
Fenster klebt noch eine Feder
Wenn man über das Leben der österreichisch-kärntnerischen Malerin und Graphikerin Maria Lassnig (1919–2014) liest, kommt einem das Wort der »späten Entdeckung« in den Sinn – und dies in jeder Hinsicht. Erst 1980, mit 61 Jahren, erhielt sie einen Ruf an die Universität und war damit die erste Frau, die an einer deutschsprachigen Hochschule Malerei unterrichtete. Auch ihr Werk fand erst spät größere Anerkennung. In den 1980ern vertrat sie Österreich auf der Biennale, 1982 und 1997 war sie auf der documenta zu sehen, 1985 gab es die erste große Malerei-Retrospektive in Wien. Während der 1990er Jahren nahmen ihre Ausstellungen auch außerhalb des deutschsprachigen Raumes zu (Amsterdam, Paris und, kurz vor ihrem Tod, New York). Geschätzt wurde Lassig vor allem wegen ihrer sogenannten »Körperbewusstseinsbilder«, die sich jeglicher Kategorisierung verweigern.
Dem Verleger Lojze Wieser gelang es nun in Zusammenarbeit mit der Maria Lassnig Stiftung aus den zahlreichen schriftlichen Dokumenten Lassnigs (in der Hauptsache Notizbücher) eine, wie es im kurzen Nachwort heißt, »knappe Textauswahl« mit dem schönen Titel Am Fenster klebt noch eine Feder (ein Zitat aus dem Buch) zu publizieren. Mitherausgeber sind Barbara Maier und Peter Handke.
Letzterer kommt – fast möchte man sagen: natürlich –in den Notaten vor. »Handkevorrat« war zwar von ihr erwünscht, und sie bewunderte, wie er »alles bisher Unbeschriebene« aufstöbert, aber als er das Wort »phantasieren« verwendet, dann glaubte sie ihm nicht – außer »wenn er über den Cézanne spricht«. Lassnig pflegte, wie sie schrieb, eine »unglückliche Liebe« zur Literatur, was sie nicht davon abhielt, eine wunderbare Hommage an Paul Celan zu verfassen und ihre Liebe zu »I. B.« (Ingeborg Bachmann) zu bekunden. Wittgenstein verortete sie in die »Op-Art«.