
(Ü: Wolfgang Matz)
Die grünen Fensterläden beginnt – und das ist ungewöhnlich – mit einem Vorwort des Autors: Die Hauptfigur des Romans, der Schauspieler Maugin, sei »weder dieser noch jener. Er ist Maugin, ganz einfach, mit den guten wie schlechten Eigenschaften, die nur ihm gehören und für die einzig und allein ich verantwortlich bin.« Man solle, so Georges Simenon, ihn nicht mit lebenden oder toten Schauspielern vergleichen oder gleichsetzen.
In der Tat lädt die Figur des »großen Maugin« dazu ein, Parallelen zu suchen. Wieviel davon ist von Charlie Chaplin? Oder gibt es doch mehr Parallelen zu Jean Gabin? Die Allüren des herrischen, alkohol- wie arbeitssüchtigen Schauspielers könnten auch die eines Schriftstellers oder bildenden Künstlers sein. Vom Publikum verehrt – als Privatmensch gefürchtet, ja: gehasst.
Im Rahmen seiner Simenon-Neueditionen publiziert der Kampa-Verlag Die grünen Fensterläden, 1950 erstmals erschienen, in einer neuen Übersetzung von Elisabeth Edl und Wolfgang Matz. Letzterer steuert ein sehr informatives Nachwort bei. Er vertritt die These, dass Simenons Distanzierung nicht nur justiziable Gründe hatte. Doch dazu später.
Es beginnt mit Maugins abendlicher Privataudienz bei einem Prominentenarzt. Er ist 59 habe aber das Herz eines 75jährigen, so lautet die Diagnose. Er bekommt ein paar Pillen und den Ratschlag, kürzer zu treten. Das ist schwierig, weil er sich in den nächsten zwölf Monaten verpflichtet hat, fünf Filme abzudrehen und ansonsten abends täglich Theater zu spielen (zuzüglich noch zwei Nachmittagsvorstellungen). Das Geld braucht er für seinen aufwendigen Lebensstil mit großem Personal: Manager, Faktotum, Hausmädchen, Fahrer, Nanny, Köchin. Und er ist verheiratet mit einer dreißig Jahre jüngeren Frau; Baba, das Kind, ist mittlerweile zwei Jahre alt. Maugin ist allerdings froh, dass der Arzt sein Alkoholproblem nicht angesprochen hatte und trinkt sich darauf erst einmal ein paar Gläser.
Aber der Besuch hat etwas in ihm bewegt. Er rekapituliert sein Leben. Aus armen Verhältnissen kommend und sich mit kleinen Jobs nach oben arbeitend, begann er spät mit der Schauspielerei und zunächst auch nur mit mäßigem Erfolg. »Bis fünfzig lebte er nur vom Theater. Bis vierzig wurde es am Monatsende eng. Bis dreißig war er ein Hungerleider.«
Dabei nutze ihm seine erste Ehe mit der Diva Yvonne Delobel, bekannt als »die unvergessliche Künstlerin«, die ihn für einen Grobian hielt und, wie er feststellte, noch mehr trank als er. Eines Tages führte sie ihn etwas außerhalb von Paris zu einem weißen Haus, »geräumig, makellos, mit grünen Fensterläden und Schieferdach, in einem Garten, samt gepflegtem Rasen, sorgfältig geharkten Wegen.« Bevor sie Maugin kennenlernte, hatte sie sich dieses Haus als Refugium gekauft. Aber es ging nicht: »In der ersten Woche habe ich gebrüllt vor Verzweiflung. In der zweiten bin ich weggerannt und hab nie wieder einen Fuß zwischen diese Mauern gesetzt.« Das erdachte Ideal eines einfachen (andere würde sagen: spießigen) Lebens scheitert. Erst jetzt wird Maugin klar, was damals gemeint war.