Der Wald und die Bäu­me (IX)

Ab­len­kung

Un­ab­weis­bar ist die Struk­tur­ähn­lich­keit zwi­schen dem di­gi­ta­len Win­do­wing und je­ner Mo­de­krank­heit, die man ab­kür­zend und von den Din­gen ab­len­kend als ADHS be­zeich­net. Leu­te aus mei­nem Be­kann­ten­kreis, die an sy­ste­ma­ti­schen Auf­merk­sam­keits­stö­run­gen und zu­gleich an Hy­per­ak­ti­vi­tät lei­den, ge­hen in ih­rem All­tag häu­fig an ei­nen Ort (zum Bei­spiel in der Kü­che oder auf dem Bal­kon) und er­in­nern sich, wenn sie an­kom­men, nicht mehr, was sie dort ei­gent­lich woll­ten. Not­ge­drun­gen ge­hen sie wei­ter an den näch­sten Ort, aber dort ge­schieht ih­nen das glei­che. Sie kön­nen sich nicht an das er­in­nern, was sie vor­hat­ten, und oft auch nicht an das, was sie kurz zu­vor ge­tan ha­ben. Auch das Ver­ges­sen ei­nes Plans oder Plan­ele­ments ist im Grun­de ge­nom­men ein Ver­ges­sen von seit kur­zem Ver­gan­ge­nem. Ganz ähn­lich ver­hal­ten wir uns, wenn wir »sur­fen«: Ziem­lich rasch ver­ges­sen wir, wo­hin wir »ei­gent­lich« woll­ten und was wir dort zu su­chen hat­ten. Wer vor­sätz­lich surft, et­wa zu Un­ter­hal­tungs­zwecken, strebt die­se Art des Ver­ges­sens an. Für Men­schen, die un­ter ADHS lei­den, sind die­se Sym­pto­me al­ler­dings kein Ver­gnü­gen, son­dern eben Stö­run­gen, die sie an ei­nem halb­wegs be­frie­di­gen­den Le­ben hin­dern kön­nen.

Das Wort »Mo­de­krank­heit« ist un­ge­recht, es klingt ver­ächt­lich. Bes­ser, ich neh­me es zu­rück. An­schei­nend hat aber je­de Zeit be­stimm­te Krank­hei­ten, die ih­re ge­sell­schaft­li­chen Wi­der­sprü­che und Ge­bre­chen auf in­di­vi­du­el­ler Ebe­ne aus­drücken. In­so­fern wird man viel­leicht be­haup­ten kön­nen, daß ADHS die Krank­heit des di­gi­ta­len Zeit­al­ters sei.

Wei­ter­le­sen ...