Ur­su­la Kre­chel: Land­ge­richt

Ursula Krechel: Landgericht
Ur­su­la Kre­chel: Land­ge­richt
Ri­chard Kor­nit­zer ist 1903 ge­bo­ren, stu­diert Ju­ra, lebt in Ber­lin und will un­be­dingt Rich­ter wer­den. Er pro­mo­viert, wird Mit­glied der Pa­tent- und Ur­he­ber­rechts­kam­mer beim Land­ge­richt I in Ber­lin und hei­ra­tet 1930 Clai­re Pahl. Clai­re ist Ge­schäfts­füh­re­rin ei­ner Fir­ma, die Wer­bung für Ki­nos pro­du­ziert. Al­les läuft be­stens. Sie be­kom­men zwei Kin­der, Ge­org (1932) und Sel­ma (1935). Aber bei Sel­mas Ge­burt ist das Le­ben der Kor­nit­zer be­reits exi­sten­ti­ell be­droht, denn Ri­chard ist das, was man im Na­zi-Jar­gon ei­nen Voll­ju­den nennt. Da spielt es auch kei­ne Rol­le, dass er sich nicht ein­mal als ein rich­ti­ger Ju­de fühl­te (er be­zeichnet sich als Ju­de von Hit­lers Gna­den). Das Paar er­lebt die im­mer per­fi­der wer­den­den »Ge­set­ze« und »Ver­ord­nun­gen«, die ge­gen Ju­den seit 1933 in Kraft ge­setzt wer­den. Ri­chard wird schnell in den Ru­he­stand ver­setzt und ar­bei­tet in ei­ner Glüh­lam­pen­fa­brik. Clai­re wird auf schmut­zi­ge Art und Wei­se ih­re Fir­ma ab­ge­nom­men, weil sie, die Protes­tantin, zu ih­rem Mann steht und sich nicht schei­den läßt. Man spürt förm­lich, wie die Luft zu At­men schwin­det und die Dro­hun­gen phy­si­scher wer­den. Auch die Frei­zeit hat ih­re Un­be­schwert­heit längst ver­lo­ren. Ge­stern noch im Wann­see ge­ba­det, ist dies am näch­sten Tag plötz­lich ver­bo­ten. Rüh­rend, wie Clai­re ein an­de­res Frei­bad sucht.

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