
Der passendere Titel für diesen Roman findet sich ganz hinten im Buch: »eine männerige Männergeschichte« sei das, so Sophia, jene Redakteurin, der sich der namenlos bleibende Schriftsteller-Erzähler annimmt (nicht so, wie Sie das vielleicht verstehen!). Der hat nämlich seit fünfzehn Jahren diesen Freund, also einen echten Freund, so einer mit dem man, wie Loriot in der Zoohandlung, durch Dick und Dünn geht, was sich daran zeigt, dass sie ein eingerahmtes Originalrezept von Gottfried Benn besitzen, jenem Dichter und »Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten«, eine Reliquie, die je nach seelischer Verfasstheit zwischen den beiden hin- und herwandert. Und natürlich haben sie auch ein Lied, ein gemeinsames Lied, Keep on Dancing von Parov Stelar, und das tanzen sie manchmal zusammen und dann versinkt der Kopf des Erzählers im Jackett des Freundes und er »weint Creme auf sein Hemd« und der Freund streichelt dann seinen Kopf.
Der ebenfalls namenlos bleibende Freund ist der Chef eines Fernsehsenders, so ein deutscher Fox-News-»Brüllsender«, eine wahre »Hetzmanufaktur«, mit bösartigen Schlagzeilen im Stundentakt, ohne Rücksicht auf Privatsphären. Der Freund beschäftigt dort diesen »wutmaßlichen Chefredakteur«, einen ehemaligen Kriegsreporter, der »praktisch alles durfte«, wie »rumschreien, bloßstellen, verhöhnen, hetzen« und sich im Krieg mit »linksgrünversifft« befindet, und so weiter.
Es ist unmöglich, den Roman Noch wach? von Benjamin von Stuckrad-Barre ohne die Behauptung, dass es sich um einen »Schlüsselromans« handele, zu lesen. Schon ist man reingefallen. Und damit man wirklich alles GANZ GENAU so versteht, wie es der Erzähler möchte, sind gefühlt ein Viertel des Romantextes in Versalien, pardon: GROSSBUCHSTABEN, gesetzt – das gibt beim Lesen so ein Sitcom-Gefühl, wenn die künstlichen Lacher für das als blöde eingeschätzte Publikum eingeblendet werden, damit sie wissen, wann es lustig ist, denn ansonsten würde man vermutlich schnell einnicken und irgendwann vom Lebenspartner gefragt werden, ob man noch wach ist (der Titel des Romans ist allerdings anders gemeint).