brief an Sieg­fried Un­seld, der wie folgt be­ginnt: Sehr ge­ehr­ter Herr Dr. Un­seld, vor ein paar Ta­gen ha­be ich an Ih­ren Ver­lag ein Pro­sa­ma­nu­skript ge­schickt. Da­mit woll­te ich mit dem Suhr­kamp-Ver­lag in Ver­bin­dung tre­ten. Auf den im Fak­si­mi­le im Buch abge­druckten, mit Schreib­ma­schi­ne ge­tipp­ten Brief kann man er­ken­nen, dass Bern­hard ein Schreib­feh­ler un­ter­lau­fen war. Es steht dort nicht »Suhr­kamp«, son­dern »Suhr­kampf«. Das »f« wur­de hand­schrift­lich durch­ge­stri­chen.

Nach mehr als 800 Sei­ten Kor­re­spon­denz des Brief­wech­sels zwi­schen Tho­mas Bern­hard und sei­nem unzuverlässige[m] Ver­le­ger, dem Frank­fur­ter Un­ge­heu­er und Schau­er­kerl Sieg­fried Un­seld (Dik­tat­zei­chen »dr. u.«), mag der Le­ser nicht mehr an ei­nen Zu­fall glau­ben; al­len­falls an ei­nen Freud­schen Ver­schrei­ber. Viel­leicht ist die­ses »f« un­be­wuss­te Vor­weg­nah­me die­ser un­bän­di­gen Lust an der Pro­vo­ka­ti­on, die Bern­hard in un­kal­ku­lier­ba­ren Schü­ben zu fast cho­le­ri­schen Erup­tionen treibt, die zu Be­ginn noch von sei­ner Lek­to­rin An­ne­lie­se Bol­and be­feu­ert wer­den: »Ein kur­zer Ohls­dor­fer Don­ner als Ant­wort auf den Blitz aus dem Frank­fur­ter Himm­el emp­fiehlt sich«. Sie si­gna­li­siert Bern­hard »ei­gent­lich kann das Match nur zu Ih­ren Gun­sten aus­ge­hen«) und die­ser ent­wickelt schnell ein Ge­spür wie weit er mit sei­nen For­de­run­gen, Kla­gen und Be­schimp­fun­gen ge­hen kann, oh­ne den Bo­gen zu über­span­nen.

Wei­ter­le­sen ...