Der Text zu Gessmann ist vielleicht etwas lang geworden. Ungeduldigen sei gesagt, dass der Prolog »Fußball und Politik« nicht zwingend für das Verständnis der Äußerungen zum Gessmann-Buch ist. Es ist vielleicht auch ein bisschen unfair, noch ein zweites Buch ins Spiel zu bringen, aber ich konnte nicht widerstehen. Wer möchte, kann den Prolog überspringen und sofort auf Auftritt der Philosophen klicken.
Prolog: Fußball und Politik (Norbert Seitz)
Als bei der Fußball-WM 1998 Gastgeber Frankreich Weltmeister wurde, initiierte Daniel Cohn-Bendit, damals Moderator der Schweizer Literatursendung »Literaturclub«, eine »Spezialsendung«, die dann tatsächlich einen Tag nach dem Endspiel ausgestrahlt wurde. Am Ort, an dem normalerweise über literarische Neuerscheinungen diskutiert wurde, lud der sicht- wie hörbar aufgewühlte Moderator vier Gäste ein, um über Parallelen zwischen Fußball und Politik und den vielleicht hieraus resultierenden Konsequenzen zu diskutieren.1 Cohn-Bendit führte die Runde zielgerichtet in eine Diskussion um ein Buch von Norbert Seitz mit dem Titel »Doppelpässe«. Seitz’ Buch wurde seinerzeit stark rezipiert Der Titel ist doppeldeutig. Zum einen geht um den Doppelpass zwischen Fußball und Politik (das, was man hochtrabend Interdependenzen nennen könnte), zum anderen wird auf die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft angespielt, die Ende der 1990er Jahren in Deutschland für große Diskussionen sorgte. Verkürzt lautet die These des Buches, dass sich der Zustand und die politische Lage einer Gesellschaft (vulgo: Nation) in deren Fußballspiel spiegelt (und umgekehrt!).
Zu Gast waren die Historikerin Christiane Eisenberg, der Theaterregisseur und –intendant Stephan Müller, Johnny Klinke, der als "Lebenskünstler" vorgestellt wurde (er betreibt ein Varieté-Theater in Frankfurt, der Heimatstadt Cohn-Bendits) und der Schriftsteller Thomas Hürlimann. ↩