Durs Grün­bein: Jen­seits der Li­te­ra­tur

Durs Grünbein: Jenseits der Literatur
Durs Grün­bein:
Jen­seits der Li­te­ra­tur

Die so­ge­nann­ten Ox­ford Lec­tures am St. Anne’s Col­lege gibt es seit 1993. Es sind Ein­la­dungs­vor­le­sun­gen, in de­nen im wei­te­sten Sinn in­ter­dis­zi­pli­när über Li­te­ra­tur und de­ren Be­deu­tung re­flek­tiert wer­den soll. Fach­leu­te nen­nen das »Kom­pa­ra­ti­stik«. Ge­or­ge Stei­ner und Um­ber­to Eco ge­hör­ten zu den Vor­tra­gen­den wie auch Amos Oz, Ma­rio Var­gas Llosa und Bern­hard Schlink (der auf der Web­sei­te »Ber­nard« heißt). 2019 wur­de die­se Ein­la­dung Durs Grün­bein zu­teil. Die vier Vor­le­sun­gen lie­gen nun als Buch­form vor, was bei den Vor­le­sun­gen an­de­rer Au­toren bis­her eher sel­ten der Fall war.

Der Ti­tel »Jen­seits der Li­te­ra­tur« ist, wenn man am En­de al­les ge­le­sen hat, ein­leuch­tend. Er ist pro­gram­ma­tisch. Der in­ter­dis­zi­pli­nä­re An­satz wird von Grün­bein voll aus­ge­reizt. Zwi­schen­zeit­lich hat man eher das Ge­fühl in ei­nem Ge­schichts­se­mi­nar zu sit­zen. In der er­sten Vor­le­sung er­in­nert sich Grün­bein an die Hit­ler-Brief­mar­ken, die er einst in sei­nem Brief­mar­ken­al­bum sor­tiert hat­te. Es gab sie in vie­len Far­ben, je nach Wert. Be­reits da­mals stell­te sich ei­ne Mi­schung aus Gru­seln und Ehr­furcht ein. Er er­zählt kurz von ei­nem Made­lai­ne-Er­leb­nis, wenn er Brief­mar­ken­al­ben heu­te sieht um dann über die Mar­ke­ting- und Wer­be­stra­te­gien der Na­zis zu re­flek­tie­ren. Dann wird von ei­nem ge­wis­sen Ed­mund Kalb er­zählt, ei­nem öster­rei­chi­schen Ma­ler, er in ei­ner wil­den Mi­schung aus Que­ru­lan­ten- und Idio­ten­tum sei­nen per­sön­li­chen Wi­der­stand lei­ste­te, da­für ins Ge­fäng­nis kam und trotz­dem, wie durch ein Wun­der, über­leb­te. Kalb ist für Grün­bein ein Bart­le­by, der Schrei­ber aus Mel­vil­les No­vel­le (»I would pre­fer not to«).

Der Ma­ler ver­such­te mit sei­ner Fa­mi­lie aut­ark zu le­ben, vom An­bau in sei­nem Gar­ten, ver­edel­te er­folg­reich Bäu­me. Er ge­noss das Ge­fäng­nis, so­lan­ge er sei­ne Ru­he hat­te. Nach dem Krieg än­der­te er sich nicht. Grün­bein liest sei­ne Ta­ge­buch­auf­zeich­nun­gen: »Ein­mal auf dem tief­sten Grund der Ir­ri­ta­ti­on, hält er den Ge­dan­ken fest: daß die viel­fäl­ti­gen Ge­füh­le, die ei­nem beim Wahr­neh­men der Welt be­glei­ten, nie im Wor­ten aus­zu­drucken sind – son­dern al­len­falls, hin und wie­der mit et­was Glück, mit Hil­fe von Zeich­nun­gen.« Ge­fühls­er­leb­nis­se sei­en, so Grün­bein Kalb zi­tie­rend, nicht an an­de­re »zu über­tra­gen und auf­zu­be­wah­ren.« Sie sei­en jen­seits der Li­te­ra­tur. Da­mit sind die Ko­or­di­na­ten für die wei­te­ren Tex­te vor­ge­ge­ben.

Wei­ter­le­sen ...

Sprich, Be­ton!

Sprich, Be­ton! Von San­der Ort Ei­nen Gruß an den mu­ti­gen Tell, so­zu­sa­gen von Turm zu Turm — mei­ner hier in der Ban­lieue aus El­fen­bein­asche, sprich Be­ton. Ei­nen Wink, ei­nen rat­lo­sen Wink zum schil­lern­den Grün­bein, an dem ich das Knie-Beu­­gen sah, um das es im Dra­ma ging. (Was sa­ge ich?— g e h t).

Bläs­se und Jagd­sze­nen

Zum 9. No­vem­ber ei­ne Er­zäh­lung von Durs Grün­bein in der ak­tu­el­len Zeit; an­geb­lich au­to­bio­gra­fisch. Man wun­dert sich über die doch sehr höl­zer­ne, un­in­spi­rier­te und blei­er­ne Spra­che. Und so vol­ler Kli­schees. Ei­ne merk­wür­di­ge Bläs­se schlägt ei­nem da ent­ge­gen, die auch nicht mit La­ko­nie ver­wech­selt wer­den kann. Selbst die an­fangs so pe­ne­tran­te Selbst­in­sze­nie­rung des Wi­der­stän­di­gen ist nur hoh­les Wort­ge­klin­gel. Ich muss an ‘Schul­auf­satz’ den­ken.

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