Kuhn/Mahler/Mittermayer: Drei Wo­chen mit Tho­mas
Bern­hard in Tor­re­mo­li­nos

Kuhn/Mahler/Mittermayer: Drei Wochen mit Thomas Bernhard in Torremolinos
Kuhn/Mahler/Mittermayer: Drei Wo­chen mit Tho­mas Bern­hard in Tor­re­mo­li­nos

Am 27. No­vem­ber 1988, drei Wo­chen nach der skan­dalum­to­sten Pre­mie­re von Hel­den­platz am Wie­ner Burg­thea­ter (in­sze­niert vom un­längst ver­stor­be­nen Claus Pey­mann), flog Su­san­ne Kuhn, ge­bo­re­ne Fab­jan, mit ih­rem Halb­bru­der Tho­mas Bern­hard nach Tor­re­mo­li­nos. Von da aus ging es mit dem Ta­xi zum Ho­tel La Bar­ra­cu­da an die Co­sta del Sol. Der Rück­flug für Su­san­ne Kuhn war am 18. De­zem­ber vor­ge­se­hen. Die ge­nau­en Rei­se­da­ten in­klu­si­ve Prei­se kann man auf der ab­ge­druck­ten Rech­nung im so­eben im Kor­rek­tur Ver­lag er­schie­ne­nen Buch Drei Wo­chen mit Tho­mas Bern­hard in Tor­re­mo­li­nos nach­le­sen.

Es dau­er­te fast 37 Jah­re bis Su­san­ne Kuhn sich auf­raff­te zu­sam­men mit dem Zeich­ner Ni­co­las Mahler und dem ex­zel­len­ten Bern­hard-Ken­ner und ‑Bio­gra­fen Man­fred Mit­ter­may­er die­ses Er­leb­nis ei­ne Form zu ge­ben. Her­aus­ge­kom­men ist ein ehr­li­cher Text, der schnör­kel­los hei­te­re und är­ger­li­che Mo­men­te be­schreibt, il­lu­striert in be­kann­ter Ma­nier von Ni­co­las Mahler (Tho­mas Bern­hard mit ein biss­chen an Lo­ri­ot er­in­nern­der Knollennase).Vermutlich wuss­ten nur sehr we­ni­ge, wie krank Tho­mas Bern­hard da­mals wirk­lich war. Er konn­te z. B. nur noch im Sit­zen schla­fen; Su­san­ne Kuhn muss­te ihm mit ei­ner Schreib­tisch­schub­la­de im Rücken das Bett her­rich­ten, da­mit das mög­lich war. Ein­mal konn­te sie ei­ne Atem­not Bern­hards nur mit Ni­tro­gly­ce­rin-Spray lin­dern. War­um die­se Rei­se? Aus ei­nem Be­dürf­nis, dem sehr kran­ken, aber auch im­mer et­was un­nah­ba­ren Bru­der bei­zu­ste­hen? Su­san­ne Kuhn war sel­ber nicht ge­sund, hat­te ge­ra­de ih­re vor­zei­ti­ge Ren­te durch­be­kom­men, litt un­ter zahl­rei­chen Äng­sten und Pho­bien, wie et­wa Flug- oder Platz­angst. Als die bei­den ih­re Zim­mer im 9. Stock zu­ge­wie­sen be­kom­men, drängt sie für sich auf ein Zim­mer auf der 2. oder ma­xi­mal 3. Eta­ge.

Da man sich noch nie der­art na­he ge­kom­men war, gab es be­son­ders zu Be­ginn Span­nun­gen und Miss­ver­ständ­nis­se. Et­wa als der »pas­sio­nier­te Schuh­käu­fer« Bern­hard mit ihr in ein Schuh­ge­schäft ging und dort auch zwei Paar Schu­he für sie kau­fen woll­te. Sie muss­te je­doch vor ihm wie auf ei­nem Lauf­steg im­mer wie­der ge­hend über­prü­fen, ob sie auch wirk­lich pass­ten. Kurz dar­auf er­wog sie ernst­haft, vor­zei­tig ab­zu­rei­sen, blieb dann je­doch bis zum Schluss. Da­nach über­nahm Pe­ter Fab­jan.

Es gibt auch an­ek­do­ti­sches vom lei­den­schaft­li­chen Über­schrif­ten­le­ser Tho­mas Bern­hard (die Stö­ße der ge­kauf­ten Zei­tun­gen trug sie ihm hin­ter­her). Bei­spiels­wei­se über den eher un­be­frie­di­gen­den Aus­flug nach Gi­bral­tar. Oder der Be­such von Jo­chen Jung (mit ei­ner merk­wür­di­gen Sitz­ord­nung im Re­stau­rant). Dann von Bern­hards Freu­de mit ihr im Du­ett In the sum­mer­ti­me zu sin­gen. Oder die Schwe­ster im 12 Grad kal­ten Ho­tel­pool schwim­men zu se­hen. Aus Spar­sam­keits­grün­den soll­te sie ei­nen öf­fent­li­chen Münz­fern­spre­cher ver­wen­den; das Te­le­fon im Ho­tel war ihm zu teu­er. Bern­hard sel­ber war­te­te auf ei­nen An­ruf von Sieg­fried Un­seld. Der kam nicht. Was er wohl nicht wuss­te: Der war mit Pe­ter Hand­ke zur glei­chen Zeit in Ma­drid.

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