Die Ver­hint­zung

Am Sonn­tag und Mon­tag konn­te man im deut­schen Fern­se­hen zwei Talk­shows an­schau­en, die auf ver­track­te Wei­se die Gren­zen die­ses For­ma­tes of­fen­bar­ten. Es ging wie­der ein­mal um Bun­des­prä­si­dent Wulff und sei­ne di­ver­se Af­fä­ren und Af­fär­chen. Die Ge­mein­sam­keit in den bei­den Sen­dun­gen: de ehe­ma­li­ge CDU-Ge­ne­ral­se­kre­tär Pe­ter Hint­ze trat in sei­ner be­reits zu Kohls Zei­ten be­rühm­ten Mi­schung aus Em­sig­keit und Frech­heit als Ver­tei­di­ger Wulffs auf.

Bei »Gün­ther Jauch« am Sonn­tag sah man am En­de nicht nur beim Mo­de­ra­tor die Er­leich­te­rung: Die Sen­dung ist über­stan­den. In der FAZ hieß es von Mi­cha­el Han­feld am näch­sten mor­gen, Hint­ze ha­be ge­re­det, wie der FC Bay­ern ge­le­gent­lich spielt: 70% Ball­be­sitz, aber trotz­dem ver­lo­ren. Ei­nen Tag spä­ter stand Hint­ze dann wie­der Re­de und Ant­wort – in Frank Plas­bergs »hart aber fair«. Ihm zur Sei­te das ehe­ma­li­ge FDP-Mit­glied Meh­met Dai­ma­gü­ler, ein Rechts­an­walt aus Ber­lin, der sei­ne Sym­pa­thie für Wulff mit des­sen Re­de vom 3. Ok­to­ber 2010 be­grün­de­te (»der Is­lam gehört…zu Deutsch­land«).

An­son­sten war Pe­ter Hint­ze fast al­lein zu Gast. Mit Wu­se­lig­keit und au­to­ri­tä­rem Ge­ha­be wisch­te er al­le An­schul­di­gun­gen vom Tisch. Al­les sei wi­der­legt und auf­ge­klärt, so Hint­ze. Bei Plas­berg ent­fleuch­te ihm so­gar die Aus­sa­ge, dass die Vor­wür­fe durch sei­ne Aus­sa­ge al­lei­ne als wi­der­legt zu gel­ten ha­ben. Da konn­ten die an­de­ren Kom­bat­tan­ten nur ener­viert den Kopf schüt­teln. Und die Zu­schau­er em­pör­ten sich über Hint­ze.

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Bit­te ins Fett­näpf­chen tre­ten

Der deut­sche Fern­seh­kon­su­ment ge­nie­ße noch die­sen Som­mer. Denn ab Herbst star­tet die ARD mit ei­ner Talk­show-Of­fen­si­ve fast bi­bli­schen Aus­ma­ßes: Jauch, Beck­mann, Plas­berg, Will, Maisch­ber­ger – im Vor­abend­pro­gramm ab 2012 Gott­schalk. Kei­ne Ah­nung, ob die Phoe­nix-Run­de – das klei­ne Re­fu­gi­um für die ge­pfleg­te Dis­pu­ta­ti­on am Abend – noch bleibt. Das ZDF wird frü­her oder spä­ter nach­zie­hen müs­sen. Frau Ill­ner an ei­nem Tag reicht wohl für das Gleich­ge­wicht des wö­chent­li­chen Schreckens nicht aus. Man fragt sich, wie die po­ten­ti­el­len Ge­sprächs-Kom­bat­tan­ten dies durch­ste­hen. Ver­ein­zelt gab es schon jetzt gro­ße Be­la­stun­gen. Ein Herr Chat­zi­markakis wur­de für gleich zwei Ka­ta­stro­phen zum Ex­per­ten er­nannt: Grie­chen­land und FDP. Un­ver­ges­sen der Tag des Auf­tritts in der »Münch­ner Run­de« und ei­ne Stun­de spä­ter bei Phoe­nix. Und kürz­lich trat er dann noch als Mo­ral­apo­stel in ei­ge­ner Sa­che auf (Stich­wort: Fal­scher Dok­tor).

Als im Pri­vat­sen­der RTL wei­land mit dem »Hei­ßen Stuhl« Pro­vo­ka­teu­re bzw. je­ne, die als sol­che emp­fun­den wur­den, in­qui­si­to­ri­schen Ver­hö­ren un­ter­zo­gen wur­den, droh­te bei den da­ma­li­gen Me­di­en­wäch­tern der Un­ter­gang der Kul­tur. Zwan­zig Jah­re spä­ter ha­ben Pro­grammdirektoren ih­re be­sten Sen­de­zei­ten zur rhe­to­ri­schen Schmier­sei­fen-Olym­pia­de à la »Spiel oh­ne Gren­zen« zur Ver­fü­gung ge­stellt. In­zwi­schen wer­den selbst die Sommer­interviews der Spit­zen­po­li­ti­ker wie hei­li­ge Tex­te ana­ly­siert und ge­deu­tet. Da ist es so­gar ei­ne Nach­richt, dass das Sak­ko der Kanz­le­rin farb­lich nicht zum Fra­ge­ses­sel pass­te.

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